Wohneigentum verliert an Boden (FOTO)
Berlin (ots) - Erstmals seit 1993 ist der Anteil der Haushalte, die in ihren
eigenen vier Wänden leben, in Deutschland wieder rückläufig. Die
Wohneigentumsquote lag 2018 nur noch bei 42 Prozent, wie eine Analyse von
empirica und LBS Research ergab.
Dass in keinem anderen EU-Land so wenige Haushalte in einer eigenen Immobilie
leben wie in Deutschland, ist bekannt. Dass die Wohneigentumsquote hierzulande
aber nicht einmal mehr steigt, sondern im Gegenteil sogar wieder rückläufig ist,
kristallisiert sich gerade erst heraus: Im Jahr 2018 wohnten in Deutschland rund
42 Prozent aller Haushalte im Eigentum - das ist 1 Prozentpunkt weniger als vor
fünf Jahren.
Dies ist das zentrale Ergebnis einer Analyse der aktuellen Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts durch das Berliner
Forschungsinstitut empirica in Zusammenarbeit mit LBS Research.
Die EVS wird nur alle fünf Jahre erhoben, ermöglicht aber unter anderem aufgrund
der detaillierten Erfassung von Einkommens- und Vermögenskomponenten einen
besonders eingehenden Blick auf die Zusammenhänge der Vermögensbildung (mehr zur
Datenbasis unten).
Die Ergebnisse im Einzelnen
Auch drei Jahrzehnte nach der Wende ist die Entwicklung der Wohneigentumsbildung
in Deutschland nicht ohne eine Differenzierung nach Ost und West zu erklären.
Während die alte Bundesrepublik in den 1980er Jahren noch große Fortschritte
gemacht hatte, es im Nachwende-Westdeutschland aber schon Ende der 1990er erste
spürbare Dämpfer gab, wurde der Erwerb einer eigenen Immobilie in Ostdeutschland
erst nach der Wiedervereinigung zu einer echten Option. Es setzte ein kräftiger
Aufholprozess ein, dieser ist nun jedoch ins Stocken geraten - und der Abstand
zum Westen ist noch immer groß (Grafik):
Mit gut 36 Prozent lag die Wohneigentumsquote in Ostdeutschland im Jahr 2018
nach wie vor um einiges unter jener von knapp 45 Prozent in Westdeutschland.
Die zuletzt schleppende Entwicklung ist laut LBS Research allerdings kein
ostdeutsches Spezifikum, sondern basiert auf gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Phänomenen, die in ganz Deutschland zu finden sind:
Es fehlt vor allem an Nachwuchseigentümern. Dass der Anteil der 70- bis
79-Jährigen in Wohneigentum - wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus - in West
wie Ost im Laufe der vergangenen 20 Jahre kräftig gestiegen ist, erklärt sich
durch einen Generationseffekt: Die westdeutschen Senioren von heute hatten es in
jüngeren Jahren vor allem dank ihres Wohlstandsvorsprungs leichter als die
Kriegsgenerationen, zu Wohneigentum zu kommen. Und die allermeisten von ihnen
wohnen eben auch jetzt noch in jenem Häuschen, das sie oftmals in den 1970er
Jahren gebaut haben. Mit einer Wohneigentumsquote von 58 Prozent übertrafen die
70- bis 79-Jährigen 2018 alle anderen Altersgruppen in Westdeutschland.
Im Osten der Republik ist es nach der Wiedervereinigung zumindest einigen der
heutigen Rentner noch gelungen, Wohneigentum zu erwerben. Heute leben immerhin
36 Prozent der 70- bis 79-Jährigen im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung, vor
zwanzig Jahren waren es erst 15 Prozent. Dass die vergleichsweise kurze Zeit bis
zum Ruhestand nicht reichte, um noch den Sprung auf westdeutsches Niveau zu
schaffen, versteht sich.
In den jüngeren Altersgruppen ist der Ost-West-Unterschied über die Jahre zwar
kräftig geschmolzen, allerdings ist vor allem die nachrückende Generation hier
wie dort weit weniger erfolgreich bei der Wohneigentumsbildung als die
Generation ihrer Eltern. Die eine oder andere Immobilienerbschaft könnte das
Bild noch etwas korrigieren, dennoch droht sich der auch als Kohorteneffekt
bezeichnete Einflussfaktor in seiner Wirkungsrichtung umzukehren, wie die
Schwierigkeiten der aktuellen Thirtysomethings zeigen, vom Mieter zum Eigentümer
zu werden (Grafik): Im Jahr 2008 hatten 34 Prozent der Ostdeutschen und 37
Prozent der Westdeutschen im Alter von 30 bis 39 Jahren den Sprung ins
Wohneigentum schon geschafft, zehn Jahre später galt dies nur noch für 25
beziehungsweise 30 Prozent in diesem Alter.
Der Rückgang der Wohneigentumsquote in der nächsthöheren Altersgruppe der 40-
bis 49-Jährigen fällt nicht ganz so dramatisch aus, ist aber ebenso
symptomatisch. Denn wirft man einen genaueren Blick auf diese mittlere
Generation, wird schnell klar, dass es auch hier Schwierigkeiten bei der
Wohneigentumsbildung gibt. So sind die klassischen Familien - Paare mit
minderjährigen Kindern - zwar unverändert mit Abstand am häufigsten von allen
Haushaltstypen selbst nutzende Wohneigentümer, sie wohnen inzwischen aber nicht
mehr ganz so oft in den eigenen vier Wänden (Grafik): Waren es 2008 in
Westdeutschland fast 73 Prozent der Familien, sind es heute nur noch knapp 69
Prozent. In Ostdeutschland sieht es ähnlich aus.
Kinderlose und Alleinerziehende wohnen öfter zur Miete. Nicht zu trennen sind
die altersspezifischen Beobachtungen von veränderten und sich nach wie vor
verändernden Lebensumständen. Was ist heute anders als früher? Letztlich spielen
viele Faktoren eine Rolle, einer der bestimmenden dürfte nach Einschätzung von
LBS Research die Akademisierung sein, also der Umstand, dass immer mehr junge
Leute eine höhere berufliche Qualifikation durch ein Studium anstreben: Deshalb
sind sie aus ländlichen Regionen in die Städte gezogen; deshalb möchten sie oft
auch dort bleiben und arbeiten; deshalb - sprich wegen der Karriere - führen
viele jüngere Menschen Fernbeziehungen und gründen erst später eine Familie oder
überhaupt nicht. Mit diesem Lebensstil verbunden ist zumeist ein langjähriges
Mieterdasein.
Konsequenzen für die Politik
Aus diesen Studienergebnissen leitet LBS Research zwei politische
Schlussfolgerungen ab: Familien benötigen weiterhin Unterstützung, um Kindern
ein möglichst behütetes Leben in der Sicherheit des eigenen Hauses oder
wenigstens der eigenen Wohnung ermöglichen zu können. Welche Vorteile
beispielsweise ein Garten bietet, haben nicht zuletzt die Erfahrungen aus der
Corona-Pandemie (https://www.lbs.de/presse/p/lbs_research/details_15425088.jsp)
gezeigt. Förderungswürdig ist die Wohneigentumsbildung aber auch, weil sie
zugleich Vermögensaufbau bedeutet und vor allem über das mietfreie Wohnen eine
bedeutende Komponente der privaten Altersvorsorge darstellt. Wie groß der
Vermögenseffekt tatsächlich ausfällt, beleuchtet der im kommenden Jahr
erscheinende zweite Teil der Wohneigentums-Studie von empirica für die
Landesbausparkassen.
Da der Eigentumserwerb vor allem daran scheitert, dass die Ersparnisse und damit
das Eigenkapital vieler frischgebackener Familien nicht mit den explodierenden
Immobilienpreisen Schritt gehalten haben, war das Baukindergeld durchaus der
richtige Förderansatz
(https://www.lbs.de/presse/p/lbs_research/details_15353114.jsp) und verdient
eine Neuauflage in der kommenden Legislaturperiode. Mindern ließe sich der
Eigenkapitalbedarf auch durch eine Reduktion der Erwerbsnebenkosten, am ehesten
umsetzbar erscheint hier ein Freibetrag für Ersterwerber bei der
Grunderwerbsteuer. Gerade für Familien ist es auch wichtig, dass sie bei der
Vergabe von Bauland nicht gegenüber dem Mietwohnungsbau benachteiligt werden
oder durch eine zu restriktive Handhabe der Baulandausweisung überhaupt nicht
mehr an günstige Flächen kommen können.
Die vielen jungen Menschen in den Städten, die den Zeitpunkt der
Familiengründung teilweise immer weiter hinausschieben, brauchen zumindest einen
Zugang zu Wohneigentum, auch um auf diesem Weg schon einen Einstieg in diesen
Baustein der Altersvorsorge zu finden. Was ist dazu nötig? Sparfähigkeit und
Sparbereitschaft sind das eine, das andere aber erschwingliche Wohnungen, gerade
in den besonders beliebten Schwarmstädten. Auch vor diesem Hintergrund ist das
zuletzt viel diskutierte und stark kritisierte Umwandlungsverbot - genauer
gesagt: die weitere Begrenzung der Aufteilung von Mietshäusern in
Eigentumswohnungen - kontraproduktiv. An ausreichendem Neubau führt allerdings
auch kein Weg vorbei.
Die EVS: Was hinter den Zahlen steckt
Für die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts
werden alle fünf Jahre rund 60.000 private Haushalte zu ihren Lebens-,
Vermögens- und Einkommensverhältnissen befragt - und das schon seit Anfang der
1960er Jahre. Die EVS ist die größte repräsentative Erhebung auf freiwilliger
Basis innerhalb der Europäischen Union. Zuletzt fand sie im Jahr 2018 statt, die
ersten Daten daraus wurden 2019 veröffentlicht, wissenschaftliche Sonderanalysen
liegen seit 2020 vor. Einer der Befragungsschwerpunkte liegt auf der
Wohnsituation und den Wohnkosten. Die Antworten auf diese Fragen wertet das
Forschungsinstitut empirica seit 1995 im Auftrag der Landesbausparkassen aus. Im
Fokus steht dabei die Entwicklung der regionalen Wohn- und Vermögensverhältnisse
sowie der Wohnkosten.
Die EVS ist als Datenbasis für solche Analysen besonders geeignet, weil sie
anders als beispielsweise der Mikrozensus nicht nur eine grobe
Selbsteinschätzung der Nettoeinkommen abfragt, sondern buchhalterisch eine
Vielzahl von Einkommenskomponenten der einzelnen Haushaltsmitglieder ermittelt,
darunter den Mietwert von selbst genutztem Wohneigentum, Einkünfte aus
abhängiger und selbstständiger Beschäftigung, aus verschiedenen Vermögensarten,
aus Untervermietung sowie aus staatlichen und privaten Transferzahlungen.
Darüber hinaus werden in der EVS anders als im Mikrozensus nicht nur die
Wohnkosten von Mietern, sondern auch von Wohneigentümern erhoben, also Ausgaben
für den Kauf von Grundstücken und Immobilien, Zinsen, Tilgung, Instandsetzungen
und Modernisierungen. Im Mikrozensus wird zudem das Vermögen nicht abgefragt.
Last but not least erfasst die EVS sehr detailliert Konsumausgaben in
zahlreichen Haupt- und Unterkategorien. Auf dieser Basis lässt sich unter
anderem das unterschiedliche Ausgabeverhalten von Mietern und Eigentümern
analysieren, insbesondere bei jungen Ersterwerbern.
Die Ergebnisse der aktuellen EVS-Analyse von empirica und LBS Research werden in
Form einer mehrteiligen Studie veröffentlicht.
Pressekontakt:
Dr. Ivonn Kappel
Referat Presse
Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen
Tel.: 030 20225-5398
Fax : 030 20225-5395
E-Mail: mailto:ivonn.kappel@dsgv.de
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OTS: Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen (LBS)