Conditional Value at Risk (CVaR) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Abwärtsrisiko Nächster Begriff: Expected Shortfall (ES)

Eine leistungsfähigere Risikokennzahl als der traditionelle Value at Risk, da sie nicht nur eine Verlustschwelle definiert, sondern auch die durchschnittlichen Verluste in Extremszenarien berücksichtigt

Der Conditional Value at Risk (CVaR), auch als Expected Shortfall (ES) bezeichnet, ist eine erweiterte Risikokennzahl, die über den herkömmlichen Value at Risk (VaR) hinausgeht. Während der VaR lediglich die Verlustschwelle angibt, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird, betrachtet der CVaR den durchschnittlichen Verlust, der in den schlimmsten Fällen auftritt, also in den Fällen, in denen der VaR überschritten wird. Dadurch bietet der CVaR eine genauere Einschätzung des Extremrisikos und wird häufig im Risikomanagement von Banken, Versicherungen und institutionellen Investoren verwendet.

Definition und Bedeutung

Der Conditional Value at Risk gibt den erwarteten Durchschnittsverlust an, der auftritt, wenn der Verlust über den durch den VaR bestimmten Schwellenwert hinausgeht. Er wird insbesondere für die Analyse von tail risk (Extremrisiken) genutzt und gilt als zuverlässigere Risikokennzahl als der traditionelle Value at Risk.

Mathematisch kann der CVaR als bedingter Erwartungswert der Verluste definiert werden, gegeben dass die Verluste den VaR überschreiten:

CVaRα=E[LL>VaRα] CVaR_\alpha = E[L | L > VaR_\alpha]

wobei:

  • L L die Verlustverteilung darstellt,
  • VaRα VaR_\alpha der Value at Risk für das Konfidenzniveau α\alpha ist,
  • E[LL>VaRα] E[L | L > VaR_\alpha] der erwartete Verlust über dieser Schwelle ist.

Während der VaR nur einen einzelnen Schwellenwert angibt, berücksichtigt der CVaR die gesamte Verlustverteilung jenseits dieses Wertes und gibt damit eine realistischere Einschätzung des maximal möglichen Schadens.

Unterschiede zwischen VaR und CVaR

Kennzahl Bedeutung
Value at Risk (VaR) Gibt den maximalen Verlust an, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.
Conditional Value at Risk (CVaR) Gibt den durchschnittlichen Verlust an, wenn der VaR überschritten wird. Berücksichtigt Extremrisiken besser.

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht den Unterschied:
Angenommen, ein Portfolio hat einen 1-Tages-VaR von 1 Million € bei einem 95 % Konfidenzniveau. Das bedeutet, dass in 5 % der Fälle der Verlust diese 1 Million € überschreiten kann, aber es wird nicht angegeben, wie hoch die Verluste in diesen 5 % der Fälle tatsächlich sein können.

Nimmt man nun an, dass in diesen 5 % der Fälle die tatsächlichen Verluste durchschnittlich 1,5 Millionen € betragen, dann wäre der CVaR = 1,5 Millionen €. Dies zeigt, dass im Falle eines Extremverlusts die Verluste weit über dem ursprünglichen VaR liegen können.

Berechnungsmethoden des CVaR

Zur Berechnung des CVaR gibt es verschiedene Ansätze:

Methode Beschreibung
Historische Simulation Verwendet vergangene Marktbewegungen zur Bestimmung der Extremverluste. Der CVaR wird als Durchschnitt aller Verluste oberhalb des VaR berechnet.
Monte-Carlo-Simulation Simuliert eine Vielzahl möglicher zukünftiger Marktbewegungen und berechnet die extremsten Verluste.
Analytische Methode (Varianz-Kovarianz-Ansatz) Geht von einer Normalverteilung der Renditen aus und berechnet den CVaR durch eine mathematische Erweiterung des VaR-Modells.

Die Monte-Carlo-Methode wird häufig in der Praxis verwendet, da sie komplexe Zusammenhänge zwischen Anlageklassen und nicht-normalverteilte Risiken besser abbilden kann.

Vorteile des CVaR gegenüber dem VaR

Der CVaR wird in der Finanzpraxis zunehmend bevorzugt, da er gegenüber dem traditionellen Value at Risk mehrere Vorteile bietet:

  • Berücksichtigt Extremrisiken: Während der VaR nur eine Schwelle angibt, berücksichtigt der CVaR die gesamte Verlustverteilung darüber hinaus.
  • Gibt realistischere Verlustszenarien an: Insbesondere in Krisenzeiten kann der VaR die tatsächlichen Risiken unterschätzen.
  • Kohärentes Risikomaß: Der CVaR erfüllt mathematische Kriterien der Subadditivität, was bedeutet, dass er für die Bewertung von diversifizierten Portfolios zuverlässiger ist als der VaR.
  • Regulatorische Relevanz: Der CVaR wird zunehmend von Finanzaufsichtsbehörden als bessere Alternative zum VaR anerkannt, z. B. in den Basel-III-Richtlinien für Banken.

Anwendung des CVaR im Risikomanagement

Der CVaR wird in verschiedenen Bereichen des Finanzwesens eingesetzt:

  1. Banken und Finanzinstitute:

    • Wird zur Berechnung des notwendigen Eigenkapitals zur Absicherung von Risiken verwendet.
    • Hilft bei der Risikosteuerung von Handels- und Kreditportfolios.
  2. Portfolio-Management:

    • Wird genutzt, um Strategien zu optimieren, indem Portfolios mit geringem Extremrisiko bevorzugt werden.
    • Institutionelle Anleger setzen den CVaR ein, um Tail-Risiken (Risiken aus Extremereignissen) zu identifizieren.
  3. Versicherungen:

    • Verwendung im Asset-Liability-Management, um Kapitalreserven für mögliche Extremverluste einzuplanen.
  4. Hedgefonds:

    • Zur Quantifizierung von Risiken in hochvolatilen Strategien, die auf Derivate und Hebelprodukte setzen.

Beispiel für die Berechnung des CVaR

Angenommen, ein Fondsmanager analysiert ein Portfolio mit einem 95 % VaR von 2 Millionen €. Die Extremverluste (die schlechtesten 5 % der Renditen) liegen im Durchschnitt bei 3 Millionen €.

Dann beträgt der CVaR (Expected Shortfall) = 3 Millionen €.

Das bedeutet: Falls die Verluste tatsächlich größer als 2 Millionen € ausfallen, wird der durchschnittliche Verlust in diesen Fällen 3 Millionen € betragen.

Fazit

Der Conditional Value at Risk (CVaR) ist eine leistungsfähigere Risikokennzahl als der traditionelle Value at Risk, da er nicht nur eine Verlustschwelle definiert, sondern auch die durchschnittlichen Verluste in Extremszenarien berücksichtigt. Er wird zunehmend im Risikomanagement von Banken, Versicherungen und Investmentfonds eingesetzt und gilt als verlässlicheres Maß für das tatsächliche Verlustrisiko. Aufgrund seiner Fähigkeit, Tail-Risiken besser abzubilden, wird der CVaR von vielen Finanzaufsichtsbehörden als bevorzugte Risikokennzahl angesehen.