LONDON (dpa-AFX) - Als erster Nato-Staat hat Großbritannien der Ukraine Kampfpanzer westlicher Bauart zugesagt und damit Deutschland und andere Verbündete unter Zugzwang gesetzt. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev appellierte am Wochenende eindringlich an die Bundesregierung, schnell den Weg für die Lieferung von Leopard-2-Panzern frei zu machen. "Zum Diskutieren haben wir sehr wenig Zeit", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Deutsche Waffen, deutsche Panzer sind überlebenswichtig." Es gibt aber Zweifel, ob Deutschland überhaupt schnell selbst liefern kann. Der Rüstungskonzern Rheinmetall wies darauf hin, dass er etwa ein Jahr für die Instandsetzung alter Leopard-2-Panzer brauche.

Briten wollen 14 Panzer in den nächsten Wochen liefern

Bei den Briten soll es schneller gehen. Sie wollen schon in den kommenden Wochen 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 in die Ukraine schicken. Der Zeitpunkt sei günstig, da Russland "wegen Versorgungsengpässen und schwindender Moral (seiner Truppen) in die Defensive geraten ist", hieß es am Samstagabend in einer Erklärung der Regierung in London. Premierminister Rishi Sunak wolle deshalb "Verbündete ermutigen", ihre für 2023 geplante Unterstützung für die Ukraine "sobald wie möglich auf den Weg zu bringen, um maximale Wirkung zu erzielen".

Die britische Regierung will die Entscheidung also als Signal an die Verbündeten verstanden wissen. An diesem Freitag werden die Verteidigungsminister westlicher Staaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz über weitere militärische Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine beraten. Deutschland hat dabei eine Schlüsselrolle, weil die Leopard-2-Panzer in Deutschland produziert werden und die Weitergabe durch andere Länder von der Bundesregierung genehmigt werden muss. Das ist in der Regel in den Kaufverträgen so verankert.

Polen und Finnland wollen nachziehen - Scholz wartet auf USA

Während nur Großbritannien und der Oman den Challenger haben, verfügen 20 Staaten weltweit über den Leopard. Im Falle einer Lieferung dieses Typs, wäre die Versorgung der ukrainischen Panzertruppen mit Ersatzteilen und Munition deutlich leichter. Der Leopard-2-Panzer gilt als einer der besten Kampfpanzer weltweit, die Ukrainer wollen mit ihm gegnerischen Linien in dem zuletzt eher statischen Stellungskrieg durchbrechen.

Polen und Finnland haben sich schon bereiterklärt, im europäischen Verbund Leopard-Panzer zu liefern. Die Bundesregierung hat sich noch nicht dazu positioniert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will offensichtlich abwarten, wie sich die USA verhalten, die mit dem M1 Abrams einen schweren Kampfpanzer aus eigener Produktion haben. Deutschland hat maßgebliche Entscheidung über Waffenlieferungen bisher immer im Einvernehmen mit den Amerikanern getroffen.

Ukrainischer Botschafter: "Deutsche Waffen retten Leben"

Der ukrainische Botschafter machte im dpa-Interview deutlich, dass jedes weitere Zögern Menschenleben kosten könne. "Deutsche Waffen retten Leben", sagte Makeiev. "Deutsche Flugabwehrsysteme helfen uns, die Raketen abzufangen, und die deutschen Panzer werden uns helfen, Territorien zu befreien. Und die Gräueltaten, die dort russische Besatzungstruppen verüben, werden weniger."

Der Botschafter bekräftigte, dass die Ukraine diesen Krieg stellvertretend für alle ihre Verbündeten führe. "Es gibt dafür einen Begriff im Deutschen: Stellvertreterkrieg", sagte er. "Russland führt einen Krieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen Europa und die ganze zivilisierte, demokratische Welt. Und in diesem Krieg stehen die Ukrainer an der Front."

Rheinmetall: Leopard-Panzer werden "nicht nur neu lackiert"

Ob Deutschland die Leopard 2 selbst zügig liefern könnte, ist unklar. "Selbst wenn morgen die Entscheidung fällt, dass wir unsere Leopard-Panzer nach Kiew schicken dürfen, dauert die Lieferung bis Anfang nächsten Jahres", sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger der "Bild am Sonntag". Rheinmetall hat sich als einziges deutsches Unternehmen darauf spezialisiert, alte Leopard-2-Panzer instandzusetzen und zu modernisieren und sie dann weiterzuverkaufen.

Laut Papperger verfügt das Düsseldorfer Unternehmen über 22 Leopard 2 und über 88 Exemplare des älteren Modells Leopard 1. Die Reparatur der ausgemusterten Kampfpanzer dauere "ein knappes Jahr", sagte er. "Die Fahrzeuge werden nicht nur neu lackiert, sondern müssen für einen Kriegseinsatz umgebaut werden. Sie werden komplett auseinandergenommen und dann wieder neu aufgebaut." Die Panzer könne Rheinmetall nicht ohne Auftrag instandsetzen, da die Kosten bei mehreren Hundert Millionen Euro lägen. "Das kann Rheinmetall nicht vorfinanzieren", sagte Papperger.

29 Leopard-2-Panzer für Tschechien und die Slowakei

Das Unternehmen liefert nun zunächst einmal bis Ende 2023 insgesamt 29 Leopard-Panzer an Tschechien und die Slowakei im Zuge des sogenannten Ringtauschs. Die beiden Länder bekommen sie im Gegenzug dafür, dass sie T-72-Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgegeben haben.

Die Bundeswehr hat ihre Leopard-2-Panzer älterer Bauart bereits weitgehend abgegeben und verfügt selbst nur noch über gut 300 modernere Exemplare, die sie eigentlich selbst braucht. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wollte die Frage, ob es noch Kapazitäten für die Ukraine gibt, vergangene Woche bei einem Truppenbesuch nicht beantworten. "Es gibt keine Entscheidung in der Bundesregierung, Kampfpanzer abzugeben", sagte sie. "Deswegen stellt sich diese Frage darüberhinaus nicht."/mfi/DP/nas

Quelle: dpa-AFX