Beim Streaming-Riesen Netflix geht die Ära von Firmengründer Reed Hastings zu Ende. Nach mehr als zwei Jahrzehnten zog sich der 62-Jährige aus dem Top-Management zurück. Der Schritt folgte auf ein überraschend starkes Schlussquartal.

Nicht zuletzt dank der Doku-Serie «Harry & Meghan» wuchs Netflix mit einem Plus von 7,7 Millionen Nutzern deutlich schneller als erwartet. Der Dienst ist im Wandel: Vor kurzem startete ein günstigerer Abo-Tarif mit Werbung, und demnächst wird gegen das Teilen von Passwörtern vorgegangen.

«Selbst Gründer müssen sich weiterentwickeln!», schrieb Hastings im Firmenblog am Donnerstag. Er hatte 2020 den langjährigen Inhalte-Chef Ted Sarandos in eine Doppelspitze befördert. Jetzt rückt Greg Peters, der bisher das Tagesgeschäft verantwortete, zum Co-Chef auf. «Ehrlich gesagt haben die beiden mehr und mehr das Unternehmen geführt», sagte Hastings in einem Interview. Er dürfte als geschäftsführender Verwaltungsratsvorsitzender weiter großen Einfluss behalten.

Das erste Geschäftsmodell von Netflix war der DVD-Verleih per Post. Hastings erkannte aber frühzeitig das Potenzial von Streaming und setzte darauf. Der nächste strategische Schritt war, eigene Inhalte zu produzieren: Zum einen, um Lizenzkosten zu sparen. Zum anderen, weil Hastings voraussah, dass Studios im Streaming-Boom ihr Programm für eigene Dienste behalten würden. Zugleich sperrte er sich gegen Werbung bei dem Dienst, tolerierte das Teilen von Passwörtern und hielt sich strikt von teuren Sport-Rechten fern. Mit den beiden ersten Grundsätzen bricht Netflix gerade.

Wenn Passwörter geteilt werden, gibt es künftig einen Aufpreis

Die Einführung des günstigeren Abos mit Werbung im November unter anderem auch in Deutschland war eine Reaktion auf den zunehmenden Wettbewerb mit immer mehr Streaming-Diensten. Auch beim großen Rivalen Disney+ gibt es inzwischen eine Version mit Anzeigen. Peters betonte, das Werbe-Abo lockt bisher vor allem neue Kunden an, der Wechsel aus teureren Tarifen sei gering.

Wenn Netflix feststellt, dass Passwörter über einen Haushalt hinaus geteilt werden, will der Dienst künftig einen Aufpreis verlangen. «Es wird kein allgemein populärer Schritt sein», räumte Peters ein. Man stelle sich darauf ein, dass einige Nutzer zumindest zeitweise Netflix verlassen werden. Zugleich stellt sich der Dienst auf zusätzlichen Umsatz durch den Schritt ein. Und Sarandos hofft vor allem auf die Attraktivität des Programms: «Wenn die Inhalte funktionieren, funktioniert das Geschäft.»

«Glänzenderer Abschluss»

Nachdem das vergangene Jahr über weite Strecken enttäuschend für Netflix verlaufen war, fiel der Abschluss wesentlich besser aus als angenommen. In den drei Monaten bis Ende Dezember gewann der Streaming-Service unterm Strich 7,66 Millionen neue Kunden hinzu - statt der erwarteten 4,5 Millionen. Insgesamt brachte es Netflix zum Jahresende auf 230,75 Millionen Nutzerkonten. Neben «Harry & Meghan» konnte der Videodienst auch mit der Serie «Wednesday» sowie den Filmen «Troll» und «Glass Onion» punkten.

«2022 war ein schwieriges Jahr mit einem holprigen Start, aber einem glänzenderen Abschluss», hieß es im Geschäftsbericht mit Blick auf die schwache erste Jahreshälfte. Netflix hatte zu Beginn der Pandemie einen Kundenansturm erlebt, geriet danach aber in schweres Fahrwasser mit zwischenzeitlichem Kundenschwund. Zur Konkurrenz finanzstarker Rivalen wie Disney und Amazon kam hinzu, dass bei Kunden das Geld durch die Inflation nicht mehr so locker saß. Nun läuft es wieder besser: Die Erlöse wuchsen im vierten Quartal im Jahresvergleich um rund zwei Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar (7,3 Mrd Euro).

Der Nettogewinn brach zwar wegen ungünstiger Währungskursentwicklung von 607 Millionen auf 55 Millionen Dollar ein, dafür stellte Netflix für das laufende Vierteljahr einen Anstieg auf 1,3 Milliarden Dollar in Aussicht. Beim Umsatz rechnet das Unternehmen mit einem Zuwachs auf 8,2 Milliarden Dollar. Insgesamt lag der Quartalsbericht deutlich über den Prognosen der Wall-Street-Experten. Die Aktien von Netflix starteten in den vorbörslichen Handel mit starkem Plus.

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Quelle: dpa