(neu: 5. Absatz, 1. Satz: Kontext von Scholz' Äußerungen zum Lieferkettengesetz.)
BERLIN (dpa-AFX) - Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sieht politische Ansätze zur Belebung der schwächelnden Wirtschaft - hält aber viel mehr für nötig. "Ein Investitionsstandort muss umso besser sein, je teurer er ist. Und das ist in Deutschland nicht mehr gegeben", warnte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beim Arbeitgebertag in Berlin. Nötig seien etwa Bürokratieabbau, ausgeglichene Sozialsysteme und mehr Digitalisierung.
"Keine Mondlandung, aber besser als nichts"
"Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung ist sicher keine Mondlandung, aber sie ist besser als nichts", erkannte Dulger an. Das von der Ampel beschlossene Paket mit 49 Maßnahmen soll mit steuerlichen Verbesserungen für Firmen, Arbeitsanreizen und Strompreis-Vergünstigungen die Wirtschaft in Schwung bringen. Es ist aber erst in Teilen umgesetzt.
FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler verlangte von den zuständigen Ministerien die rasche Vorlage von Gesetzesvorschlägen. "Jede weitere Verzögerung würde daher nicht nur der deutschen Wirtschaft erheblich schaden, sondern auch den Beschluss des Haushalts im Bundestag infrage stellen." Ohne neues Wachstum seien erhebliche Einsparungen nötig.
Scholz verspricht: "Das kommt weg"
Kanzler Olaf Scholz verwies auf schon Erreichtes, versprach aber insbesondere mit Blick auf das sogenannte Lieferkettengesetz mehr. "Das haben wir ja gesagt, das kommt weg", sagte der SPD-Politiker. "Dieses Jahr noch." Dulger konnte er damit noch nicht überzeugen. "Ich glaube Ihnen das, wenn die Tinte trocken ist und es bei mir auf dem Lieferschein steht." Aus Sicht von Unternehmen entsteht durch die Vorgaben viel neue Bürokratie.
Scholz bezog sich damit nach Angaben aus Regierungskreisen auf das deutsche Lieferkettengesetz, das an bevorstehende neue EU-Regelungen angepasst werden soll. Das europäische Lieferkettengesetz wurde vor Kurzem verabschiedet. Die EU-Staaten haben nun gut zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Ziel des EU-Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Das deutsche Lieferkettengesetz ist bereits in Kraft.
Die Bundesregierung hatte in ihrer "Wachstumsinitiative" angekündigt, bei der Umsetzung von Sorgfalts- und Berichtspflichten gelte es, unverhältnismäßige Belastungen der Unternehmen zu vermeiden. Die Europäische Lieferkettenrichtlinie solle so bürokratiearm wie möglich umgesetzt werden.
Dulger kritisiert Ampel-Reformen
Generell müsse europäische Bürokratie abgebaut werden, sagte Scholz und nannte als Beispiel Nachweispflichten für Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit. "Dabei sind Dinge raus gekommen, wo man sich auch nur wundert." Scholz erklärte, es brauche auch mehr Handelsverträge und weniger Zölle. Als "größtes Wachstumsproblem" bezeichnete er Probleme von Unternehmen, sich am Kapitalmarkt in Europa Geld zu besorgen.
Neben Digitalisierung, geförderten Unternehmensgründungen und begrenzten Sozialabgaben sieht Dulger Handlungsbedarf auch beim Bürgergeld. Die "missratene Bürgergeldreform" müsse korrigiert werden. Dulger zufolge bremst sie mehr, als sie nützt. "Das Rentenpaket II gehört ins Museum für verkorkste Reformen", verlangte er. Anreize für Frühverrentung sollten abgebaut werden, Arbeit müsse auch über das Renteneintrittsalter hinaus attraktiv sein.
Der Sozialverband Deutschland reagierte mit scharfer Ablehnung. "Das Rentenpaket II ist alles andere als "verkorkst", sondern eine zwingende Notwendigkeit, wenn wir weiterhin stabile Renten in Deutschland garantieren wollen", erklärte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Nur das beuge voranschreitender Altersarmut vor. "Grundvoraussetzung für eine gute Rente sind aber gute Löhne und da sehe ich vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht."
Kontroverse Subventionen
"Wettbewerbsfähigkeit muss man sich erarbeiten. Das kann man nicht herbei subventionieren", betonte Dulger. Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm plädierte dafür, statt auf staatliche Förderung stärker auf gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte sein Vorgehen: Er wolle die energieintensive Industrie auch mit der Umstellung auf klimafreundlichere Produktionsweisen in Deutschland halten. Und er warnte vor zu großer Abhängigkeit bei kritischen Zukunftstechnologien wie Halbleitern.
Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigte die Subventionen zum Erhalt der industriellen Basis und nannte bei ntv die Automobilindustrie und die Grundstoffindustrie. Investitionen würden steuerlich gefördert. "Da kann auch noch mehr passieren und sollte es vielleicht auch."
Gefragt nach seiner Vision für Deutschland im Jahr 2030 sagte Scholz: "Land mit billiger Energie, erneuerbar und technologisch vorne dabei."/hrz/DP/men