Deutschlands Exportunternehmen müssen sich auf eine deutliche Abkühlung des Welthandels einstellen. Die Welthandelsorganisation WTO sagte am Mittwoch drastische Bremsspuren durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Pandemie und die Folgen des Klimawandels im kommenden Jahr voraus. Sie senkte ihre Wachstumsprognose für 2023 von 3,4 auf 1,0 Prozent. In diesem Jahr dürfte der globale Handel dagegen stärker wachsen, als im Frühjahr angenommen. Davon könnte die exportlastige deutsche Wirtschaft profitieren.

Nach einem schwachen Juli legten die deutschen Exporte im August gegenüber dem Vormonat um 1,6 Prozent zu. Geliefert wurden nach Daten des Statistischen Bundesamtes Waren im Wert von 133,1 Milliarden Euro. Vor allem das US-Geschäft zog kräftig um 12 Prozent an. Dabei spielt nach Einschätzung von Ökonomen auch der schwache Euro eine Rolle. Produkte aus Deutschland werden dadurch in Dollar gerechnet in den USA billiger. Das Land ist der wichtigste Einzelmarkt für Waren «Made in Germany». Die Exporte in den ebenfalls bedeutenden chinesischen Markt stiegen um 2,9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro.

DIHK-Chef sagt kalten Exportwinter voraus

Hohe Energiepreise, Probleme in den Lieferketten und die Eintrübung der Weltwirtschaft belasten allerdings den Ausblick. «Das leichte Wachstum der Ausfuhren im August ist nur ein letztes Aufflackern vor einem kalten Exportwinter», sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Deutsche Exporteure seien gezwungen, ihre Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Das gelinge nur teilweise. Die in Deutschland besonders ausgeprägten Energiepreissteigerungen gingen zu Lasten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. «Insgesamt zeichnet sich auch schon für das dritte Quartal im Außenhandel ein Minus ab».

Die USA würden gerade in unsteten Zeiten als Exportpartner für Deutschland immer wichtiger, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). «Wir brauchen nun schnell Fortschritte bei den Verhandlungen im Rahmen des Handels- und Technologierats TTC. Das ist eine große Chance, Handelskonflikte künftig zu vermeiden.»

Welche Rolle Preiserhöhungen spielen, geht aus den Daten der Wiesbadener Behörde nicht hervor. Es werden keine preisbereinigten Angaben gemacht. Theoretisch könnte der Wert der Exporte auch durch höhere Preise steigen.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, bezeichnete das Exportplus insgesamt als erfreulich. «Es verleiht Hoffnung, dass die deutschen Exporteure im dritten Quartal nochmals mit einem blauen Auge davonkamen.» Die konjunkturellen Aussichten für die Weltwirtschaft trübten sich aber zunehmend ein. «Die deutsche Volkswirtschaft ist mit ihrer exportstarken Industrie den weltwirtschaftlichen Widrigkeiten besonders stark ausgesetzt», sagte Gitzel. Es sei davon auszugehen, dass das Exportgeschäft das Wirtschaftswachstum dämpfen werde.

Die Exporterwartungen der deutschen Wirtschaft waren nach Angaben des Ifo-Instituts im September auf den niedrigsten Wert seit Mai 2020 gesunken.

Aus- und Einfuhren legten zu

Von Januar bis einschließlich August summierten sich die deutschen Ausfuhren auf 1024,9 Milliarden Euro. Das ist trotz der Verwerfungen in Folge des Ukraine-Krieges ein Plus von 14,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum.

Noch stärker als die Ausfuhren legten die Importe nach Deutschland im August zu. Sie stiegen gegenüber dem Vormonat um 3,4 Prozent. Innerhalb eines Jahres erhöhten sich die Einfuhren um 33,3 Prozent auf 131,9 Milliarden Euro. Dabei spielt auch der Preisanstieg für Öl und Gas eine Rolle. Deutschland ist abhängig von Energieeinfuhren aus dem Ausland.

Die Welthandelsorganisation rechnet für dieses Jahr nun mit einem Wachstum im Warenhandelsvolumen von 3,5 Prozent. Bei ihrer Prognose im April war sie von 3,0 Prozent ausgegangen. Beim Weltwirtschaftswachstum geht die WTO für 2022 unverändert von 2,8 Prozent aus. Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte die Organisation allerdings noch einen Anstieg des globalen Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr von 4,1 Prozent erwartet. Im kommenden Jahr rechnet sie mit 2,3 Prozent Wirtschaftswachstum, rund ein Prozentpunkt weniger als im Frühjahr.

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Quelle: dpa