MANNHEIM (dpa-AFX) - Der frühere EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) hat die Ampelkoalition im Bund für ihr Handeln in der Energiekrise kritisiert. "Es geht viel Zeit verloren, weil Wirtschafts-, Umwelt- und Finanzministerium schlecht kooperieren. Erst die Gasumlage, jetzt die Gaspreisbremse, so kann man doch nicht regieren", sagte der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident dem "Mannheimer Morgen" (Samstag). "Nicht dieser Winter, sondern der Winter 2023/2024 wird der schlimmere." Er wäre dafür, den Wettbewerb umgehend zu stärken, sagte Oettinger: "Sofort einsteigen ins Fracking, sofort neue Brennstäbe organisieren."

Die Gasspeicher seien bis zum Frühjahr leer, prognostizierte der CDU-Politiker. "Wir werden dann große Mühe haben, auch nur halbwegs die Versorgung des folgenden Winters vorzubereiten." Die Alternative sei, Gas teuer auf dem Weltmarkt einzukaufen. "Und dann sollten wir anfangen, unser eigenes Gas aus dem Boden zu schöpfen."

Fracking-Gas aus Deutschland stünde aber frühestens in drei bis fünf Jahren zur Verfügung, machte Oettinger deutlich. "Das führt uns zur grundsätzlichen Frage: Wie lange wollen wir auf Gas setzen? Ich behaupte, weit länger als bisher gedacht. Wir werden im Jahr 2040 noch Gas benötigen." Bei der innenpolitischen Ablehnung von Fracking sei Deutschland "nicht glaubwürdig, sondern scheinheilig".

Die EU beobachte schon seit Jahren mit Sorge die deutschen Alleingänge in der Energiepolitik, sagte Oettinger und nannte als Beispiele den Ausstieg aus der Atomkraft, den verzögerten Ausbau der Stromtrassen von Nord nach Süd und den Kohleausstieg. "Die Deutschen haben immer große Visionen, aber die Umsetzung klappt nicht."/kre/DP/he