(neu: Hintergrund, Expertenstimmen, Kursreaktion)

ZÜRICH (dpa-AFX) - Die Schweizer Notenbank greift der angeschlagenen Großbank Credit Suisse mit einer milliardenschweren Kreditlinie unter die Arme. Das Geldhaus will mit der Option auf Kredite von bis zu 50 Milliarden Franken (knapp 51 Mrd Euro) verlorenes Vertrauen am Finanzmarkt zurückgewinnen. Für Währungshüter, Finanzaufsicht und Regierungen geht es auch darum, eine allgemeine Bankenkrise zu verhindern. An der Börse zeigten die Maßnahmen Wirkung: Die Aktie der Credit Suisse erholte sich nach den Neuigkeiten vom frühen Donnerstag ein gutes Stück von ihrem Kurssturz vom Mittwoch.

Zum Handelsstart legte ihr Kurs um fast ein Drittel auf 2,25 Schweizer Franken zu. Um die Mittagszeit lag die Aktie noch mit gut 23 Prozent im Plus bei 2,096 Franken, nachdem sie am Vorabend mit einem Abschlag von fast einem Viertel auf 1,697 Franken aus dem Handel gegangen war. Zwischenzeitlich war ihr Kurs am Mittwoch sogar auf ein Rekordtief von 1,56 Franken gesackt.

Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken hatte schon Ende vergangener Woche Unsicherheit im Bankensektor ausgelöst. Am Mittwochvormittag reagierten Anleger dann geschockt auf die Erklärung der saudischen Aktionärin der Credit Suisse, der Saudi National Bank. Deren Präsident Ammar Al Khudairy hatte im Interview mit "Bloomberg TV" zusätzliche Unterstützung für die bereits seit längerem angeschlagene Credit Suisse ausgeschlossen. Deren Aktienkurs sackte daraufhin stark ab. In der Nacht zum Donnerstag bezeichnete Khudairy diese Panik im US-Sender CNBC als "vollkommen ungerechtfertigt". Demnach glaubt er nicht, dass die Credit Suisse weiteres Kapital benötigt.

Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe zeigte sich angesichts der jüngsten Turbulenzen zuversichtlich, dass Europas Banken gewappnet sind. "Wir sind uns der Risiken bewusst, die derzeit in unserem Banken- und unserem globalen Finanzsystem bestehen. Aber die Höhe der Eigenkapitalpuffer gibt uns die Gewissheit, dass wir in der Lage sind, diese Risiken zu managen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er sei zwar nicht entspannt. "Aber ich glaube, dass die Maßnahmen, die wir in Europa ergriffen haben, funktioniert haben und immer noch funktionieren."

Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte bereits am Mittwochabend die Stabilität des deutschen Kreditwesens hervorgehoben. "Die Bundesregierung ist mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch", sagte der FDP-Vorsitzende in der ARD-Sendung "Maischberger". "Wir haben mit der Bafin eine leistungsfähige Finanzaufsicht, und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat. Wir können deshalb sehr klar sagen: das deutsche Kreditwesen - private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute - ist stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter."

Die Schweizer Notenbank gewährt der Credit Suisse die milliardenschweren Kredite nicht einfach so. Die Kreditlinie sei vollständig mit erstklassigen Vermögenswerten besichert, schrieb die Bank in ihrer Mitteilung. Außerdem kündigte sie den Rückkauf bestimmter Euro- und Dollar-Anleihen im Volumen von drei Milliarden Franken an. Die Credit Suisse bezeichnete die Schritte als "entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung" der Liquidität.

Bereits am Mittwochabend hatten die SNB und Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma mitgeteilt, dass die Credit Suisse bei Kapitaldecke und Liquidität die erhöhten Anforderungen für systemrelevante Banken erfülle. So verfügte die Bank Ende 2022 über eine harte Eigenkapitalquote von 14,1 Prozent. Auch gehe von den jüngsten Problemen bestimmter Banken in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt aus.

Branchenexperten äußerten sich zwar eher positiv zu den Maßnahmen. Schließlich sei die Credit Suisse an den Finanzmärkten wie bei ihren Kunden mit einem Vertrauensverlust konfrontiert, schrieb Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldwirtschaft an der Universität Freiburg. Ein Allheilmittel sieht er darin aber nicht: Selbst mit dem Kredit der SNB werde die Credit Suisse alle ihre Probleme in einer Woche nicht gelöst haben.

Analyst Bankenanalyst Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan attestierte der Credit Suisse ein anhaltendes Vertrauensproblem mit Blick auf ihre Investmentbank. Hinzu kämen Sorgen wegen anhaltender Mittelabflüsse. Die Kapitaldecke des Instituts ist aus seiner Sicht nicht das Problem.

Die Credit Suisse wurde 1856 gegründet und hat nach eigenen Angaben mehr als 50 000 Angestellte. Sie ist die zweitgrößte Bank der Schweiz hinter der UBS und steckt schon länger in der Krise. Im vergangenen Jahr erlitt sie auch wegen riskanter Geschäfte im Investmentbanking einen Fehlbetrag von 7,3 Milliarden Franken - und damit den zweithöchsten Verlust ihrer Geschichte.

Gerüchte über eine mögliche finanzielle Schieflage der Bank hatten im vergangenen Jahr reale Folgen für das laufende Geschäft: So zogen Kunden netto mehr als 123 Milliarden Franken von der Credit Suisse ab, davon gut 110 Milliarden allein im vierten Quartal. Zudem rügte die Aufsicht zuletzt das Risikomanagement und Teile der Finanzberichterstattung des Konzerns./stw/zb/seb/als/stk

Quelle: dpa-AFX