ROUNDUP/Merkel

'Die Pandemie war eine demokratische Zumutung' 09.12.2025, 20:20 Uhr von dpa-AFX Jetzt kommentieren: 0

STUTTGART (dpa-AFX) - Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) für ihren politischen Einsatz während der Corona-Pandemie ausgezeichnet worden. Die 71-Jährige erhielt die sogenannte Staufermedaille in Gold - eine persönliche Auszeichnung des Ministerpräsidenten für Verdienste um das Land Baden-Württemberg und seine Bevölkerung. Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und ihre Folgen sind bis heute umstritten.

Merkel stellte die Zeit der Pandemie rückblickend als enorm schwierige Phase ihrer Regierungszeit dar. Nach Finanzkrise, Eurokrise und der Annexion der Krim sei es noch einmal in einer Weise um Grundwerte gegangen, die auch für sie persönlich eine "riesige Herausforderung" dargestellt hätte, so die 71-Jährige.

Merkel: Demokratische Zumutung

Eigentlich sei die Sache zu Beginn der Pandemie einfach gewesen, sagte Merkel und berief sich auf die wissenschaftliche Sicht und das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen: Kontaktvermeidung. "Leider ist das etwas, was unserem menschlichen Wesen zutiefst entgegensteht", so die Altkanzlerin. "Wir haben von den Menschen verlangt, sich nicht menschlich zu verhalten." Soziale Nähe mache den Menschen aber aus.

Sie hätte nicht gedacht, aus der DDR kommend, dass sie 30 Jahre nach dem Fall der Mauer bürgerliche Freiheiten zeitweilig außer Kraft setzen müsse, führte Merkel weiter aus. "Die Pandemie war eine demokratische Zumutung."

Altkanzlerin verteidigt Entscheidungen

Merkel sagte, sie fürchte manchmal, dass bis heute nicht klar sei, was für ein Glück man gehabt habe mit der relativ zügigen Entwicklung eines Impfstoffes, der nur durch jahrzehntelange Vorarbeit der Wissenschaft möglich gewesen sei. Das hätte auch drei oder fünf Jahre dauern können, so die Altkanzlerin. Man habe die Herausforderung relativ gut bewältigen können.

Es wiege aber schwer, dass besonders Kinder, Jugendliche und Ältere hätten leiden müssen. Es sei wichtig, dass das in einer Demokratie untersucht werde. Sie würde sich aber wünschen, dass das nicht mit "Schaum vor dem Mund" geschehe - und man auch berücksichtige, was passiert wäre, wenn man die Maßnahmen gegen die Pandemie nicht ergriffen hätte.

Merkel stellte klar: "Wir haben nicht in einem demokratiefreien Raum gelebt." Ein sehr großer Teil der Maßnahmen sei von Gerichten nicht verworfen worden.

Kretschmann: "Besonnene Entscheidungsfreude"

Er würdige Merkel für ihre "entschlossene, umsichtige und klare" Führung als Bundeskanzlerin in der Krise, sagte Kretschmann in seiner Rede. Fast 190.000 Menschen seien in Deutschland an oder mit Corona gestorben, Hunderttausende litten bis heute an Long Covid, erklärte der Südwest-Regierungschef.

Durch das Handeln Merkels hätten noch deutlich höhere Opferzahlen verhindert werden können. Sie habe als Naturwissenschaftlerin gedacht und politisch verantwortlich gehandelt. Mit ihrer "besonnenen Entscheidungsfreude" habe Merkel gezeigt, was Führung in der Demokratie bedeute und erfordere.

Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und ihre Folgen sind bis heute umstritten. Die Pandemie mit zahlreichen Vorgaben zu Masken, Impfungen, Tests und Schließungen hatte in Deutschland 2020 begonnen, die letzten bundesweiten Auflagen endeten zu Ostern 2023. Kretschmann wie Merkel hatten sich damals eher dem "Team Vorsicht" zugehörig verstanden. Die Wertschätzung Kretschmanns für die Ex-Kanzlerin ist seit langem bekannt. In der Flüchtlingskrise erklärte der heute 77-Jährige öffentlich, dass er für Merkel bete./poi/DP/jha

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