Sollte die US-Autobauergewerkschaft UAW wie erwartet zum landesweiten Streik aufrufen, könnte dies enorme Kosten mit sich bringen. Wie einschneidend sind die Folgen?

Nachdem die US-Automobilhersteller und die Wirtschaft insgesamt die Auswirkungen der Pandemie und des Halbleitermangels abgeschüttelt haben, könnte ein langer Streik der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) jetzt neue Belastungen mit sich bringen.

Nach Angaben des Wirtschaftsberaters Anderson Economic würde ein Streik bei GM, Ford und Stellantis, auch wenn er nur zehn Tage dauert, das Bruttoinlandsprodukt der USA um 5,6 Milliarden US-Dollar verringern. Eine lange Arbeitsniederlegung würde die Zulieferer und ihre Beschäftigten treffen und die Preise für wichtige Rohstoffe, insbesondere Stahl, sinken lassen.

Die UAW fordert eine leistungsorientierte Rente und eine Gesundheitsversorgung für Rentner. Beides war 2007 für Neueinstellungen abgeschafft worden, als die Branche auf eine Krise zusteuerte. Zudem werden Lohnerhöhungen von 46 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren gefordert, eine 32-Stunden-Woche und die Wiedereinführung von Teuerungszulagen. Außerdem soll die Staffelung der Gehälter abgeschafft werden, durch die Beschäftigte mit längerer Betriebszugehörigkeit eine bessere Vergütung erhalten.

Kosten: 80 Milliarden US-Dollar

Die Automobilhersteller schätzen, dass die Erfüllung der gesamten Wunschliste der UAW die Kosten über einen Zeitraum von vier Jahren um 80 Milliarden US-Dollar in die Höhe treiben würde. GM bot eine 16-prozentige Gehaltserhöhung und keine der geforderten Leistungen für Rentner an. Ford hatte zuvor einen ähnlichen Vorschlag gemacht, und beide wurden abgelehnt. Stellantis bot den "meisten" Gewerkschaftsbeschäftigten eine Lohnerhöhung von 14,5 Prozent an, die jedoch abgelehnt wurde.

Sollten die Beschäftigten mit oder ohne Streik deutliche Lohnerhöhungen erzielen, würde dies die Arbeitskosten landesweit weiter in die Höhe treiben, nachdem die Mitarbeiter bei UPS und die Piloten bei American Airlines im Sommer bereits beeindruckende Lohnerhöhungen durchgesetzt haben. Höhere Löhne könnten sich auch aus den laufenden Streiks von Hollywood-Schauspielern und -Autoren ergeben. Die Federal Reserve berücksichtigt steigende Löhne in ihrem Kampf gegen die Inflation.

Charlie Chesbrough, leitender Wirtschaftswissenschaftler bei Cox Automotive, gibt jedoch Entwarnung: Wenn der Streik schnell beendet sei, werde der Schaden für die Automobilhersteller minimal sein, sagt er. Die Autohersteller verfügten über einen soliden Vorrat an Fahrzeugen, der etwa 58 Tage reicht. Alle drei Unternehmen säßen vor allem auch auf einem großen Vorrat an Full-Size-Pickup-Trucks, ihren größten Umsatzträgern.

Nachholbedarf in der Autobranche

"Ich weiß nicht, ob ein paar Wochen einen spürbaren Einfluss auf den Markt haben würden", sagte Chesbrough in einem Interview mit Bloomberg. "Aber wenn das ein paar Monate so weitergeht, sind wir wieder da, wo wir 2021 mit der Halbleiterknappheit waren.

Auch mit Blick auf die Inflation seien die Auswirkungen überschaubar, erklärt Chris Low, Chefökonom bei FHN Financial. Wenn sich die UAW auf bessere Löhne einigt, dürfte sich der neue Vertrag kaum auf die Teuerungsrate insgesamt auswirken, erwartet er. Die Automobilarbeiter waren an Verträge gebunden, die sie vor der Pandemie unterzeichnet hatten, sodass sie die großen Lohnzuwächse, die andere in den letzten Jahren verzeichnen konnten, nicht nutzen konnten.

"Ich glaube nicht, dass sie dies als Alarmglocke für die Inflation sehen", sagt Low mit Blick auf die Federal Reserve. Dennoch, "wenn es einen längeren Streik gibt, wird das eine gewisse Auswirkung auf das Wachstum haben".

Autor: Ingo Kolf für wallstreetONLINE Zentralredaktion


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