FRANKFURT (dpa-AFX) - In Zeiten stark steigender Preise und hoher Zinsen richtet sich die Hoffnung so mancher Anleger hierzulande auf China. Nicht ohne Grund, denn Inflationssorgen und die damit einhergehende Furcht vor einer scharfen Geldpolitik sind in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aktuell kein Thema. Vielmehr setzt Peking alles daran, nach dem Ende der strikten Null-Covid-Politik im Dezember den wichtigen Konsum wieder anzukurbeln.

Diese Bemühungen könnten sich Experten zufolge trotz aller geopolitischen Spannungen auch positiv am Aktienmarkt niederschlagen. Es wäre eine Erleichterung für China-Anleger, die in den letzten beiden Jahren deutliche Einbußen hinnehmen mussten. Allein im vergangenen Jahr war der CSI-300-Index mit den 300 wichtigsten Werten der Börsen Shanghai und Shenzhen um mehr als ein Fünftel abgesackt, nach einem Minus von fünf Prozent 2021. Zum Vergleich: Der MSCI World Index war 2022 zwar auch um rund ein Fünftel gefallen, hatte im Jahr davor aber um ein Fünftel zugelegt.

"Einer der Faktoren, die uns in naher Zukunft für chinesische Aktien am meisten optimistisch stimmen, ist das Rekordniveau der Ersparnisse der privaten Haushalte, die in den Banken des Landes liegen", zeigte sich Alessandro Rollo vom Vermögensverwalter VanEck jüngst überzeugt. Hunderte Millionen von Sparern haben demnach derzeit kaum Möglichkeiten, beim Aufbau ihrer Altersvorsorge außerhalb der Kapitalmärkte des Landes eine angemessene Rendite zu erzielen.

Ein Grund dafür ist, dass der für China so wichtige Immobilienmarkt nach den Turbulenzen des Vorjahres nur perspektivisch und dann langsam auf die Beine kommt. Die Regierung sicherte auf dem jüngsten Volkskongress zwar eine "effektive Risikoprävention" für den Sektor zu. Gleichzeitig aber müsse versucht werden, eine "unregulierte Expansion" des Immobilienmarktes zu verhindern.

Im Ende Januar begonnenen Jahr des Hasen - der für Frieden und Wohlstand steht - richtet sich die Hoffnung der Konsumenten und Anleger damit auf den neuen Premierminister Li Qiang. "Li ist für seine wirtschaftspolitische Haltung bekannt und hat seine Unterstützung für private Unternehmen bekräftigt", betonte Fondsmanagerin Haiyan Li-Labbé vom Vermögensverwalter Carmignac jüngst in einem Vortag auf einem Fondskongress in Mannheim.

In den vergangenen Jahren haben die chinesischen Regulierungsbehörden noch entschieden gegen große Tech-Unternehmen durchgegriffen. Peking ist deren Marktmacht ein Dorn im Auge; die Regierung fürchtet um die politische Stabilität und damit letztlich um ihre Macht. Doch mittlerweile zeichnet sich ein Ende der harten Gangart ab, denn auch der Privatsektor soll nach dem Ende der Corona-Maßnahmen seinen Beitrag zur Erholung der Wirtschaft leisten.

"Die Regierung in Peking kehrt in puncto Regulierung wieder zu mehr Pragmatismus zurück", sagt Aktienstratege Uwe Röhrig vom Vermögensverwalter UBS Asset Management im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Es wird weniger eingegriffen als in den letzten Jahren, denn man braucht weiterhin deutliches Wachstum, um den Wohlstand der Bevölkerung zu steigern.

Doch Chinas Unternehmen wissen auch, dass sie weiterhin vorsichtig agieren müssen. Dass sie mittlerweile wohl verstanden haben, woher jetzt der Wind weht, zeigt das Beispiel Alibaba : Der Firmengründer des Online-Riesen, Jack Ma, war vor gut zwei Jahren in Ungnade gefallen und nach einer Auszeit jüngst wieder in China aufgetaucht. Kurz darauf wurde bekannt, dass sich der Konzern in sechs kleinere Einheiten aufspalten will.

Derweil stehen und fallen die Aussichten für den chinesischen Aktienmarkt mit der Frage, ob die politischen Spannungen mit den USA weiter an Schärfe gewinnen. Bereits jetzt ist die Lage brisant: So hat Washington im Herbst letzten Jahres sein Vorgehen gegen Peking verschärft und mit Verweis auf die nationale Sicherheit die Ausfuhr von Hochleistungschips an neue Vorschriften geknüpft. Im Februar dann hatte das Eindringen eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons in den US-Luftraum für neue Zerwürfnisse gesorgt. Auch eine militärische Konfrontation ist nicht ausgeschlossen, denn China betrachtet die Insel Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit deren Eroberung.

"Wegen der geopolitischen Spannungen werden chinesische Aktien immer mit einem Abschlag gehandelt werden, aber dieser dürfte sich in diesem Jahr verringern", sagt Fondsmanager Xiadong Bao von Edmond de Rothschild im Gespräch mit dpa-AFX. China und die USA hätten erkannt, dass sie ihre Ziele als wirtschaftliche Wettbewerber besser erreichen können als über die Austragung von Konflikten.

Star-Investor Warren Buffett ist dennoch vorsichtig und hat jüngst Beteiligungen an dem chinesischen Elektroautobauer BYD und an dem taiwanesischen Chip-Giganten TSMC reduziert. Buffett sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender CNBC, BYD sei zwar "außergewöhnlich" und TSMC sei ein "fabelhaftes Unternehmen", aber das geopolitische Risiko zwischen den Heimatstandorten dieser beiden Unternehmen sei zu groß geworden, um es zu ignorieren. Stattdessen erhöhte er den Japan-Anteil in seinem Portfolio./la/bek/mis

- Von Lutz Alexander, dpa-AFX -

Quelle: dpa-AFX