GAZA/TEL AVIV (dpa-AFX) - Während die Kämpfe mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen erbittert weitergehen, lotet Israel neue Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln aus. Mossad-Chef David Barnea berate mit CIA-Direktor William Burns und dem katarischem Ministerpräsidenten Abdulrahman Al Thani in Warschau, meldete die Zeitung "Haaretz" am Montag. Katar unterhält gute Beziehungen zur Hamas. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin begann eine mehrtägige Reise in die Region.
US-Präsident Joe Biden hatte Israel aufgerufen, in dem seit mehr als zwei Monaten dauernden Krieg mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Die Weltgesundheitsorganisation zeigte sich am Montag entsetzt über die Zerstörung eines Krankenhauses.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Rund 1200 Menschen wurden getötet, mehr als 200 aus Israel in den Gazastreifen verschleppt.
Während einer Feuerpause Ende November ließ die Hamas 105 Geiseln frei, Israel im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge. Nach israelischen Schätzungen werden noch rund 110 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Ob eine neue Vereinbarung zustande kommt, ist offen.
Die Hamas will eigenen Angaben nach Verhandlungen erst nach einem Ende der Kampfhandlungen Israels führen. Israel setzt auf militärischen Druck, um die Freilassung aller Geiseln zu erreichen.
Deutsche Geisel: Wurde in Gaza als Trophäe durch die Straßen geführt
Eine von der Hamas freigelassene deutsch-israelische Frau sprach im US-Fernsehen über ihre Zeit in Geiselhaft. Sie sei nach der Verschleppung wie eine Trophäe durch die Straßen in dem palästinensischen Küstengebiet geführt worden. "Ich war kein Mensch", sagte Yarden Romann-Gat in einem am Sonntagabend (Ortszeit) ausgestrahlten Interview dem US-Sender CBS. Viele Leute hätten ihre Zurschaustellung gefeiert.
Hamas-Behörde: 110 Toten durch israelische Angriffe in Gaza
Bei israelischen Luftangriffen im Norden des Gazastreifens wurden nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mindestens 110 Menschen getötet. Mehrere Wohnhäuser in dem Stadtteil Dschabalia seien getroffen worden, sagte ein Sprecher der Behörde. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, sie prüfe vor einem Angriff Ziele sehr genau, um zivile Opfer so weit wie möglich zu vermeiden und warne Menschen vor einem bevorstehenden Angriff. Die Hamas mische sich absichtlich unter die Zivilbevölkerung.
Dschabalia ist seit Tagen umkämpft. Der Stadtteil gilt als Hochburg der Hamas. Durch israelische Luftangriffe und die Bodenoffensive starben nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen bisher fast 19 000 Menschen.
WHO entsetzt über Zerstörung eines Krankenhauses im Gazastreifen
In Dschabalia wurde nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Kamal-Adwan-Krankenhaus bei den Kämpfen weitgehend zerstört. Mindestens acht Patienten, darunter ein neunjähriges Kind, seien gestorben, schrieb WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Plattform X, vormals Twitter.
Die Ständige Vertretung Israels bei den Vereinten Nationen in Genf warf Tedros auf X vor, nicht zu erwähnen, dass sich die islamistische Hamas im Kamal-Adwan-Krankenhaus eingenistet habe. Zudem sei der größte Teil des Krankenhauses evakuiert worden.
Ärzte ohne Grenzen: Wassermangel so gefährlich wie Bombardierungen
Ärzte ohne Grenzen kritisierte, da viele Menschen keinen Zugang zum Internet hätten, erfahre nicht jeder von den Aufforderungen zur Evakuierung. Kein Ort in dem Küstengebiet sei sicher, sagte Mitarbeiter Ricardo Martinez in einem von der Organisation veröffentlichten Interview."Am Leben zu bleiben ist nur eine Frage des Glücks", habe ein palästinensischer Kollege ihm gesagt.
Er warnte zudem vor den Auswirkungen des Wassermangels: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auf lange Sicht genauso gefährlich wie die Bombardierungen sein und ebenso viele Menschen töten könnte", sagte er. Das Wassersystem sei zusammengebrochen. Anwohnern stünde höchstens ein Liter Wasser am Tag zur Verfügung - "zum Trinken, Waschen und Kochen". Laut UN benötigen Menschen als Minimum dafür 15 Liter.
Kinder spielten im Abwasser, dass wegen des Mangels an Treibstoff nicht abgepumpt werden könne, sagte Martinez, der den Angaben nach selbst vier Wochen während des Kriegs im Gazastreifen verbracht hat. Mancherorts gebe es gar keinen Treibstoff. In Krankenhäusern seien deshalb Menschen gestorben. Auf den Straßen verwesten Leichen.
Israel wirft der Hamas vor, Treibstoff zu horten und der Zivilbevölkerung zu verwehren. Die Islamistenorganisation feuert noch immer regelmäßig Raketen Richtung Israel. Dazu ist Treibstoff nötig.
Human Rights Watch: Israel hungert Bevölkerung im Gazastreifen aus
Israels Regierung nutzt nach Darstellung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) das Aushungern von Zivilisten als Mittel der Kriegsführung. Dies stelle ein Kriegsverbrechen dar, teilte die Organisation mit. Laut HRW blockiert die israelische Armee absichtlich die Lieferung von Wasser, Nahrung und Treibstoff und verhindert humanitäre Hilfen.
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums warf HRW vor parteiisch zu sein und zum Massaker der Hamas am 7. Oktober, das Auslöser des Gaza-Kriegs war, geschwiegen zu haben. Er nannte die Organisation "antisemitisch und antiisraelisch"./ro/DP/jha