Qualitätsprobleme und Kostenexplosion: Das Windturbinengeschäft von Siemens Gamesa kommt nicht zur Ruhe. Jetzt muss Konzernmutter Siemens Energy sogar die Prognose kassieren. Logische Folge: Die Aktie crasht!

Böse Überraschung nach Börsenschluss: Siemens Energy muss seine Prognose für das Geschäftsjahr 2022/23 aufgrund anhaltender Qualitätsprobleme und starken Kostensteigerungen im Landturbinengeschäft der Tochter Siemens Gamesa zurückziehen.

Ende der Siemens Energy-Rallye?

Schon am Donnerstagabend fiel die Aktie auf der Handelsplattform Tradegate um bis zu 15 Prozent auf den niedrigsten Stand seit März. Noch dicker kam es am Freitag nach Eröffnung der Börse. Die Aktie verliert zum Handelsstart mehr als 30 Prozent.

Der Absturz kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Die Aktie gehörte (Stand Donnerstagnachmittag) zu den größten Gewinnern im DAX mit einem Plus von 36 Prozent. Seit dem Tief im Oktober hatte sich die Aktie sogar mehr als verdoppelt. Aktuell notiert die Aktie wieder auf dem Niveau von Ende November.  

"Das Bittere daran ist, dass damit die starke Erholung seit vergangenem Oktober ein abruptes Ende findet", kommentiert Jürgen Molnar von Robomarkets die Lage bei Siemens Energy. "Auch hier geht es jetzt um den Durchschnitt der letzten 200 Tage als technischem Widerstand und die Entscheidung über den weiteren Weg nach unten oder eine Wende nach oben."

Das schwarze Loch in der Bilanz

Siemens Gamesa, der Windturbinenbauer und Tochtergesellschaft von Siemens Energy, bleibt der wunde Punkt für den Mutterkonzern - "ein schwarzes Loch in der Bilanz", wie Molnar sagt.

Anfang des Jahres hatte der Konzern die vollständige Übernahme der kriselnden Windkraft-Tochter beschlossen. Management und auch Anleger erhoffen sich dadurch einen besseren Durchgriff auf das Chaos bei Gamesa. Doch die jüngste Meldung zeigt, dass Gamesa weiter ein wunder Punkt für den Konzern bleibt.

Die Ausfallrate von Windturbinen-Komponenten sei deutlich erhöht, erklärte Siemens Energy am Donnerstag in München. Die technische Überprüfung deute darauf hin, dass die Problemlösung für bestimmte Onshore-Plattformen teurer ausfallen könnte als ursprünglich erwartet. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich auf voraussichtlich über eine Milliarde Euro, fast das Doppelte der im Januar genannten 472 Millionen Euro. Siemens Energy stellte auch fest, dass die Fertigungskapazitäten im renditestarken Offshore-Bereich nach wie vor Probleme beim Hochlauf aufweisen.

Geplante Produktivitätssteigerungen bei Siemens Gamesa sind bisher nicht wie erwartet eingetreten, daher reißt der Konzern nun die Reißleine und korrigiert die Prognose. Der Konzernfehlbetrag nach Steuern 2022/23 soll das Vorjahresniveau von 712 Millionen Euro um bis zu einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag überschreiten.

"Wirft ein schlechtes Licht auf das Unternehmen"

Berenberg-Analyst Philip Buller kritisiert in einer Analyse vom Freitag, dass das Unternehmen die Probleme nicht früher kommuniziert habe. "Diese Warnung folgt auf eine relativ optimistische Einschätzung des Turnarounds von Gamesa noch in der Telefonkonferenz zum zweiten Quartal. Dort lautet die Schlussfolgerung, dass Gamesa die Kurve gekriegt habe und in der zweiten Jahreshälfte 2023 wieder die Gewinnschwelle erreichen könnte", schreibt Buller. "Unserer Meinung nach ist es die starke Veränderung der Botschaft seit dem zweiten Quartal, die ein schlechtes Licht auf das Unternehmen wirft: Vor der Q2-Meldung wurden Probleme wie diese von Gamesa allgemein erwartet. Wir sind überrascht, dass wir damals (vor fünf Wochen) nicht darüber informiert wurden, dass das Unternehmen eine solche Überprüfung der installierten Flotte eingeleitet hatte."


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Autor: Julian Schick, wallstreetONLINE Zentralredaktion


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