Adler spielt auf Zeit / Kommentar zum Rettungspaket für den

krisengeschüttelten Wohnungskonzern von Helmut Kipp.

Frankfurt (ots) - Wenn in schwieriger Lage ein wichtiger Deal gelingt, ist oft

von einem Befreiungsschlag die Rede. So ist es auch bei Adler. Der

krisengeschüttelte Wohnimmobilienkonzern hat sich mit einer Gruppe von

Bondgläubigern über frisches Fremdkapital und eine Änderung von

Anleihebedingungen geeinigt. Tritt das Ganze wie geplant spätestens im ersten

Quartal 2023 in Kraft, ist die Gefahr einer akuten finanziellen Schieflage erst

einmal gebannt. Und es bleiben acht Monate mehr für die Prüfung der Bilanz 2022

- ein zentraler Punkt, da noch immer kein Wirtschaftsprüfer an Bord ist. Beides

kann man als Erfolg für Adler werten.

Doch wie weit der Befreiungsschlag tatsächlich trägt, muss sich noch zeigen.

Denn der Deal höhlt das Unternehmen aus. Die Zinsen steigen auf ein Niveau, das

oft weit über die Mietrendite hinausgeht, die im Halbjahresbericht mit 2,9% im

Kernportfolio angegeben wird. Vor allem die neue Fremdfinanzierung von maximal

knapp 940 Mill. Euro zehrt am Unternehmen. Dafür muss Adler extrem hohe Zinsen

zahlen, nämlich 12,5% im Jahr. Und das, obwohl der Kredit bei der Besicherung an

erster Stelle steht. Solche Konditionen sind der Preis, den zahlen muss, wer mit

dem Rücken zur Wand steht.

Im Vergleich dazu nimmt sich der Zusatzzins von 2,75 Punkten für die

Unternehmensanleihen der Mutter Adler Group auf den ersten Blick geradezu

erträglich aus. Zumal die Basisverzinsung der Bonds, die überwiegend aus der

Zeit des ultrabilligen Geldes stammen, für heutige Verhältnisse niedrig ist.

Doch auch der fällige Extra-Betrag ist eine Last, an der Adler schwer trägt.

Denn der Zusatzzins frisst den operativen Gewinn auf, den Adler zuletzt auf 84

Mill. bis 88 Mill. Euro im Jahr 2022 veranschlagt hat. Demgegenüber stellen sich

die Gläubiger nicht nur dank des Zinsaufschlags besser. Auch können sie aus

bisher unbesicherten Forderungen anteilig besicherte machen.

Insgesamt verschafft der Deal dem Unternehmen vor allem eines: Zeit. Der Grund:

Bis Mitte 2025 anstehende Fälligkeiten und Zinszahlungen werden prolongiert. Das

verringert das Risiko, Assets weit unter Wert veräußern zu müssen, um Geld

hereinzuholen. Aufgrund des eingebrochenen Transaktionsmarkts hat Adler zuletzt

kaum noch Verkäufe unter Dach und Fach bringen können.

Doch das Spiel auf Zeit ist auch ein Spiel mit dem Feuer. In gut zweieinhalb

Jahren werden nämlich die aufgeschobenen Zahlungen fällig. Spätestens dann kommt

es zum Schwur. Bis dahin müssen in ausreichendem Umfang Immobilien verkauft

worden sein, um die aufgelaufenen Schulden zu bedienen. Mit ihrem Rettungspaket

wetten Adler und die Gläubiger also letztlich auf bessere Zeiten an den

Wohnimmobilienmärkten.

In den nächsten Wochen und Monaten geht es erst einmal darum, die Vereinbarung

in all ihren Facetten umzusetzen. Die gefundene Lösung ist hochkomplex, wie so

vieles bei Adler. Bisher sind erst 45% der Bondholder der Adler Group im Boot.

Diverse Gläubigerversammlungen müssen zustimmen, und zwar mit

Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen. Auch kann es juristische Störfeuer

geben. Doch das offene Wedeln mit dem StaRUG, dem Gesetz für vorinsolvenzliche

Restrukturierungen, dürfte helfen, Gläubiger auf Linie bringen.

(Börsen-Zeitung, 29.11.2022)

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Quelle: dpa-AFX