APA ots news: WIFO: Vertiefung der Rezession bei steigenden Zinsen und hoher Inflation
Wien (APA-ots) - Österreichs BIP schrumpfte im II. Quartal 2023 um 1,1%
gegenüber dem Vorjahr. Die weitere Verschlechterung der
unternehmerischen Konjunktureinschätzungen lässt keine baldige
Trendwende erwarten. Der Inflationsabstand zum Euro-Raum nahm im
August nach einem vorübergehenden Rückgang wieder zu. Der heimische
Arbeitsmarkt ist derzeit von einer kräftigen Ausweitung des
ausländischen Arbeitskräfteangebots geprägt. Entgegen der
öffentlichen Wahrnehmung sind die Sparzinssätze seit der Zinswende
der EZB stärker gestiegen als die Kreditzinssätze. Zugleich konnten
heimische Banken ihre Nettozinserträge deutlich ausweiten. Dies hängt
u. a. mit dem hohen Anteil variabel verzinster Wohnbaukredite
zusammen.
"Der sprunghafte Anstieg der Nettozinserträge heimischer Banken
seit der Zinswende der EZB hängt u. a. mit dem hohen Anteil variabel
verzinster Wohnbaukredite an private Haushalte zusammen", so der
Autor des aktuellen Konjunkturberichtes Stefan Schiman-Vukan.
Die Konjunktur trübte sich zuletzt sowohl im Euro-Raum als auch in
Österreich weiter ein. Nach Revision der Daten für Irland, die durch
Buchungen dort ansässiger multinationaler Konzerne verzerrt waren,
nahm die Wirtschaftsleistung im Euro-Raum im II. Quartal 2023 kaum
mehr zu. In Österreich schrumpfte sie sogar recht deutlich (-0,7%
gegenüber dem Vorquartal). Die bis August vorliegenden
Stimmungsindikatoren lassen eine weitere Konjunkturabschwächung
erwarten, die mitunter kräftig ausfallen und die meisten Euro-Länder
sowie alle Branchen betreffen dürfte.
Auf dem heimischen Arbeitsmarkt zeigt sich seit April 2023 ein
gleichzeitiger Anstieg von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, wie er
zuletzt im Gefolge der "Ostöffnung" von 2011 bis 2016 zu beobachten
war. Dieser Gleichlauf weist auf eine überproportionale (nicht
konjunkturell erklärbare) Ausweitung des Arbeitskräfteangebots hin,
zu dem insbesondere Personen aus Syrien und der Ukraine beitragen.
Die Abnahme der offenen Stellen signalisiert wiederum, dass das
Wachstum des Arbeitskräfteangebots auf einen Rückgang der
Arbeitskräftenachfrage trifft.
Die Inflationsrate stieg im August in Österreich wieder an,
während sie im Euro-Raum stagnierte. Der Inflationsabstand, der im 1.
Halbjahr durchgehend über 2 Prozentpunkte betragen hatte und im Juli
gesunken war, erhöhte sich dadurch neuerlich auf über 2
Prozentpunkte. Als Reaktion auf die hohe Inflation hat die EZB ihre
Leitzinssätze innerhalb eines Jahres kräftig angehoben. Zuletzt wurde
vermehrt kritisiert, dass die Geschäftsbanken diese Zinserhöhungen
nicht ausreichend an ihre Einlagenkund:innen weitergeben würden.
Die Sparzinssätze sind jedoch seit der Zinswende der EZB sogar
etwas stärker gestiegen als die Kreditzinssätze (Neugeschäft). Dies
gilt sowohl für private Haushalte als auch für Unternehmen und sowohl
für den Euro-Raum insgesamt als auch für Österreich. Die öffentliche
Wahrnehmung, die Einlagenzinssätze seien (zu) niedrig, gründet im
Wesentlichen auf den Zinsen für täglich fällige Einlagen. Solche
Einlagen dienen jedoch nicht primär der Vermögensveranlagung, sondern
erfüllen einen ähnlichen Zweck wie (unverzinstes) Bargeld. Bei
Leitzinserhöhungen bleiben die Zinssätze für täglich fällige Einlagen
daher niedriger als jene für gebundene Einlagen.
Während demnach die Leitzinserhöhungen bislang auf
marktwirtschaftlich nachvollziehbare Weise an Unternehmen und private
Haushalte weitergegeben wurden, sind gleichzeitig die
Nettozinserträge vieler Geschäftsbanken seit der Zinswende deutlich
gestiegen. Diese Zunahme der Profitabilität hängt u. a. mit dem
länderspezifisch stark schwankenden Anteil variabel verzinster
Wohnbaukredite zusammen: In Ländern mit hohem Anteil stieg die
Nettozinsertragsquote um bis zu drei Viertel; in Frankreich, wo es
kaum eine variable Verzinsung der Wohnbaukredite gibt, schrumpfte sie
hingegen. In Österreich, das hinsichtlich der variablen Verzinsung
von Wohnbaukrediten im Mittelfeld des Euro-Raums liegt, stiegen die
Nettozinserträge zwischen dem II. Quartal 2022 und dem I. Quartal
2023 um rund ein Drittel.
Abbildung 1: Entwicklung des Nettozinsertrags der Banken - auf der
[WIFO-Website] (https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/71082)
Zu den Definitionen siehe ["Methodische Hinweise und Kurzglossar"]
(https://www.ots.at/redirect/wfo).
Rückfragehinweis:
Rückfragen bitte am Freitag, dem 8. September 2023, zwischen 9 und 15 Uhr, an Dr. Stefan Schiman, MSc, Tel. 01 798 26 01/234, stefan.schiman-vukan@wifo.ac.at
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OTS0013 2023-09-08/09:00