KfW-Konjunkturkompass Herbst 2022: Rezession in Deutschland nur

aufgeschoben

Frankfurt am Main (ots) -

- Überraschend starke Nachholeffekte beim Konsum beflügeln Wachstum im Sommer,

negative Raten ab viertem Quartal 2022

- KfW Research erwartet für 2022 Zunahme des deutschen BIP um 1,7 %; 2023 Minus

von 1,0 %

- Deutsche Inflationsrate 2022 bei 8,8 %; 2023 dank nachlassenden Drucks im

Jahresverlauf bei 6,2 %

- Neuer Indikator 'Ökologisches Preisschild': Ausstoß von Treibhausgasen wird

voraussichtlich sinken, allerdings weniger als angestrebt

Der Kaufkraftschwund, die enorme Unsicherheit infolge von Ukraine-Krieg,

Energiekrise und Covid-Pandemie, der Zinsanstieg und die schwache Weltwirtschaft

belasten die Konjunktur in Deutschland. Nach dem von überraschend starken

Nachholeffekten beim privaten Konsum getriebenen Zuwachs im Sommer wird

Deutschland im Schlussquartal 2022 in die Rezession rutschen. KfW Research

rechnet für das Winterhalbjahr 2022/2023 mit spürbar negativen

Quartalswachstumsraten von mindestens einem halben Prozent und erst ab dem

Sommer 2023 wieder mit der Rückkehr auf einen moderaten Wachstumspfad. Insgesamt

wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2022 um 1,7 % wachsen, 2023 aber um 1,0 %

schrumpfen (Vorprognose: +1,4 % und -0,3 %).

"Der kurzlebige Wachstumssprint im Sommer hat die Rezession in Deutschland

aufgeschoben - aber sie kommt", sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der

KfW. "Die Schrumpfung im kommenden Jahr wird mit -1,0 % allerdings recht moderat

sein, insbesondere gemessen an den Einbrüchen der Wirtschaftsleistung in

vorangegangenen Krisenjahren. Während der Finanzkrise 2009 war das

Bruttoinlandsprodukt um 5,7 %, während des ersten Corona-Jahrs 2020 um 3,7 %

geschrumpft." Für die Einordnung der beginnenden Rezession als moderat spreche

zudem, dass die Unternehmen angesichts wachsender Fachkräfteknappheiten bestrebt

sein dürften, ihr Personal möglichst zu halten, weshalb trotz rückläufiger

Wirtschaftsleistung von einem nahezu stabilen Arbeitsmarkt auszugehen sei.

Die multiplen Krisen sorgen für anhaltenden Pessimismus in der Wirtschaft.

Dieser wird - zusammen mit der enormen Unsicherheit, den inflationsbedingten

Kaufkraftverlusten, den höheren Zinsen und der Verschärfung der

Finanzierungsbedingungen - die private Investitionstätigkeit belasten. Trotz

stützender Impulse aus Energiewendeprojekten wird es im kommenden Jahr zu einer

erheblichen Zurückhaltung bei den Unternehmensinvestitionen wie auch im Wohnbau

kommen. "Diese stärkere Investitionszurückhaltung ist der wesentliche Grund,

weswegen wir nun für 2023 von einer etwas ausgeprägteren Schrumpfung ausgehen

als in unserer Vorprognose aus dem August", so Köhler-Geib.

Ungeachtet der Energiepreisbremsen für Gas, Fernwärme und Strom müssen sich die

privaten Haushalte wie auch die Unternehmen im Vergleich zu den Jahren zuvor auf

spürbar höhere Energie- und Lebenshaltungskosten einstellen. Im Verlauf von 2023

dürfte die monatlich gemeldete Inflationsrate zwar wieder sinken, zunächst

jedoch nur graduell. Die Preisschübe bei Gütern am Anfang der

Wertschöpfungskette wie insbesondere Energie und Lebensmittel werden noch

deutlicher auf die nachgelagerten Produktionsstufen übergreifen und wenigstens

teilweise die kommenden Lohnabschlüsse prägen. Die angesichts der vielfachen

Fachkräfteengpässe dann wohl stärker anziehenden Löhne und Dienstleistungspreise

werden den Druck auf die Kerninflationsrate - also die Inflationsrate ohne

Energie- und Lebensmittelpreise - hochhalten. Mittelfristig dürften die

Rezession und die geldpolitische Straffung der Europäischen Zentralbank aber

auch dämpfend auf die Kerninflation wirken. Für den Durchschnitt des Jahres 2022

ist ein Anstieg der Verbraucherpreise um 8,8 % und für 2023 um noch immer hohe

6,2 % zu erwarten. Die geldpolitische Zielmarke von 2 % wird weiterhin verfehlt.

Das Wirtschaftswachstum hat vielfältige soziale und ökologische Folgen; es ist

eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für nachhaltigen Wohlstand.

Nach einem neuen Indikator von KfW Research, der den mit der vorhergesagten

Wirtschaftsleistung einhergehenden Ausstoß von Treibhausgasen abschätzt und

diese so mit einem ökologischen Preisschild versieht, wird der deutsche Ausstoß

von Treibhausgasen zwar sinken, jedoch um schätzungsweise 6 % (2022)

beziehungsweise 5 % (2023) weniger als politisch angestrebt. "Mit unserem neuen

Indikator wollen wir das Bewusstsein für den kurzfristigen Trade-off zwischen

mehr Gütern und Einkommen einerseits und der Beanspruchung zentraler

Naturressourcen andererseits noch weiter schärfen", erläutert Köhler-Geib. "Sein

aktuelles Signal ist mehr als deutlich: Der klimapolitische Handlungsdruck

bleibt trotz Rezession unverändert hoch und wir müssen das Wachstum noch

deutlich stärker vom Ressourcenverbrauch entkoppeln".

Auf die Eurozone insgesamt wirken dieselben konjunkturellen Kräfte wie auf

Deutschland. Allerdings haben viele Eurostaaten und insbesondere die großen

Länder Frankreich, Italien und Spanien im vergangenen Quartal besonders von

einer kräftigen Erholung im Tourismus profitiert. Konjunkturell vorteilhaft ist

außerdem ein kleineres gesamtwirtschaftliches Gewicht der dortigen Industrie,

die zudem etwas weniger stark von internationalen Wertschöpfungsketten und

russischen Gaslieferungen abhängig ist. Mit dem weitgehend abgeklungenen

Aufholwachstum im Tourismus wird nun aber auch hier der Gegenwind dominieren und

im Winterhalbjahr 2022/2023 für eine technische Rezession in der Eurozone

sorgen, also mindestens zwei Quartalsschrumpfungen des BIP in Folge. Wegen des

besser als zuvor angenommenen Wachstums in den ersten drei Quartalen hebt KfW

Research die Prognose für 2022 gleichwohl auf 3,3 % an, während für 2023 nun nur

noch eine Stagnation erwartet wird (Vorprognose: +3,0 % und +0,5 %). Die

Inflationsrate in der Eurozone wird in diesem Jahr bei 8,5 % und 2023 bei 6,0 %

liegen.

Unter den Risiken ist der Russland-Ukraine-Krieg der bedeutendste Faktor, der

für eine enorme Prognoseunsicherheit sorgt. Wirtschaftlich ist besonders

relevant, ob es zu einer Gasmangellage und deswegen notwendigen

Energierationierungen kommt. Eine solchen Entwicklung ist angesichts der im

November komplett gefüllten Gasspeicher und beachtlicher Einsparungen von

Industrie und Haushalten inzwischen zwar sehr unwahrscheinlich, aber

grundsätzlich noch immer möglich, insbesondere bei einem ungewöhnlich kalten

Winter. Neben dem Krieg schwelt die Corona-Pandemie weiter und es ist möglich,

dass bei Auftreten weiterer Infektionswellen oder Mutationen des Virus erneut

wirtschaftlich relevante Einschränkungen verfügt werden. Neben den Risiken gibt

es allerdings auch Chancen auf eine besser als erwartete Konjunkturentwicklung.

Eine allseits akzeptierte Friedenslösung für die Ukraine würde die

kriegsbedingten Unwägbarkeiten eliminieren und könnte vor allem über den

Investitions- und Exportkanal der Konjunktur neue Impulse geben.

Der aktuelle KfW-Konjunkturkompass ist abrufbar unter:

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Quelle: dpa-AFX