Exit Tax Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Exit-Kanäle Nächster Begriff: Expiration Date
Eine Steuer, die beim Wegzug eines Steuerpflichtigen oder bei der Verlagerung von Vermögenswerten ins Ausland auf latente Gewinne erhoben wird, um eine Besteuerung vor dem Verlust der Steuerhoheit zu sichern
Exit Tax bezeichnet eine steuerrechtliche Regelung, bei der im Falle der Verlagerung des Wohnsitzes oder Unternehmenssitzes ins Ausland eine fiktive Veräußerung von Vermögenswerten unterstellt wird und daraus resultierende stille Reserven im Inland der Besteuerung unterworfen werden. Ziel der Exit Tax ist es, steuerpflichtige Wertzuwächse, die im Inland entstanden sind, auch im Inland zu besteuern, bevor diese durch einen Wegzug der Besteuerungshoheit entzogen werden können. In Deutschland ist die Exit Tax insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt, konkret in § 6 Absatz 5 und § 6 Absatz 1 sowie vor allem in § 6 AStG (Außensteuergesetz) im Zusammenhang mit der Wegzugsbesteuerung.
Steuerliche Zielsetzung und Hintergrund
Die Exit Tax verfolgt das Prinzip der Besteuerung nach dem sogenannten Quellenstaatprinzip. Dieses besagt, dass ein Staat das Besteuerungsrecht für wirtschaftliche Vorgänge innerhalb seiner Hoheit behalten soll. Ohne Exit Tax könnten Personen oder Unternehmen durch eine Wohnsitzverlagerung in Staaten mit niedrigerer oder keiner Besteuerung Wertzuwächse steuerfrei realisieren. Die Exit Tax dient daher der Sicherung des nationalen Besteuerungsrechts, insbesondere im Hinblick auf nicht realisierte Wertsteigerungen von Kapitalgesellschaftsanteilen oder anderen Vermögensgegenständen.
Anwendungsbereich der Exit Tax in Deutschland
In Deutschland greift die Exit Tax insbesondere in zwei Bereichen:
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Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen (§ 6 AStG):
Diese Regelung betrifft insbesondere natürliche Personen, die mindestens 1 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft halten und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen. In diesem Fall unterstellt das Gesetz eine fiktive Veräußerung der Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs, wodurch die bis dahin entstandenen stillen Reserven steuerpflichtig werden. -
Entstrickungsbesteuerung bei Unternehmen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 12 KStG sowie § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG):
Hierbei geht es um Vermögensgegenstände von Unternehmen, die aus der inländischen Steuerhoheit „entstrickt“ werden, etwa durch grenzüberschreitende Betriebsverlagerungen oder Umstrukturierungen. Auch in diesen Fällen kommt es zur Besteuerung auf Basis der stillen Reserven, obwohl keine tatsächliche Veräußerung stattgefunden hat.
Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung
Die Wegzugsbesteuerung bei natürlichen Personen setzt folgende Bedingungen voraus:
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Die betroffene Person war in den letzten zwölf Jahren mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland.
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Sie hält zum Zeitpunkt des Wegzugs unmittelbar oder mittelbar mindestens 1 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im In- oder Ausland (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG).
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Der Wegzug führt dazu, dass Deutschland das Besteuerungsrecht auf künftige Veräußerungsgewinne an diesen Anteilen verliert.
Liegt ein solcher Sachverhalt vor, wird ein fiktiver Veräußerungsgewinn berechnet, als ob die Anteile am Tag des Wegzugs verkauft worden wären. Dieser Gewinn unterliegt der Einkommensteuer.
Aufschub und Stundung der Steuer
In bestimmten Fällen sieht das Gesetz vor, dass die durch die Exit Tax ausgelöste Steuerzahlung aufgeschoben oder gestundet werden kann. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn der Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erfolgt.
Seit der Reform der Wegzugsbesteuerung zum 1. Januar 2022 (durch das ATAD-Umsetzungsgesetz) gilt Folgendes:
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Bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat kann die Steuer auf Antrag zinsenfrei und ohne Sicherheitsleistung in sieben gleichen Jahresraten gestundet werden.
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Bei Wegzug in ein Drittland ist die sofortige Steuerzahlung vorgesehen, es sei denn, ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sieht etwas anderes vor.
Die Reform führte eine Verschärfung der Voraussetzungen für Stundungen ein, insbesondere zur Missbrauchsvermeidung. So muss die Ansässigkeit im EU-/EWR-Ausland bestehen bleiben und es dürfen keine Veräußerungen oder vergleichbaren Vorgänge stattfinden, die das Besteuerungsrecht Deutschlands endgültig ausschließen.
Bewertung und Ermittlung der stillen Reserven
Die Bewertung der zu besteuernden Vermögensgegenstände erfolgt nach den allgemeinen steuerlichen Vorschriften. Im Fall der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen wird in der Regel der gemeine Wert (Marktwert) der Anteile herangezogen. Der Gewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert und den Anschaffungskosten.
Bei der Entstrickungsbesteuerung im Unternehmensbereich erfolgt die Bewertung ebenfalls zum Zeitpunkt der Entnahme oder Funktionsverlagerung. Die Steuer bemisst sich nach dem ermittelten Entnahmegewinn.
Internationale Aspekte und Doppelbesteuerung
Die Anwendung der Exit Tax kann zu Konflikten mit dem internationalen Steuerrecht führen, insbesondere wenn mehrere Staaten gleichzeitig ein Besteuerungsrecht auf denselben Vermögensgegenstand geltend machen. In solchen Fällen können Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Regelungen enthalten, die eine Doppelbesteuerung verhindern oder abmildern sollen, etwa durch Anrechnung der im Wegzugsstaat erhobenen Steuer im Zuzugsstaat.
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat insbesondere bei Wegzügen innerhalb der EU/EWR hohe Anforderungen an die Vereinbarkeit nationaler Exit-Besteuerungen mit der Niederlassungsfreiheit gestellt. Deutsche Regelungen wurden daher mehrfach angepasst, um unionsrechtlichen Anforderungen zu genügen.
Kritik und rechtspolitische Diskussion
Die Exit Tax wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Befürworter sehen in ihr ein notwendiges Instrument zum Schutz des nationalen Steueraufkommens und zur Verhinderung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Kritiker beanstanden dagegen insbesondere:
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die fiktive Besteuerung, obwohl kein tatsächlicher Liquiditätszufluss stattfindet,
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mögliche Verstöße gegen europarechtliche Grundfreiheiten (z. B. Niederlassungsfreiheit),
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und die praktischen Schwierigkeiten bei der Bewertung nicht börsennotierter Beteiligungen.
Zudem wird häufig kritisiert, dass die Exit Tax private und unternehmerische Mobilität hemmen kann. Die steuerliche Belastung kann in bestimmten Fällen erheblich sein und Personen oder Unternehmen von einem Wegzug abhalten, auch wenn dies wirtschaftlich oder persönlich sinnvoll wäre.
Fazit
Die Exit Tax ist ein Instrument des Steuerrechts, das sicherstellen soll, dass im Inland entstandene Wertsteigerungen von Vermögensgegenständen oder Beteiligungen auch dann besteuert werden können, wenn eine natürliche oder juristische Person ihren Wohn- oder Unternehmenssitz ins Ausland verlegt. In Deutschland betrifft dies insbesondere die Wegzugsbesteuerung von Gesellschaftern an Kapitalgesellschaften sowie Entstrickungstatbestände im Unternehmensbereich. Die Regelungen sind komplex und erfordern eine genaue rechtliche sowie steuerliche Prüfung. Auch wenn durch Stundungsregelungen insbesondere innerhalb der EU eine gewisse Milderung vorgesehen ist, bleibt die Exit Tax ein wesentliches Element zur Sicherung der nationalen Steuerbasis im globalen Steuerumfeld.