Die richtige Entscheidung / Kommentar zur amerikanischen Notenbank Fed

von Peter de Thier.

Washington (ots) - Was Ökonomen seit geraumer Zeit vorausgesagt haben, scheint

nun so gut wie offiziell zu sein: Die US-Notenbank wird bei ihrer letzten

Sitzung im laufenden Jahr das Tempo der Zinserhöhungen drosseln und dürfte auch

künftig kleinere Schritte beschließen. Deutlicher hätte das Abschlussprotokoll

der Sitzung vom November kaum sein können. Zwar räumen die Währungshüter ein,

dass die Inflation nach wie vor zu hoch ist. Gleichzeitig er­kennen sie aber,

dass die aggressiven Zinserhöhungen der vergangenen Monate zu einem

Konjunktureinbruch beitragen könnten und Risiken für die Finanzstabilität

erhöhen könnten. Festzuhalten ist: Bei der geplanten Kursentschärfung handelt es

sich um die vernünftigste Entscheidung, die der Fed-Vorsitzende Jerome Powell

treffen könnte.

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Fed nämlich eine Politik der

Superlative verfolgt. Um der Konjunkturschwäche während der Pandemie

entgegenzuwirken, hielt die Notenbank an einer Nullzinspolitik und massiven

Anleihekäufen fest, tat das aber viel zu lange. Darauf folgte dann mit dem

Abschmelzen der Anleihekäufe (Tapering), der ersten von sechs teilweise

aggressiven Zinserhöhungen und schließlich dem Bilanzabbau ein Kursschwenk, der

schnell zu einer deutlichen Kursverschärfung wurde. Mittlerweile verfolgt Powell

die stringenteste Geldpolitik seit Paul Volcker in den achtziger Jahren. Kein

Wunder, dass Volckers Buch "Keeping at it", lose übersetzt "Dranbleiben", zum

persönlichen Leitfaden für den zinspolitischen Kurs unter dem amtierenden

Fed-Vorsitzenden wurde. Beide Male habe die Fed jedenfalls überreagiert, meinen

Kritiker, einmal auf den Konjunktureinbruch während der Pandemie und dann auf

die hohe Inflation.

Und das Ergebnis der Kehrtwende nach einem Jahr? Nachdem der

Verbraucherpreisindex im Juni auf über 9% kletterte und damit den höchsten Stand

seit über 40 Jahren erreichte, hat die Kursverschärfung dazu beigetragen, dass

die Teuerungs­rate im Oktober auf 7,7% zurückging. Rückläufig ist auch der

PCE-Preisindex, deren Kernrate allerdings im August und September wieder

zu­legte. Die leicht sinkende Inflation ist also ein Etappensieg, der sich sehen

lassen kann.

Zwar ist die Teu­erungsrate nach wie vor viel zu hoch. Gleichwohl müssen sich

die Währungshüter die Frage stellen, wann sie mit ihren Zinserhöhungen an die

Grenzen des Machbaren stoßen. Einwirken kann die Geldpolitik nämlich nur auf die

nachfrageseitige Komponente der Inflation, indem sie eine dämpfende Wirkung auf

den Privatkonsum und die Investitionstätigkeit entfaltet. Auf hohe Energiepreise

sowie die Folgen von Lieferkettenstörungen haben Powell und Co. hingegen keinen

Einfluss.

Unterdessen lauert die Gefahr einer Rezession, die unter anderem als Folge der

Kursverschärfung durch die Fed weiter gestiegen ist. Dieses Risiko im Auge zu

behalten ist wichtig, und so gesehen tun die Währungshüter nun das Richtige,

wenn sie moderater vorgehen und den Fuß vom Gas nehmen. Sobald der Zinszyklus

abgeschlossen ist, dürfte der Leitzins nämlich ohnehin bei mindestens 5% liegen.

Zu hoffen ist, dass das ausreichen wird, um die Inflation weiter einzudämmen,

ohne aber einen tiefen Konjunktureinbruch auszulösen.

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(Börsen-Zeitung, 25.11.2022)

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