Zum Thema Börsenstrategien sollen folgend einige Schlaglichter gesetzt werden, die im Idealfall zu einer weiteren Beschäftigung mit dem regelbasierten Anlegen anregen.

Wohl das größte Missverständnis besteht darin, dass ein bloßes Kaufsignal bereits eine Börsenstrategie sei. Viele der hoffnungsvollen Aspiranten kommen über diesen Punkt allerdings nicht hinaus. Sie verwenden die meiste Energie auf das Einstiegssignal und vernachlässigen alle anderen Elemente.

In mehrfacher Hinsicht ist das problematisch: Einerseits wird damit viel Potenzial verschenkt, das in brachliegenden Themen wie Risikomanagement oder Exit-/Stopp-Loss-Strategien liegt. Andererseits besteht beim Feilen und Verbessern des Systems die Gefahr der Überoptimierung bzw. des sogenannten Curve Fitting (siehe unten). Das Ergebnis ist dann wiederum oft ein übersteigertes Vertrauen zu einem Signal, das diese Erwartung nicht erfüllen kann.

Die fünf Einsichten des Mark Douglas

Unabhängig davon, welche Börsenstrategie man verfolgt, sollte am Anfang die Grunderkenntnis stehen, dass man es immer (!) nur mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, wie gut eine Strategie auch sein mag. Daraus folgen einige fundamentale Einsichten, die der unvergessene Buchautor und Trading-Coach Mark Douglas so zusammengefasst hat:

"Eine probabilistische Denkweise in Bezug auf den Handel besteht aus fünf grundlegenden Wahrheiten.

  1. Alles kann passieren.
  2. Sie müssen nicht wissen, was als Nächstes passiert, um Geld zu verdienen.
  3. Es gibt eine zufällige Verteilung zwischen Gewinnen und Verlusten für jeden gegebenen Satz von Variablen, die einen Vorteil (‚Edge‘) definieren.
  4. Ein Vorteil ist nichts anderes als ein Hinweis auf eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass eine Sache passiert als eine andere.
  5. Jeder Moment auf dem Markt ist einzigartig.“


Man kann diese Aussagen nicht oft genug lesen; zumindest aber sollte man dies so lange tun, bis man sie wirklich verinnerlicht hat.

Bunter Strauß von Möglichkeiten

Unter den erfolgreichen Börsenstrategien haben sich im Wesentlichen Trendfolge-, Momentum- und Value-Strategien herauskristallisiert. Die erste nennenswerte Handelsstrategie, die Dow-Theorie, war beispielsweise trendfolgend. Weitere Strategien basieren u.a. auf Dividenden ("Dogs of the Dow"), Saisonalitäten, Kursmustern oder dem Sentiment.

In der Praxis sind diese Ansätze selten in Reinkultur zu finden. Meist werden Kombinationen verschiedener Kennzahlen gewählt, um die Entscheidungen robuster zu machen bzw. abzusichern. Das kann z.B. so aussehen, dass man eine Aktie nur dann kauft, wenn auch der Gesamtmarkt steigt, die Gewinnentwicklung eines Unternehmens positiv ist oder eine besonders niedrige Bewertung vorliegt. Eine Gefahr liegt allerdings in der sogenannten Entscheidungslähmung ("analysis paralysis"): Wenn zu viele Kriterien mit unterschiedlichen Aussagen simultan berücksichtigt werden sollen, kann es schwierig werden, zu einem abschließenden Urteil und einer entsprechenden Aktion zu gelangen.

Signal vs. Rauschen

Technische Indikatoren sind oft nur Umformungen der bzw. Filterverfahren für die Kurszeitreihe. Auf diese Weise werden Charakteristika der Kurszeitreihe besser herausgearbeitet bzw. visualisiert, jedoch enthalten diese Umformungen keine echten Informationen, die nicht schon in der ursprünglichen Zeitreihe vorhanden gewesen wären. Im Gegenteil – regelmäßig gehen dabei sogar Informationen verloren.

So verdichtet ein Zehn-Tage-Gleitender-Durchschnitt das vielfältige Kursgeschehen von zwei Handelswochen auf einen einzigen Datenpunkt. Dass technische Indikatoren dennoch äußerst beliebt sind, dürfte daran liegen, dass sie, sofern sie sachgerecht konstruiert sind, bedeutsame Eigenschaften – etwa den Trend – vom bloßen Rauschen trennen.

Die Nützlichkeit eines Indikators steht und fällt entsprechend damit, wie gut das gelingt. Auch besteht regelmäßig eine Trade-off-Beziehung zwischen Aussagesicherheit und Schnelligkeit. So neigen schnelle Indikatoren häufiger zu Fehlsignalen als langsame, während letztere aufgrund ihrer Behäbigkeit auch bei guten Signalen wertvolle Zeit verlieren.

Strategie oder System?

Der Übergang von einer Börsenstrategie zu einem Handelssystem ist eine weitere Hürde. Mehr noch als eine Strategie erfordert ein mechanisches Handelssystem die genaue Ausformulierung aller Aggregatzustände und -übergänge. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um wann und welche Menge eines Instruments zu welchen Konditionen zu erwerben? Welches Risiko darf dabei getragen werden?

Unter welchen Bedingungen wird ein Instrument weiter gehalten und wodurch wird schließlich eine (Teil-)Veräußerung ausgelöst? Natürlich scheuen viele Anleger die Mühen einer präzisen Ausformulierung solcher Handelsregeln. Mitunter dürfte da auch das eigene Ego einen Streich spielen, denn mit einem transparenten Handelssystem gelingt es nicht mehr, die eigene Anlagetätigkeit schönzureden und sich mental vor der harten Börsenwirklichkeit zu schützen. Wer allerdings wissen will, ob er sich mit seinen Ideen in der realen Welt wirklich bewährt, kommt an diesem Schritt kaum vorbei.

Gute Daten korrekt verarbeitet

Zudem ist ein komplett ausformuliertes Handelssystem die Voraussetzung für sogenannte Backtests, bei denen das Regelwerk auf historische Daten angewendet wird. Grundsätzlich kann die Qualität eines solchen Backtests nie höher sein als jene der zugrunde gelegten Daten. Daneben sind weitere Punkte zu beachten.

So ist ein häufiger Fehler der Survivorship Bias: Dabei werden Aktien fälschlicherweise nicht im Test berücksichtigt, nur weil sie heute nicht mehr notiert werden, obwohl sie während des Tests noch vorhanden waren. Ähnliches gilt für Indexzugehörigkeiten, bei denen es nicht um den aktuellen Stand geht, sondern um den jeweiligen historischen Zeitpunkt der Transaktionen. Generell sind fundamentale Daten bei Backtests auch deshalb weniger beliebt, weil man hier genau aufpassen muss, wann etwa eine Zahl bzw. Schätzung dem Markt tatsächlich bekannt geworden ist.

Zuverlässige Datumsstempel fehlen mitunter in den preiswerten Datenbanken für Retailkunden, sofern die Fundamentaldaten überhaupt ordentlich eingepflegt sind. Auf der Basis von "nicht verfügbar" lässt sich keine Handelslogik konstruieren. Aber selbst bei Kursdaten kann in unübersichtlichen Berechnungen auf Daten zugegriffen werden, die zum historischen Zeitpunkt der Berechnung noch gar nicht bekannt gewesen sein können. Das ist dann allerdings kein Daten-, sondern ein Anwenderfehler.

Gut im Test, schlecht in der Realität

Ein Indiz für solche Fehler sind in der Regel Ergebnisse, die zu gut sind, um wahr sein zu können. Aber nicht immer muss unzulässiges Vorwissen die Ursache sein. Ein weiteres Problem ist die Überoptimierung…

Autor: Ralph Malisch

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