BERLIN (dpa-AFX) - Der Vater geht arbeiten und die Mutter bleibt bei den Kindern zu Hause - diese klassische Rollenverteilung ist zwar aus der Mode gekommen, aber noch nicht ganz verschwunden. Denn eine aktuelle Analyse zeigt: Mit der Erwerbstätigkeit von Frauen, die jüngere Kinder haben, geht es in diesem Land nur sehr schleppend voran. Wie aus jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht, die die Prognos AG ausgewertet hat, waren im vergangenen Jahr 74 Prozent der Mütter mit jüngstem Kind zwischen drei und sechs Jahren erwerbstätig, so viele wie zuletzt auch vor fünf Jahren im Vorpandemie-Jahr 2019. In den Vorjahren 2022 und 2021 lagen die Quoten bei jeweils 73 und 72 Prozent - und damit nur leicht unter dem Wert des vergangenen Jahres, wie die Daten weiter zeigen.
Auch ein Blick auf das Jahr 2013, zehn Jahre davor, ergibt keine großen Sprünge: Damals betrug der Anteil 70 Prozent - also nur vier Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr. Etwas deutlicher ist immerhin der Anstieg im Vergleich zu 2008: Damals erreichten Mütter mit mindestens einem Kind zwischen drei und sechs Jahren noch eine Erwerbsquote von 64 Prozent.
Auch Erwerbsquote von Müttern mit kleineren Kindern stagniert
Bei den Müttern mit noch jüngeren Kindern verhält es sich ähnlich. Die Erwerbsquote von Müttern mit mindestens einem Kind zwischen einem und drei Jahren stieg seit 2008 zwar etwas deutlicher von 41 auf den bisherigen Höchststand von 54 Prozent im vergangenen Jahr. Dieser Höchststand war den Daten zufolge allerdings auch schon im Jahr 2022 erreicht worden. Auch im Zehn-Jahres-Vergleich ist die Steigerung moderat: 2013 lag die Quote für Mütter mit mindestens einem Kind der jüngsten Altersgruppe bei 49 Prozent.
Mehrheit der Mütter nach wie vor in Teilzeit
Nach der Prognos-Analyse arbeitet nach wie vor die Mehrheit der Mütter in Teilzeit - auch wenn die Zahl der Arbeitsstunden seit 2008 gestiegen ist. Während 2008 noch elf Prozent der Mütter mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren bis zu 36 Stunden in der Woche arbeiteten, waren es 2023 bereits 20 Prozent.
Auch die Zahl der Mütter, die mehr als 36 Stunden die Woche einer Erwerbsarbeit nachgehen, ist bei jüngstem Kind zwischen drei und sechs Jahren leicht gestiegen - von 14 (2013) auf 16 Prozent im vergangenen Jahr. Bei Müttern mit noch jüngeren Kindern liegt die Quote aber nach wie vor bei 11 Prozent - und damit auf dem Niveau von 2013.
Als einer der größten Bremser für die Erwerbstätigkeit von Müttern gilt seit Jahren der deutschlandweit schleppende Ausbau von Betreuungsplätzen. Laut einer Bertelsmann-Studie aus dem vergangenen Herbst fehlen in Deutschland trotz Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz rund 430 000 Kita-Plätze.
Väter betreuen Kinder immer noch weniger als Mütter
Auch beim Engagement von Vätern in der Familie sehen die Studienautoren Nachholbedarf. "Die Rolle der Mütter hat sich deutlich gewandelt, jedoch ohne, dass Väter in gleichem Umfang mehr Verantwortung im Familienalltag übernehmen würden", heißt es dazu.
Wie eine kürzlich veröffentlichte Erhebung des Statistischen Bundesamts zur Zeitverwendung in privaten Haushalten aus dem Jahr 2022 zeigt, wenden Mütter im Schnitt täglich drei Stunden und 48 Minuten für die Kinderbetreuung auf. Väter kommen demnach lediglich auf zwei Stunden und elf Minuten. Das ist mehr als noch vor einigen Jahren - aber noch nicht genug, um eine halbwegs ausgewogenen Aufteilung zwischen den Geschlechtern zu erreichen.
Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Düsseldorf, beklagte am Dienstag, dass Mütter noch immer den deutlich größeren Teil der Kinderbetreuung leisteten. Durchschnittlich seien das sieben Stunden mehr pro Woche als Männer. "Dies entspricht ungefähr einem Erwerbsarbeitstag", sagte Kohlrausch. Es braucht aus ihrer Sicht eine Umverteilung von Zeit. "Zeit für Sorgearbeit muss von Frauen zu Männern und Zeit für Erwerbsarbeit von Männern zu Frauen verteilt werden", forderte sie.
"Familienstartzeit" noch immer nicht in Sicht
Die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, nannte die Erwerbsquoten von Müttern "besorgniserregend". Zusammen mit der hohen Teilzeitquote seien sie "ein Grund für die niedrigen Renten von Frauen", sagte Engelmeier der dpa. Wenn die Politik Altersarmut bekämpfen wolle, müsse sie hier ansetzen. Grundvoraussetzungen für einen Wandel seien ein Ausbau von Betreuungsplätzen und mehr Freiräume für Paare, sich nach der Geburt eines Kindes gemeinsam um den Nachwuchs zu kümmern. In diesem Zusammenhang ermahnte Engelmeier die Bundesregierung, die schon lange versprochene "Familienstartzeit" endlich auf den Weg zu bringen.
Die im Koalitionsvertrag verankerte Familienstartzeit soll es Vätern ermöglichen, sich künftig nach der Geburt eines Kindes eine zweiwöchige bezahlte Auszeit zu nehmen - ohne dafür extra Urlaub oder Elternzeit beantragen zu müssen. Eine Maßnahme, die einen zusätzlichen Anreiz für Väter schaffen würde, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Das Problem: Der entsprechende Regierungsbeschluss hängt seit längerem fest. Hinter den Kulissen gibt es Streit um die Finanzierung des Vorhabens. Arbeitgebervertreter wollen eine finanzielle Mehrbelastung für ihre Unternehmen verhindern. Die dauerhafte Mehrbelastung von Frauen und Müttern geht indes weiter./faa/DP/mis