Schöne Bescherung, Kommentar zum Subventionsstreit von Stefan Reccius

Frankfurt (ots) - Der Ton im transatlantischen Verhältnis wird wieder rauer.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Joe Bidens Prestigeprojekt, das

sogenannte Inflationsbekämpfungsgesetz, einen "Jobkiller" für Europa genannt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wirft den USA mehr oder minder offen

vor, Handelsrecht zu brechen. Und nun stellt der für Handel zuständige

EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis den Amerikanern ein Ultimatum: Bis

Jahresende wollen wir Zugeständnisse sehen, sonst - ja, was eigentlich?

Die Europäer stecken in der Klemme. Sie haben in Washington ein legitimes

Anliegen vorgetragen: Hiesige Firmen sollen in den USA keine

Wettbewerbsnachteile haben, nur weil sie anderswo produzieren oder Teile

beziehen. Das wird nämlich passieren, wenn zum Jahreswechsel der Inflation

Reduction Act in Kraft tritt und Amerikaner beispielsweise mit Tausenden Dollar

Steuergutschriften belohnt werden, wenn sie Elektroautos aus amerikanischer

Produktion kaufen. Nur bleibt den Europäern kaum mehr übrig, als in den USA auf

Einsicht zu hoffen, wollen sie nicht wahlweise einen neuen Handelskonflikt oder

einen Subventionswettlauf riskieren.

Der Handels- und Technologierat ist grundsätzlich ein gutes Format, um solch

heikle Themen zu besprechen. Die US-Regierung unter Biden und die EU-Kommission­

haben ihn vor anderthalb Jahren eingerichtet als eine Art Paartherapie, um nach

den verhängnisvollen Donald-Trump-Jahren wieder zueinander zu finden. Der Start

war verheißungsvoll. Doch nun drohen sich die Partner im Klein-Klein zu

verheddern, während sich die nächste große Beziehungskrise zusammenbraut.

Es wäre falsch zu behaupten, dass sich gar nichts tut. Fortschritte gibt es

beispielsweise bei der gegenseitigen Anerkennung von Konformitätszertifikaten

-ein Thema, das zwar genauso sperrig sein dürfte, wie der Begriff suggeriert,

das Industrien wie Maschinenbauern aber ein Herzensanliegen ist. Doch

ausgerechnet beim überwölbenden Thema Subventionen scheinen die Gespräche

festgefahren.

EU-Handelskommissar Dombrovskis klingt jedenfalls bockig. Er hat den Amerikanern

kaum mehr abgerungen als die wachsweiche Formulierung, man erkenne die Bedenken

der EU an. Tatsächlich gibt es keinen einfachen Ausweg. Die Amerikaner könnten

den Europäern Ausnahmen zugestehen. Aber damit würde die EU sich auf einen

faulen Kompromiss einlassen - und gar zum Komplizen beim Bruch von WTO-Recht

werden. Denn der augenscheinliche Verstoß gegen Regeln der

Welthandelsorganisation (WTO) wäre mit so einem Deal nicht vom Tisch. Die EU, so

eine Befürchtung in der deutschen Wirtschaft, könnte dadurch Probleme mit

anderen Handelspartnern bekommen. Schöne Bescherung!

Aufhorchen lässt auch, dass die Amerikaner offenbar in einer weiteren delikaten

Angelegenheit an die Europäer herangetreten sind: Sie wollen mit neuen Stahl-

und Aluminiumzöllen gemeinsame Sache gegen China machen, berichtet die

Nachrichtenagentur Bloomberg. Getreu dem Motto: Nichts schweißt enger zusammen

als ein gemeinsamer Feind. Auch so ein Vorhaben wäre WTO-rechtlich heikel. Die

Europäer, so der Eindruck, werden vom Partner USA derzeit vor reichlich

unbequeme Entscheidungen gestellt.

(Börsen-Zeitung, 7.12.2022)

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