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Wie hoch ist die Inflation wirklich?

vom 08.10.2020, 14:49 Uhr
Leeway
26702 Leser

Wie sich die nachteilige Berechnung von Inflationsraten auf Privatpersonen auswirkt.

Das Thema Inflation wird seit Jahren heiß diskutiert und es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem wahrgenommenen und berechneten Anstieg der Verbraucherpreise. Wir erklären, wie diese Diskrepanz zustande kommt und welche Auswirkungen sie auf Privatpersonen haben kann.

Von: Leeway - Unkomplizierte Aktienanalysen

 

Trotz nie dagewesen lockerer Geldpolitik, dem stetigen Druck neuer Banknoten und nicht existenter Zinsen will die Inflation nicht in den Zielkorridor von 2 % kommen. Nicht einmal annähernd, denn sie bewegt sich durchschnittlich knapp oberhalb der 1 % Marke. So die offiziellen Zahlen, so die Verkündungen von Volkswirten, Politikern und Notenbanken. Und so die Begründung für immer neue Rettungs-, Subventions- und Stabilisierungspaketen sowie der endlosen Vergrößerung des im Umlauf befindlichen Geldes.

Graphik: Statista

Laut offizieller Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Inflation in den letzten 10 Jahren bei durchschnittlich 1,3 % pro Jahr. Daraus folgt eine Inflation, also ein Preisanstieg, von 14,1 % seit 2010 (Quelle: Länderdaten). Diese offiziellen Zahlen weichen stark von der subjektiv wahrgenommenen Inflationsrate ab. Liegt der Grund für diese Diskrepanz also bei der Berechnung oder der Wahrnehmung der Preisänderung?

Was wir vom Dönerpreisindex über die Inflation lernen können

Für Inflationsbeobachtungen lässt sich beispielsweise der proprietäre Dönerpreisindex in Berlin verwenden. Der Dönerpreis in Berlin bildet die Kosten für Lebensmittel gut ab, da er eine breite Auswahl an typischen Lebensmitteln wie Brot, Fleisch, Milch-/Eiprodukten und Salat enthält. Außerdem muss sich der Preis aufgrund der starken Konkurrenz eng an die Preisentwicklung der Rohstoffe anpassen. Vor 10 Jahren kostete ein Döner typischerweise 3 €, heute sind es 4,50 €. Das ist ein Anstieg von 50 %. Natürlich handelt es sich hier nur um einen kleinen Ausschnitt aus dem Warenkorb des Verbraucherpreisindexes, aber die Diskrepanz zwischen 14 % und rund 50 % ist doch auffallend hoch. Interessanterweise deckt sich die Zahl jedoch recht gut mit der durchschnittlich wahrgenommenen Inflationsrate von 5 % jährlich, was rund 63 % in den letzten 10 Jahren bedeuten würde.

Graphik: Süddeutsche

Wie die "hedonische Preisbereinigung" die Inflation drückt

Die Antwort liegt in der "hedonisch Preisbereinigung" des Verbraucherpreisindexes (siehe Länderdaten). Eine hedonische Bewertungsmethode bezieht den inneren und äußeren Wert eines Gegenstandes mit ein (siehe Wikipedia). Einfach ausgedrückt bedeutet das, wenn ein Produkt in gleichem Maße besser wird, wie es teurer wird, so spiegelt sich im Preisindex keine Änderung wider. Ein Beispiel: Ein Neuwagen hat 1999 im Durchschnitt 18.500 € gekostet, 2019 lag der Durchschnittspreis bei 34.000 €. Der Preis hat sich innerhalb von 20 Jahren fast verdoppelt. In den Preisindex ist aber nur eine Preissteigerung von 22 % eingeflossen, denn Autos haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert (Quelle: Süddeutsche).

Jetzt wird deutlich, warum seit Jahren hauptsächlich Lebensmittel und Dienstleistungen im Preis steigen, denn die werden kaum besser. Für alles andere wird die natürliche Verbesserung der Produkte (bessere Computer, bessere Wohnbedingungen, bessere Autos, etc.), die man logischerweise im Sinne des technologischen und gesellschaftlichen Fortschritts erwartet, heimlich, still und leise von der Preissteigerung und damit der Entwertung unseres Geldes und unseres Einkommens, abgezogen. Die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen wird besonders darin deutlich, das Verschlechterungen von Produkten keine Auswirkungen im Sinne der hedonischen Berechnung haben. Kürzere Lebensdauer, höhere Wartungskosten, das ist nicht relevant. Nicht nur wird durch die künstlich niedrigen Inflationsraten die lockere Geldpolitik legitimiert, an den offiziellen Inflationszahlen hängt auch die Höhe von Sozialleistungen und insbesondere Renten.

Auswirkungen der fehlerhaften Preisberechnung

Ein Gedankenexperiment kann die Auswirkungen dieser Berechnungen deutlich machen. Angenommen wir erleben einen starken technischen Fortschritt und die Leistungsfähigkeit von Computern steigt um einen Faktor von 1.000. Neue Apps und Programme werden entwickelt, die unser Leben durchdringen. Wir steuern damit unsere Wohnungen, Autos und Wege im öffentlichen Personennahverkehr. Mit einem Haken: Das Handy mit der Minimalausstattung, die Voraussetzung wird, um uneingeschränkt an diesem Leben teilhaben zu können, kostet nun anstatt von 100 € auf einmal 100.000 €. Im Verbraucherpreisindex wird aber eine Preissteigerung von 0 % ausgewiesen, die davon ausgeht, dass die Qualität des Geräts sich ebenfalls um den Faktor 1.000 gesteigert habe. Folglich fehlt nun die Grundlage, beispielsweise Rentenzahlungen anzupassen. In der Konsequenz wäre nun der durchschnittliche Rentner nicht in der Lage, 100.000 € für ein Handy aufzubringen und könnte nur begrenzt am öffentlichen Leben teilnehmen.

Die Preisbereinigung sollte in vielen Fällen überdacht werden

Eine hedonische Berechnung von Preisen macht in allen Bereichen, in denen Verbraucher fortlaufend bessere Produkte benötigen, keinen Sinn. So müssen wir gerade im Bereich Elektronik regelmäßig in neuere Produkte investieren, um steigenden Anforderungen in Bezug auf Datenverarbeitung, Speicherplatz und ähnlichem gerecht zu werden. Eine Produktpalette bewegt sich natürlicherweise zwischen einer akzeptablen Minimalanforderung und einer Luxusversion. Eine Preisanpassung kann bei Verschiebungen innerhalb dieser Grenzen Sinn ergeben, wenn sich das Durchschnittsprodukt in die Luxusrichtung bewegt. Diese Anpassung muss dann aber auch eine Verschiebung des Durchschnittes in die Basisrichtung berücksichtigen. Eine Anpassung auf Basis der Annahme, dass die heutige Minimalanforderung "besser" als die Frühere ist, führt zu fehlerhaften Berechnungen, die schwerwiegende Auswirkungen gerade für kapitalschwächere Privatpersonen mit sich bringen.

 

Autor: Lars Wißler, PWP Leeway, Geschäftsführer und Chefanalyst

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