BERLIN (dpa-AFX) - Die Union will im Bundestag erneut über eine Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine abstimmen lassen - mit weiteren Stimmen aus der Ampel-Koalition kann sie dabei nach Einschätzung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nicht rechnen. Auf eine entsprechende Frage sagte Kühnert am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner": "Nein, das glaube ich nicht, wir haben ja einen Koalitionsvertrag miteinander, in dem klar geregelt ist, dass sich die Koalitionspartner gemeinsam auf politische Inhalte verständigen und nicht Oppositionsanträgen zustimmen, auch wenn Frau Strack-Zimmermann das anders gesehen hat in der letzten Woche."

Die Union will bereits in der kommenden Woche erneut über die Taurus-Lieferung abstimmen lassen. Vor zwei Wochen war die Fraktion bereits mit einem ähnlichen Antrag im Bundestag gescheitert. Aus der Ampel-Koalition hatte nur die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dafür gestimmt. Die FDP-Politikerin kündigte bereits an, auch dem neuen Antrag zuzustimmen. "Meine Meinung ist bekannt und wird sich auch nicht mehr ändern. Ich werde mich bei weiteren Abstimmungen entsprechend verhalten", sagte sie dem Nachrichtenportal "T-Online".

SPD-Generalsekretär: SPD steht zu Kanzler

Kühnert sagte, die Union sei frei darin, zu beantragen, was immer sie für richtig halte. "Ich bin aber auch frei darin, das als einen gewissen Klamauk mittlerweile zu empfinden." Alle Debatten im Bundestag zu dem Thema drehten sich nur noch um den Taurus. "Wenn wir den Antrag wieder kriegen, dann wird wieder darüber abgestimmt werden. Da kann ich nur für meine Reihen sprechen und sagen: In der SPD stehen alle zu dem, was der Kanzler gesagt hat."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Lieferung der Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Am Montag vergangener Woche begründete er sein Nein erstmals öffentlich. "Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden", sagte der Kanzler bei der dpa-Chefredaktionskonferenz.

Was er genau damit meint, ließ er zwar offen. Der Satz wurde aber von einigen als Hinweis verstanden, Franzosen und Briten würden die Steuerung ihrer an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp mit eigenen Kräften unterstützen. Die britische Regierung dementierte das umgehend.

Kühnert sagte zu den von Scholz vorgebrachten Argumenten, der Kanzler sei auch von Menschen aus den Bereichen der Verteidigungs- und Außenpolitik und mit Zugang zu Geheimdienstinformationen genötigt worden, seine Argumente offenzulegen. Diese hätten gewusst, was jetzt ausgesprochen sei. "Ich bedauere sehr, dass das so sein musste, ich finde aber auch, dass der Flurschaden größer gemacht wird, als er ist." Das zeige auch der Besuch des britischen Außenministers David Cameron an diesem Donnerstag in Berlin.

Scholz befinde sich nicht nur in einem außenpolitischen Umfeld, sondern auch in einem innenpolitischen und nehme die Sorgen der Menschen ernst, sagte Kühnert. Er müsse die volle Verantwortung für die Entscheidung über eine Taurus-Lieferung übernehmen. Zum Vorwurf, dass die SPD Wahlkampf als Friedenspartei führen wolle, sagte Kühnert: "Das ist ein infamer Vorwurf, der der Tragweite der ganzen Entscheidung nicht gerecht wird." Er wolle nicht, dass das Ziel, Frieden in Europa zu haben, in den Dreck gezogen werde.

Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte den Kanzler in der ZDF-Sendung dagegen scharf. Es gehe darum, Zuversicht in Richtung der Ukraine zu zeigen und Stärke in Richtung Russland. "Der Kanzler zeigt keine Stärke", sagte er.

Sorgen vor Kriegsbeteiligung Deutschlands

Die Menschen in Deutschland stehen einer Taurus-Lieferung laut Umfragen kritisch gegenüber. Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Instituts Infratest dimap lehnen 61 Prozent der Befragten eine Taurus-Lieferung ab. Ähnlich hoch ist die Ablehnung laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Demnach sind 58 Prozent gegen die Lieferung dieses Waffensystems und nur 28 Prozent dafür./mfi/DP/zb