Rekordjahr bei Gründungen von Genossenschaften / GVB: Deutliches

Umsatzplus bei Wärmegenossenschaften - Landwirtschaft braucht mehr

Entscheidungsfreiheit und Planungssicherheit

München (ots) - In einem volatilen Umfeld haben sich die 1.031 im

Genossenschaftsverband Bayern (GVB) organisierten Waren- und

Dienstleistungsgenossenschaften erfolgreich behauptet. Der Gesamtumsatz stieg

auf 16,6 Milliarden Euro, nach knapp über 16 Milliarden Euro im Jahr zuvor -

eine Zunahme von 2,4 Prozent. "Genossenschaften zeigen, was in ihnen steckt,

wenn das Gesamtumfeld von Unsicherheiten geprägt ist. Entstanden im 19.

Jahrhundert in Krisenzeiten beweisen sie bis heute ihre Leistungsfähigkeit",

kommentierte Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern

(GVB), das Ergebnis am Dienstag in München.

Das Jahr 2023 war von einem regen Gründungsgeschehen geprägt. Allein 40 neue

Energiegenossenschaften - davon 32 Wärmegenossenschaften - konnte der GVB als

neue Mitglieder willkommen heißen. Insgesamt nahm der GVB in Bayern 51

genossenschaftliche Neugründungen in seine Reihen auf. Damit war das vergangene

Jahr eines der gründungsreichsten der jüngeren Vergangenheit. "Diese Entwicklung

ist ein klarer Beleg für die Attraktivität des Genossenschaftsmodells", folgerte

Scheller.

Energie

Insgesamt erwirtschafteten die 329 Energiegenossenschaften 457 Millionen Euro

Umsatz, nach 378,7 Millionen Euro im Vorjahr ein Plus von 20,7 Prozent.

Ermöglicht wurde dies unter anderem durch die steigende Zahl von

Energiegenossenschaften, durch noch relativ hohe Strompreise und eine gute

Stromausbeute bei Photovoltaikanlagen.

Die 147 Wärmegenossenschaften in Bayern steigerten ihre Erlöse um 8,8 Prozent

von 11,3 Millionen Euro auf 12,3 Millionen Euro. Nahwärmenetzen kommt eine

wachsende Bedeutung zu. In ganz Deutschland treiben Städte und Gemeinden ihre

kommunale Wärmeplanung voran. "Die Energiewende ist somit für jeden greifbar.

Die Kommunen - und damit jeder einzelne Haushalt - werden sich mit der

Wärmeversorgung der Zukunft auseinandersetzen müssen", sagte Scheller.

Wärmegenossenschaften können hierbei die Kommunen unterstützen, weil sie die

Umsetzung der Wärmeplanung in wesentlichen Teilen in Bürgerhand übernehmen. Den

Volks- und Raiffeisenbanken kommt als Finanzierer eine Schlüsselrolle zu. Mit

ihrer regionalen Nähe können sie in enger Abstimmung mit den kommunalen

Verantwortlichen und den Wärmegenossenschaften einen aktiven Beitrag zum

Gelingen der Wärmewende leisten.

2023 haben die bayerischen Energiegenossenschaften ihre Investitionen im

Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigert. "Die Energiewende und der Umstieg auf

regionale, dezentrale und regenerative Versorgung gewinnt zunehmend an Schwung.

Mit ihrer unmittelbaren Bürgerbeteiligung profitieren die

Genossenschaftsmitglieder von dieser Entwicklung", sagte Scheller.

Neben der Zahl der Wärmegenossenschaften legte auch die Zahl der

Photovoltaikgenossenschaften zu. Sie stieg um sieben auf 114 Mitglieder. Für die

kommenden Jahre zeichnen sich im Energiebereich Fusionen ab. Dies ist bei den

mitunter kleinen Genossenschaften notwendig, um weiteres Wachstum zu stemmen und

sich an größeren Projekten beteiligen zu können. Zudem fallen Anlagen nach und

nach aus der EEG-Förderung, worauf sich die Genossenschaften einstellen und sich

entsprechend anpassen müssen. Diese Auswirkungen werden sich voraussichtlich in

den kommenden Jahren zeigen.

Raiffeisen-Warengeschäft

Die 74 Raiffeisen-Warenunternehmen erwirtschafteten Umsätze in Höhe von 1,6

Milliarden Euro. Im Jahr davor waren es nach endgültigen Zahlen 1,8 Milliarden

Euro. Das entspricht einem Rückgang von rund elf Prozent.

Der Umsatzrückgang fiel im Vergleich zum Ausnahmejahr 2022 jedoch niedriger aus

als noch zu Jahresbeginn 2023 erwartet. Damit hat sich der Umsatz wieder auf ein

normales Niveau mit positiver Tendenz eingependelt. Positiv schlägt sich auch

nieder, dass sich die Raiffeisen-Händler vermehrt an privaten Unternehmen aus

den Branchen Agrarhandel, Baustoffe und Energie beteiligen und diese

Marktausweitung zu Umsatzsteigerungen führt.

In der Sparte Agrarhandel kam die hohe Volatilität der Märkte zum Tragen. Die

Getreideernte fiel in der Menge durchschnittlich aus bei deutlich niedrigeren

Preisen. Der Einzelhandel konnte sich dagegen leicht positiv entwickeln, obwohl

die Inflation die Kaufkraft und dadurch die Umsätze in diesem Segment gebremst

hat. Dem Baustoffhandel kam zugute, dass vor allem im ersten Halbjahr 2023 die

Bauunternehmen noch offene Aufträge abgearbeitet haben.

Den Raiffeisen-Händlern ist bewusst, dass der Agrar-, Baustoff- und

Energiehandel anspruchsvoller wird. Daher kooperieren sie zunehmend in der

Region und bilden größere, für ihre Mitglieder und Kunden leistungsfähigere

Unternehmen, um sich für die Herausforderungen, denen sich die Landwirtschat

stellen muss, gut aufzustellen. Die Unternehmen investieren im Vertrauen auf

Kunden und Märkte kontinuierlich in neue Standorte und bessere Ausstattung.

"Die Raiffeisen-Märkte sind eine wichtige Stütze der ländlichen Regionen

Bayerns. Über viele Jahre haben sie sich das Vertrauen von Kundinnen und Kunden

sowie Mitgliedern erarbeitet. Das bewährt sich insbesondere in herausfordernden

Zeiten", sagte Scheller.

Milchgenossenschaften

Die 99 Milchgenossenschaften verzeichneten 2023 einen Umsatz in Höhe von 3,8

Milliarden Euro, nach knapp vier Milliarden Euro im Jahr zuvor - ein Rückgang um

3,7 Prozent. Dieser entspricht in etwa dem Rückgang des durchschnittlichen

Milchauszahlungspreises. Der Preis für konventionelle Milch ging im

Jahresdurchschnitt von 51,9 Cent pro Kilogramm auf 49,7 Cent pro Kilogramm

zurück.

Der hohe Druck, unter dem die Landwirte stehen, zeigt sich an den bis heute

anhaltenden Protesten. In Deutschland müssen im Durchschnitt vier Höfe pro Tag

schließen. Immer weiter steigende regulatorische Anforderungen und fehlende

Planungssicherheit setzen den Landwirten erheblich zu. Vorgaben zu

Flächenstilllegungen oder Fruchtwechsel greifen erheblich in die Entscheidungs-

und Einnahmemöglichkeiten der landwirtschaftlichen Betriebe ein. Dies

beschleunigt den Strukturwandel immer mehr. "Wer die kleinteilige Landwirtschaft

und die regionale Versorgung mit wertvollen Lebensmitteln will, muss dafür auch

die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen", mahnte Scheller.

So sind beispielsweise Stallbauten mit enormen Kosten verbunden, die sich

oftmals erst nach vielen Jahren amortisieren. Wenn die Vorgaben immer wieder

geändert werden, lohnen sich derartige Investitionen häufig nicht. "Es ist

dringend erforderlich, den Landwirten wieder mehr Entscheidungsfreiheit und

Planungssicherheit zu geben", sagte Scheller. Immer mehr Regulierung und sich

ständig ändernde Vorschriften führen dazu, dass sich Landwirtschaft in

Deutschland immer weniger lohnt. In Folge steigen Auslandsimporte von

Lebensmitteln, deren Qualität nicht im gleichen Maßstab gewährleistet werden

kann. "Das kann nicht in unser aller Interesse liegen", betonte Scheller.

Weiteres Ungemach droht den milcherzeugenden landwirtschaftlichen Betrieben

durch die geplante Umsetzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO)

durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Damit sollen die

Lieferbeziehungen im Milchsektor neu geregelt werden. Dies würde einen

erheblichen Eingriff in bestehende Geschäfts- sowie Lieferbeziehungen darstellen

und enorme bürokratische Kosten ohne jeden Nutzen verursachen. Zudem würde die

Umsetzung die Besonderheiten von Genossenschaften außer Acht lassen, in denen

die Milcherzeuger nicht nur Lieferanten, sondern auch Eigentümer ihres

Molkereiunternehmens sind. Der GVB schließt sich daher der ablehnenden Haltung

des Deutschen Raiffeisenverbandes und des Deutschen Bauernverbandes an.

Unter Druck geraten Milchviehhalter außerdem durch immer umfassendere

Tierschutzauflagen. Diese beschleunigen den Strukturwandel weiter. Kleine

landwirtschaftliche Betriebe können diese Auflagen und die damit verbundenen

Kosten häufig nicht stemmen und bleiben auf der Strecke, während größere

Einheiten im Vorteil sind. Auch Handelsunternehmen machen den Molkereien und

Milcherzeugern das Leben schwer. Da der Handel seine Eigenmarken zunehmend in

den Vordergrund rückt, werden Lieferanten immer austauschbarer.

Handelsgenossenschaften

Ein Umsatzplus von 4,9 Prozent verzeichneten die 63 Handelsgenossenschaften in

Bayern, von 6,3 Milliarden Euro auf 6,6 Milliarden Euro. Klar dominiert wird

diese Sparte von einem Handelsunternehmen aus der Arzneimittelbranche. Die

Sparte umfasst aber auch die Bereiche Nahrungs- und Genussmittel sowie

Dorfläden. Diese verzeichneten erneut ein Ergebnisplus von 6,7 Prozent. "Die

Nahversorgung der Bevölkerung auf dem Land wird von den Menschen angenommen.

Hier zeigt sich, wie Genossenschaften dazu beitragen können, Lücken zu schließen

und zum Wohl der Allgemeinheit zu wirken", folgerte Scheller. Der regionale

Handel steht allerdings unter starkem Druck der Discounter.

Ländliche Genossenschaften

226 ländliche Genossenschaften gehören dem GVB an. Zu ihnen zählen unter anderem

Unternehmen in den Bereichen Forst- und Holzwirtschaft, Trocknung, Weinbau,

Brennerei, Vieh und Fleisch sowie Maschinen. Diese Unternehmen verzeichneten

einen Umsatz in Höhe von mehr als 1,4 Milliarden Euro, 93,6 Millionen Euro mehr

als im Jahr davor. Das entspricht einem Plus von 6,9 Prozent. Deutliche

Umsatzrückgänge verzeichneten die Winzer. Ihr Ergebnis gab um mehr als 20

Prozent auf knapp 51 Millionen Euro nach. 2022 war dieses noch bei 71,5

Millionen Euro gelegen. Geänderte Trinkgewohnheiten und die zunehmende Abkehr

von hochpreisigen Artikeln machen sich hier bemerkbar.

Deutliche Zuwächse um mehr als 25 Prozent von knapp 162 Millionen Euro auf 203

Millionen Euro verzeichneten die genossenschaftlichen Unternehmen aus dem

Bereich Obst und Gemüse. Hier schlagen nicht nur gestiegene Preise, sondern auch

der Trend zu Regionalität durch.

Handwerksgenossenschaften

Die 46 Handwerksgenossenschaften konnten ihren Umsatz um 0,7 Prozent von knapp

984 Millionen Euro auf 991 Millionen Euro steigern. Zu dieser Gruppe zählen

Genossenschaften für das Bauhandwerk, aber auch für Kaminkehrer, Bäcker, Metzger

sowie Brauereigenossenschaften. In diesem Segment macht sich der

Konjunktureinbruch im Baugewerbe bemerkbar. Die Unternehmen beklagen zudem, dass

Nachwuchs immer schwieriger zu finden ist. Auch dadurch bleiben immer wieder

Aufträge auf der Strecke, weil sie aufgrund fehlenden Personals nicht ausgeführt

werden können.

Gewerbliche Genossenschaften

Einen Umsatzsprung um 18,4 Prozent von 1,3 Milliarden Euro auf 1,6 Milliarden

Euro verzeichneten die 150 gewerblichen Genossenschaften. Auch hier ist ein

einzelnes Unternehmen dominant, das der Kommunikations- und IT-Branche angehört.

Darüber hinaus zählen zu dieser Sparte freie Berufsgruppen, Gastronomie,

Gesundheit, Marketing und Tourismus sowie Verkehr.

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