Cum-Ex-Geschäfte Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte Nächster Begriff: Cum-Cum-Geschäfte
Ein Begriff, der für einen der größten Steuerbetrugsfälle der europäischen Geschichte steht
Cum-Ex-Geschäfte sind eine Form des Steuerbetrugs, bei der sich Banken, Fonds und Investoren die Kapitalertragsteuer auf Dividenden mehrfach erstatten ließen, obwohl diese nur einmal gezahlt wurde. Durch eine komplexe Struktur aus Aktienverkäufen und -rückkäufen rund um den Ex-Dividende-Tag wurde der deutsche Staat über Jahre hinweg um Milliardenbeträge betrogen.
Cum-Ex-Geschäfte wurden zwischen den 1990er Jahren und 2012 durchgeführt, bevor sie durch eine Gesetzesänderung gestoppt wurden. Dennoch beschäftigt der Skandal bis heute Gerichte, Parlamente und die Finanzwelt.
Funktionsweise der Cum-Ex-Geschäfte
Das Cum-Ex-Modell basiert auf einer gezielten Ausnutzung der Abwicklung von Wertpapiergeschäften rund um den Ex-Dividende-Tag – den Tag, an dem eine Aktie ohne Anspruch auf Dividende gehandelt wird.
Ablauf eines Cum-Ex-Geschäfts
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Aktienhandel vor dem Ex-Dividende-Tag („Cum“ – mit Dividendenanspruch)
- Ein Investor hält eine Aktie mit Dividendenanspruch.
- Diese Aktie wird an einen anderen Investor verkauft, mit dem Versprechen, sie nach der Dividendenzahlung zurückzukaufen.
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Kreislaufhandel um den Ex-Dividende-Tag
- Durch einen schnellen Leerverkauf (Verkauf von Aktien, die nicht im Besitz des Verkäufers sind) wird die Aktie weitergereicht.
- Weil sich die Aktie zwischen mehreren Investoren bewegt, ist unklar, wem sie am Dividendenstichtag tatsächlich gehört.
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Mehrfache Ausstellung von Steuerbescheinigungen
- Da Banken nicht unterscheiden konnten, ob eine Aktie „echt“ oder durch einen Leerverkauf entstanden war, stellten sie mehrere Steuerbescheinigungen für die Kapitalertragsteuer aus, obwohl die Steuer nur einmal gezahlt wurde.
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Mehrfache Erstattung der Steuer
- Die Investoren reichten die Steuerbescheinigungen bei den Finanzbehörden ein und erhielten mehrere Erstattungen für eine Steuer, die nur einmal gezahlt wurde.
Beispiel für ein Cum-Ex-Geschäft
- Investor A hält 1.000 Aktien eines deutschen Unternehmens und erhält eine Dividende von 10.000 € (abzüglich 2.500 € Kapitalertragsteuer).
- Kurz vor dem Ex-Dividende-Tag verkauft A die Aktie an Investor B mit Rückkaufvereinbarung.
- B verkauft dieselbe Aktie (durch Leerverkauf) an Investor C.
- Am Ende haben sowohl A als auch B Steuerbescheinigungen über die gezahlte Kapitalertragsteuer, obwohl die Steuer nur einmal abgeführt wurde.
- Beide beantragen die Erstattung – der Staat zahlt 5.000 €, obwohl nur 2.500 € Steuer gezahlt wurden.
Warum war Cum-Ex möglich?
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Mangelnde Kontrolle durch Behörden und Banken
- Finanzämter konnten die mehrfache Steuererstattung nicht erkennen, da jede Bank ihre eigenen Steuerbescheinigungen ausstellte.
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Fehlende Transparenz in Wertpapiergeschäften
- Durch Leerverkäufe und Hochfrequenzhandel war nicht klar, wem eine Aktie zu welchem Zeitpunkt gehörte.
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Steuerliche Lücken im deutschen Recht
- Bis 2012 war es möglich, dass auch Leerverkäufer eine Steuerbescheinigung erhielten, obwohl sie die Steuer nie gezahlt hatten.
Finanzieller Schaden durch Cum-Ex-Geschäfte
Laut Schätzungen führten Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland zu einem Steuerausfall von über 30 Milliarden Euro. Auch in anderen europäischen Ländern, darunter Dänemark, Frankreich und Belgien, wurden ähnliche Modelle genutzt.
- Deutschland: >30 Mrd. €
- Dänemark: ~2 Mrd. €
- Frankreich: ~1,5 Mrd. €
- Belgien: ~200 Mio. €
Rechtliche Konsequenzen und Aufarbeitung
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Gesetzesänderung 2012
- Der deutsche Gesetzgeber schloss die Steuerlücke, indem nur noch der tatsächliche Aktionär eine Steuererstattung beantragen darf.
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Gerichtsverfahren und Urteile
- 2021 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH), dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung einzustufen sind.
- Mehrere Bankmanager, Investoren und Berater wurden verurteilt.
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Rückforderung der illegal erstatteten Steuern
- Finanzbehörden fordern nun Milliardenbeträge von Banken und Investoren zurück.
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Politische und internationale Zusammenarbeit
- Cum-Ex führte zu einer besseren Kooperation zwischen Steuerbehörden in Europa.
- Neue EU-Richtlinien zur Transparenz im Wertpapierhandel wurden eingeführt.
Unterschied zwischen Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäften
Merkmal | Cum-Ex-Geschäfte | Cum-Cum-Geschäfte |
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Ziel | Mehrfache Steuererstattung | Vermeidung der Quellensteuer |
Hauptakteure | Banken, Fonds, Hedgefonds | Ausländische Investoren, Banken |
Steuerschaden | 30 Milliarden Euro (Deutschland) | Mehrere Milliarden Euro pro Jahr |
Legalität | Illegal (Steuerbetrug) | Legale, aber umstrittene Steuervermeidung |
Regulierung | Seit 2012 verboten | Seit 2016 stark eingeschränkt |
Bedeutung für den Finanzmarkt
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Vertrauensverlust in das Finanzsystem
- Der Cum-Ex-Skandal zeigte, wie Banken, Anwälte und Investoren aktiv Steuerbetrug betrieben, was das Vertrauen in den Finanzsektor stark beeinträchtigte.
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Schärfere Steuerkontrollen
- Nach 2012 wurden neue Gesetze eingeführt, um ähnliche Betrugsmodelle zu verhindern.
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Internationale Kooperation gegen Steuerhinterziehung
- Länder arbeiten enger zusammen, um grenzüberschreitenden Steuerbetrug frühzeitig zu erkennen.
Fazit
Cum-Ex-Geschäfte gehören zu den größten Steuerbetrugsfällen der europäischen Geschichte. Durch die mehrfache Erstattung von Kapitalertragsteuer, die nur einmal gezahlt wurde, verloren Staaten Milliardenbeträge.
Nach der gesetzlichen Schließung der Steuerlücke im Jahr 2012 und zahlreichen Gerichtsverfahren gegen Banken und Investoren wurden Cum-Ex-Deals als kriminelles Geschäftsmodell entlarvt.
Die Aufarbeitung des Skandals dauert bis heute an und hat dazu geführt, dass internationale Steuerregeln verschärft und die Transparenz im Finanzsektor verbessert wurden.