Apple, Amazon und Alphabet – bei Tech-Titeln denken die meisten Investoren zuerst an die USA. Aber auch hierzulande gibt es Marktführer mit großem Kurspotenzial.

Der Wind für die Tech-Branche hat sich gedreht. Jahrelang waren sie der Wachstumstreiber im Portfolio, der Tech-Index MSCI World Information Technology verbuchte von 2013 bis heute etwa doppelt so viel Rendite wie der breiter gefasste MSCI World. Besonders die sogenannten FAANG-Titel – Meta (Facebook), Amazon, Apple, Netflix und Alphabet (Google) – legten ein kometenhaftes Wachstum hin. Nun belastet die Zinswende die forschungsbasierte Branche. Tech-Titel sind häufig Wachstumsunternehmen, die ihre Innovationen über Fremdkapital finanzieren – und das ist bei den aktuell höheren Zinsen teuer. Außerdem gelten die Titel als konjunktursensibel. Droht eine Rezession, fallen auch die Kurse – auch das hat die Entwicklung der Tech-Aktien belastet. 

Dennoch scheint die Branche den ersten Schock überwunden zu haben: Seit Jahresanfang ist der World-Information-Technology-Index auf Erholungskurs und verbucht seither fast ein Fünftel Plus. Allerdings liegt er noch deutlich unter seinen Höchstständen zum Jahreswechsel 2021-2022. Für Anleger könnte sich derzeit also ein günstiger Einstiegszeitpunkt bieten. 

Dabei lohnt der Wechsel der Blickrichtung, weg von den USA, hin nach Deutschland. Auch der deutsche TecDAX, bestehend aus den 30 größten Technologie-Unternehmen, schlägt die Performance des weiter gefassten DAX auf lange Sicht. Die meisten deutschen Titel haben zwar eine deutlich geringere Marktkapitalisierung als die US-Platzhirsche, punkten aber auf ihre ganz eigene Weise. Anleger, die auf deutsche Technologiewerte setzen wollen, sollten sich auf Marktführer konzentrieren, die auch in Zukunft gute Wachstumsaussichten haben. 

Das Schwergewicht: SAP 

Das deutsche Softwareunternehmen SAP ist nicht nur der größte Titel im TecDAX, sondern auch im breiteren DAX, wenn es um die Marktkapitalisierung geht. Der Konzern mit Sitz im baden-württembergischen Walldorf zählt mittlerweile zu den führenden Anbietern für Unternehmensanwendungssoftware, zum Beispiel zur Finanz- und Personalverwaltung oder Kundenbeziehungen. Auch die bekannte Datenbank Hana stammt von SAP. Das Unternehmen, das 1972 gegründet wurde, befindet sich auf Wachstumskurs: 2022 konnte es seinen Umsatz um etwa elf Prozent auf 30.861 Millionen Euro erhöhen. Der Gewinn fiel derweil schlechter aus: Das Betriebsergebnis nach Steuern lag mit 1.714 Millionen Euro rund 68 Prozent niedriger als im Vorjahr. Die Beendigung des Geschäfts in Russland und Weißrussland, geringere Einnahmen aus Softwarelizenzerlösen und verstärkte Investitionen hatten die Margen gedrückt, heißt es in einer Unternehmensmitteilung. 

Zudem könnte der Konzern in Zukunft von künstlicher Intelligenz profitieren. "Digitale Technologien werden Jobs an ganz vielen Stellen massiv verändern und künstliche Intelligenz ist da für mich zusätzlich ein echter Beschleuniger", sagte die Vorständin des Softwarekonzerns der Deutschen Presse-Agentur. KI könne einen enormen Produktivitätsbeitrag leisten und eine Unterstützung für die Menschen sein. SAP versuche derzeit, die Geschäftsprozesse seiner Kunden weiter zu automatisieren und die Qualität von Entscheidungen zu erhöhen. 

Trotz der verschlechterten Margen entwickelte sich die Aktie zuletzt positiv. Seit Jahresanfang verbuchte sie rund 21 Prozent Plus, aktuell kostet sie 115,20 Euro. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) (2023e) von 22 liegt SAP im Mittelfeld. Wettbewerber Workday kommt derweil auf ein KGV von 49, während Oracle ein KGV von 19 hat. Analysten sehen die Aktie mehrheitlich positiv. Barclays bewertet die Aktie als Kauf mit einem Kursziel von 134 Euro, JP Morgan setzt sie auf 'Overweight' mit einem Ziel von 137 Euro. Die starke Dynamik im Cloud-Geschäft dürfte sich fortgesetzt haben, schrieb JPMorgan-Analyst Toby Ogg. Die Aktie von SAP sei im europäischen Software-Sektor unverändert sein Favorit. 

Der Global Player: Infineon Technologies 

Der zweite Tech-Titel aus Deutschland ist der bayerische Halbleiterhersteller Infineon. Das Unternehmen entstand 1999 als Ausgründung von Siemens, mittlerweile ist es der größte Halbleiterproduzent Deutschlands und zählt zu den größten Herstellern weltweit. Den größten Umsatz erwirtschaftet Infineon mit dem Sektor Automotive (45 Prozent), der Rest entfällt auf grüne Industrieenergie, Leistungs- und Sensorsysteme und vernetzte gesicherte Systeme. Im Geschäftsjahr 2022, das bereits im September endete, profitierte das Unternehmen von der Chipkrise und erzielte einen Umsatz von 14.218 Millionen Euro – rund 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Das EBIT lag mit 2.845 Millionen Euro etwa 94 Prozent höher als 2021. Auch das erste Quartal 2023 (Oktober-Dezember 2022) lief gut: Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 25 Prozent, das EBIT sogar um 57 Prozent. Analysten erwarten für die nächsten Quartalszahlen (Veröffentlichung am 04. Mai) ein Umsatzplus von 20 Prozent sowie 33 Prozent mehr Gewinn je Aktie. 

Die guten Geschäftszahlen spiegeln sich auch im Aktienkurs wider. Seit Jahresanfang verbuchte der Titel 28 Prozent Plus, aktuell steht die Aktie bei 36,34 Euro. Das KGV (2023e) liegt bei 15,21 und ist damit eher günstig bewertet. Marktführer Samsung steht derweil bei 44 (2023e). Analysten rechnen Infineon gute Chancen aus. Deutsche Bank Research hebt ihr Kursziel auf 47 Euro und belässt die Einstufung auf 'Buy'. Das Preisumfeld für "kritische" Halbleiter für den Automobilbau bleibe vorteilhaft, begründet Analyst Johannes Schaller. Der Start von Infineon in das neue Jahr bestärke ihn in seiner Haltung, dass auch 2023 ein "gesundes Jahr" für die Hersteller von Halbleitern für die Automobilindustrie werden dürfte. Auch Warburg Research sieht die Aktie als Kauf mit einem Ziel von 48 Euro, Bernstein stuft sie als 'Outperform' bei 40 Euro ein. 

Die Kursrakete: Elmos Semiconductor  

Elmos Semiconductor kommt ebenfalls aus der Chipbranche. Das 1984 gegründete Unternehmen mit Sitz in Dortmund entwickelt, produziert und vermarktet Halbleiter vorrangig für die Automobilindustrie. Auch Elmos profitierte 2022 vom Chipmangel und legte ein starkes Geschäftsjahr hin. Der Umsatz stieg um 39 Prozent auf 447 Millionen Euro, das EBIT sogar um 84 Prozent auf 110 Millionen Euro. Dabei musste das Unternehmen 2022 einen Rückschlag einstecken: Eigentlich hatte es geplant, seine Wafer-Fertigung in Dortmund für 85 Millionen Euro an das schwedische Unternehmen Silex, eine Tochterfirma des chinesischen Konzerns Sai Microeletronics, zu verkaufen. Im November stoppte das Bundeskabinett das Vorhaben aber, da "die Sicherheit der Ordnung in Deutschland gewahrt und geschützt" werden müsse, begründete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Entscheidung. "Gerade im Halbleiterbereich ist es uns wichtig, die technologische und wirtschaftliche Souveränität Deutschlands und auch Europas zu schützen", sagte er. Elmos prüfe derzeit Alternativen für die Fabrik, heißt es in einer Unternehmensmitteilung. 

Auch wenn es eigentlich untypisch für ein Wachstumsunternehmen der Tech-Branche ist: Elmos zahlt eine Dividende an seine Aktionäre. Zum 10. Mai erhalten alle Aktionäre 0,76 Euro pro Aktie. Im Vergleich zum Kurs von 87,60 Euro ist die Ausschüttung aber sehr gering, es ergibt sich eine Dividendenrendite von 0,87 Prozent. Viel interessanter ist die Wertentwicklung des Titels: Seit Jahresbeginn verbuchte Elmos 64 Prozent Plus. Das bleibt auch Analysten nicht unbemerkt. Als Konsequenz stufte Warburg Research Elmos kürzlich auf 'Hold' herab mit einem Kursziel von 95 Euro. Das erhöhte Kursziel berge nach einer hervorragenden Kursentwicklung nur begrenztes Aufwärtspotenzial, begründete Analyst Malte Schaumann. Im Branchenvergleich ist das KGV (2023e) von 16 dennoch eher günstig bewertet. 

Der Konzentrierte: iShares TecDAX 

Anleger, die auf deutsche Tech-Titel setzen wollen, können in ETFs, die den TecDAX nachbilden, investieren. Dazu zählt beispielsweise der thesaurierende iShares TecDAX (DE0005933972/593397). Im vergangenen Jahr verbuchte der Index zwar 26 Prozent Minus, seit Jahresanfang erholte er sich jedoch wieder um 13,44 Prozent. Allerdings ist der ETF eher konzentriert, schließlich besteht auch der TecDAX nur aus 30 Unternehmen.

(sesch) für die wallstreet:online Zentralredaktion


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Quelle: Wallstreet Online