LONDON (dpa-AFX) - In Großbritannien ist die Zahl der Menschen, die lineares Fernsehen schauen, so deutlich gesunken wie noch nie. Im vergangenen Jahr hätten jede Woche nur noch 79 Prozent eingeschaltet, 2021 waren es noch 83 Prozent gewesen, wie die Aufsichtsbehörde Ofcom am Donnerstag in London mitteilte. Noch deutlich stärker fiel die durchschnittliche Zusehzeit pro Tag von 2 Stunden 59 Minuten auf 2 Stunden und 38 Minuten.

Allerdings sind die öffentlich-rechtlichen TV-Kanäle BBC One und ITV 1 weiterhin mit Abstand die wichtigsten Programme, vor dem Streamingdienst Netflix auf Platz drei. Die beiden Sender würden Ereignisse übertragen, die die Nation für ein gemeinsames Seherlebnis zusammenbringen. Ofcom verwies darauf, dass das Viertelfinalspiel der englischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Frankreich bei der Weltmeisterschaft in Katar, das Staatsbegräbnis von Queen Elizabeth II. sowie die Feiern zum 70. Thronjubiläum der Königin die meistgesehenen Sendungen des Jahres gewesen seien. Auch die Video-on-demand-Angebote von BBC und ITV würden weiter wachsen.

Gesunken ist hingegen nach Ofcom-Angaben das Masseninteresse. Die Zahl der TV-Sendungen, die von mehr als vier Millionen Menschen eingeschaltet wurden, sank in den vergangenen acht Jahren um mehr als die Hälfte, wie die Behörde weiter mitteilte. Das liege daran, dass weniger Menschen frühe und späte Nachrichtensendungen sowie Seifenopern schauten. Auch die Zuschauerzahlen in der klassischen Zielgruppe der mehr als 65-Jährigen fielen deutlich. Die meisten Sendungen mit einem Massenpublikum verzeichnete demnach Netflix.

Vor allem die BBC steht seit Jahren unter erheblichem Druck. Finanziell machen dem Sender die sinkenden Rundfunkbeiträge zu schaffen. Hinzu kommen Kritik, die BBC komme ihrer strikten Neutralität nicht nach, und Forderungen, die öffentliche Rundfunkanstalt zu zerschlagen - jeweils aus dem konservativen Lager.

In Deutschland betrug die durchschnittliche Sehdauer 2022 im Publikum ab drei Jahren beim klassisch-linearen TV im Schnitt 195 Minuten (also 3 Stunden und 15 Minuten). Das sind nach Zahlen der AGF Videoforschung im Schnitt 18 Minuten weniger als 2021 (213 Minuten)./bvi/DP/jha