Kalte Dusche, Kommentar zur Geldpolitik von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Welch eine doppelte kalte Dusche für viele Investoren und

Marktakteure: Viele hatten gehofft, die US-Notenbank Fed und die Europäische

Zentralbank (EZB) würden die jüngsten Hinweise auf ein mögliches Überschreiten

des Inflationshöhepunkts für Signale Richtung einer weniger aggressiven

Geldpolitik nutzen. Stattdessen haben die aber fast das Gegenteil getan: Sie

drosselten zwar das Zinserhöhungstempo, stellten aber zugleich mehr Zinsschritte

als zuvor und vor allem länger hohe Zinsen in Aussicht. Vor allem die EZB

überraschte mit ihrer kompromisslosen Haltung. Langsamer für länger­ - so lautet

das Zins-Motto der Stunde. Und das ist gut so: Es ist noch viel zu früh, im

Kampf gegen die Inflation den Sieg zu verkünden.

In den USA ist die Verbraucherpreisinflation zwar zuletzt überraschend deutlich

zurückgegangen. Bei dem von der Fed bevorzugten Maß, dem PCE-Preisdeflator,

könnte sich der Rückgang aber als deutlich zäher entpuppen. Vor allem droht vom

heißgelaufenen Arbeitsmarkt Gefahr - als Lohn-Preis-Spirale. Zugleich zeigt sich

die US-Wirtschaft zumindest bislang robust.

Dass die Fed nun nach 425 Basispunkten Zinserhöhungen seit März das Tempo etwas

drosselt, ist angemessen. Genauso richtig ist aber nach aktuellem Stand, dass

sie weitere Zinserhöhungen avisiert - die sogar über das zuletzt an den Märkten

eingepreiste Niveau hinausgehen. Und absolut richtig ist auch die indirekte

Absage an schnelle Zinssenkungen. Die 1970er Jahren haben auf schmerzliche Weise

gezeigt, wie schnell die Kontrolle über die Inflation vollends verloren gehen

kann, wenn die Geldpolitik nicht entschieden und lange genug gegenhält.

Für eine noch größere Überraschung sorgte am Donnerstag indes die EZB. Die

Kommunikation war zwar teils etwas konfus: So hielt der EZB-Rat einerseits an

seinem Mantra fest, dass von Sitzung zu Sitzung entschieden werde - andererseits

signalisierte EZB-Chefin Christine Lagarde aber recht klar weitere

Zinserhöhungen um 50 Basispunkte bei den nächsten Sitzungen. Unter dem Strich

aber war die Botschaft klar: Die Leitzinsen sollen weiter deutlich erhöht

werden, sogar in den restriktiven, also die Wirtschaft bremsenden Bereich, und

dann länger auf dem Niveau bleiben. Zugleich überraschte die EZB damit, dass sie

beim Bilanzabbau bereits den März als Starttermin nannte und Volumina

verkündete. Zwar schwächelt die Euro-Wirtschaft und es droht eine leichte

Rezession. Für die EZB muss nun aber in der Tat Priorität haben zu verhindern,

dass die Inflationserwartungen dauerhaft anziehen.

Die jetzige Enttäuschung haben sich die Märkte teils auch selbst zuzuschreiben.

Sie haben zuletzt regelrecht gegiert nach einer Kehrtwende der Geldpolitik und

alle Signale in diese Richtung betont sowie gegenteilige Signale ignoriert. Das

hat dazu beigetragen, dass etwa die Anleiherenditen stark gesunken sind. Das

aber konterkariert die striktere Geldpolitik - und auch so erklären sich die

neuen Signale von Fed und EZB. In den nächsten Wochen könnte es zu einem Kampf

zwischen den Notenbanken und den Finanzmärkten kommen in Sachen

Inflationsdeutung. Die Marktteilnehmer sollten zumindest die Entschlossenheit

der Notenbanken nicht unterschätzen. Sonst droht nicht nur eine kalte Dusche -

sondern ein böses Erwachen.

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