Encavis und das Market Timing
Ein Investment in Aktien ist mit dem Risiko stark schwankender Kurse verbunden. Genau für dieses Risiko erwartet man, mit einer entsprechenden Rendite entlohnt zu werden. Langfristig funktioniert das in der Regel auch. Natürlich gibt es auch genügend Trader, die kurzfristig ihr Glück versuchen. Das ist völlig legitim, und so mancher ist dabei auch erfolgreich.
Problematisch kann es dann werden, wenn man ein Investment ursprünglich mit einer Langfriststrategie geplant hat, dann aber mit dem Herzen nicht konsequent bei dieser Strategie bleibt. Crash-Propheten verleiten einen möglicherweise dazu, aus dem Investment auszusteigen. Wieder andere sehen nach einem Absturz plötzlich Kaufkurse für den vermeintlich besten Wiedereinstieg oder Nachkauf. Kurzum: Man wird verleitet, sich im Market-Timing zu versuchen, obwohl man doch ursprünglich anderes geplant hatte.
Anhand eines selbstgewählten Beispiels aus dem MDAX, der Encavis-Aktie, möchte ich zeigen, welche Risiken (und Chancen) sich für die Rendite ergeben, wenn man sich am Market-Timing versucht. Dazu habe ich als Datenbasis alle tagesgenauen Xetra-Schlusskurse von Encavis der vergangenen 10 Jahre, also seit April 2011, herangezogen. Das sind insgesamt 2532 Handelstage und somit 2532 Schlusskurse.
Der Schlusskurs am 01.04.2011 betrug 1,89 Euro. Am 01.04.2021 betrug er 16,66 Euro (Anmerkung: Dieser Artikel ist KEIN Aprilscherz 😀). Aus einem Einmalinvestment von 10.000 Euro wären somit nach 10 Jahren ca. 88.000 Euro geworden, entsprechend einem Gewinn von 78.000 Euro und einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 24,3 Prozent.
Das Interessante dabei ist, dass von den 2532 Tagen, in denen sich diese Entwicklung vollzog, ein paar ganz wenige maßgeblich für diesen Wertzuwachs sind. Wenn man das Pech hatte, an den 10 besten Tagen in diesem 10-Jahres-Zeitraum nicht dabei gewesen zu sein, dann hätte man statt der 88.000 Euro nur noch ca. 33.800 im Depot, entsprechend einem Gewinn von 23.800 Euro und einer jährlichen Rendite von 12,9 Prozent. Und das, obwohl man doch an den restlichen 2522 Tagen die Aktie hielt. Somit entgingen dem Investor wegen nur 10 Tagen, an denen er nicht „in the market“ war, ca. 54.200 Euro Gewinn, die jährliche Rendite halbierte sich nahezu.
Jetzt kann man natürlich einwenden, dass dieses Szenario unwahrscheinlich ist. Wer hat schon so viel Pech, ausgerechnet die 10 besten Tage zu versäumen? Genauso gut hätte der Investor ja die 10 schlechtesten Tage „versäumen“, also den Jackpot landen können. In diesem Fall wären aus 10.000 Euro ca. 259.000 Euro geworden, die jährliche Rendite betrüge 38,5 Prozent. Ich wage mal die Aussage, dass sich auf der Welt weder dieser eine absolute Glückspilz noch dieser eine absolute Pechvogel finden lässt.
Was können wir aus diesem Gedankenspiel also überhaupt mitnehmen? Zum einen die vielleicht überraschende Erkenntnis, dass es selbst in einem sehr langen Zeitraum von 10 Jahren auf nur zwei Handvoll Tage ankommen kann. Und zum anderen, dass es eben nahezu unmöglich sein dürfte, aus 2532 Tagen vorab ausgerechnet die 10 besten oder schlechtesten Tage herauszupicken. Sobald man eine Aktie verkauft in der Hoffnung, fallende Kurse nicht durchleiden zu müssen, setzt man sich eben auch dem Risiko aus, einen dieser „goldenen Tage“ zu versäumen, die später so immens wichtig für die Gesamt-Rendite sein werden.
Man kann diese fiktive Rechnung bei so gut wie jeder anderen Aktie anstellen. Es kämen inhaltlich ähnliche Ergebnisse raus. Es gibt dazu auch bereits zahlreiche Studien. Vor ca. 2 Jahren wurde z.B. eine ähnliche Untersuchung für verschiedene Länder-Indizes über einen Zeitraum von 31 Jahren angestellt, mit dem Ergebnis: Ohne die besten 13 Tage - innerhalb eines Zeitraums von drei Jahrzehnten (!) - halbiert sich die jährliche Rendite bei einem Investment in den DAX.
Fazit: Dem aktiven und versierten Börsianer, der Zeit und Mühe investiert, Märkte und ihre kurzfristigen Funktionsweisen zu verstehen, mag es gelingen, mit Market Timing eine Überrendite zu erwirtschaften. Die Chancen dafür sind da, aber insbesondere eben auch die damit verbundenen Risiken. Für den durchschnittlichen Börsen-Michel (wozu ich mich auch zähle) erscheint mir langfristig die Devise „Time in the market beats timing the market“ geeigneter zu sein.
Werte zum Blogbeitrag
Name | Aktuell | Diff. | Börse |
---|---|---|---|
Encavis | 17,09 EUR | -0,06 % | L&S Exchange |
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