Kampf gegen Windmühlen, Kommentar zu Steuerdeals von Detlef Fechtner
Frankfurt (ots) - Das kann doch wohl nicht sein - und das darf nicht sein: Viele
Steuerdeals, die in EU-Staaten zwischen Finanzbehörden und Unternehmen
verabredet worden sind, verstoßen gegen jegliches Rechtsverständnis. Etwa, wenn
Firmen riesige Forschungsaufwendungen an Standorten geltend machen, an denen die
größte Forschungseinrichtung die Stadtbibliothek ist. Oder wenn Finanzämter die
Blanko-Erlaubnis ausstellen, dass nur ganz bestimmte Erträge besteuert werden
müssen - und alle anderen nicht. Oder wenn der effektive Steuersatz eines
internationalen Konzerns an seinem Europasitz unterm Strich nur 0,005 Prozent
beträgt. Das kann nicht, das darf nicht sein.
Aber so offensichtlich bei vielen dieser berüchtigten "Steuervorbescheide" das
Motiv der aggressiven Steuervermeidung auch sein mag, so schwierig ist der
gerichtsfeste Nachweis. Denn erstens verlangen die Gerichte oft Belege, die sich
kaum erbringen lassen - wie etwa lässt sich sicher feststellen, dass ein
Unternehmen an bestimmten Standorten gerade keine Patente entwickelt hat?
Zweitens sind einige der Rechtskonstruktionen so kompliziert, dass sich einzelne
Konzerneinheiten damit rausreden können, die Steuerschuld werde ja an anderer
Stelle getilgt. Und drittens stehen den Wettbewerbshütern paradoxerweise nicht
nur die Unternehmen gegenüber, die Steuern nachzahlen sollen, sondern auch die
Länder, die diese Nachzahlungen erhalten würden - und die nach Kräften die
umstrittenen Steuerdeals verteidigen, weil sie hoffen, durch diese großzügige
Behandlung die Europa-Zentralen der Konzerne im Land halten zu können.
Der laufende Rechtsstreit um die 13 Mrd. Euro, die der iPhone-Konzern Apple in
die irische Staatskasse nachzahlen soll, veranschaulicht, dass die
EU-Wettbewerbshüter einen Kampf gegen Windmühlen führen. Der Streit ist in ein
Stadium eingetreten, in dem es nur noch um Verfahrensfehler und
Begründungsmängel geht. Egal ob es der EU-Kommission gelingt, das
erstinstanzliche Urteil zu drehen oder nicht - begreifen werden das nur noch
versierte Kartellrechtler. Wenn überhaupt.
Eines ist selbst für juristische Laien augenscheinlich. Aggressiver
Steuervermeidung kann die EU kaum mit dem Wettbewerbsrecht beikommen. Sondern
nur mit Vorgaben des Steuerrechts. Dafür braucht es endlich des energischen
politischen Willens derer, die bislang nur halbherzig gegen die zweifelhaften
Steuerdeals vorgegangen sind - aus falscher Rücksicht gegen beteiligte heimische
Unternehmen oder befreundete Nachbarstaaten.
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