Double Volume Cap (DVC) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Alternative Trading System (ATS) Nächster Begriff: Xetra T7

Eine Regulierung in der EU, die das Handelsvolumen in Dark Pools auf einen doppelten Prozentsatz des Gesamtvolumens begrenzt, um Transparenz und Fairness im Wertpapierhandel zu gewährleisten

Der Double Volume Cap (DVC) ist ein regulatorisches Instrument im europäischen Finanzmarktrecht, das im Rahmen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) eingeführt wurde. Ziel dieses Instruments ist es, den übermäßigen Handel außerhalb transparenter Märkte einzuschränken und dadurch die Preisbildung an den Finanzmärkten zu stärken. Der DVC stellt dabei eine Obergrenze für den Anteil des Handelsvolumens dar, der unter bestimmten Ausnahmeregelungen von den Vorhandelstransparenzpflichten durchgeführt werden darf, insbesondere bei sogenannten Dark Pools.

Dark Pools sind Handelsplattformen, auf denen Orders nicht öffentlich einsehbar sind, bevor sie ausgeführt werden. Sie dienen vor allem institutionellen Anlegern, um große Orders auszuführen, ohne den Marktpreis durch die Sichtbarkeit der Transaktion negativ zu beeinflussen. Diese Intransparenz kann jedoch zu einer Fragmentierung der Liquidität führen und die Marktintegrität beeinträchtigen. Der DVC soll dem entgegenwirken, indem er die Nutzung solcher Plattformen begrenzt.

Rechtlicher Hintergrund und Zielsetzung

Die MiFID II und die ergänzende Verordnung MiFIR (Markets in Financial Instruments Regulation) wurden 2018 in Kraft gesetzt, um die Transparenz auf den europäischen Finanzmärkten zu erhöhen und einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Handel mit Finanzinstrumenten zu schaffen. Ein zentrales Anliegen war dabei, den sogenannten „Dark Trading“ zu regulieren – also den Handel, der außerhalb sichtbarer Orderbücher stattfindet.

Die Vorhandelstransparenzpflichten der MiFIR sehen vor, dass bei börsengehandelten Aktien, ETFs und ähnlichen Produkten Informationen über Kauf- und Verkaufsaufträge vor der Ausführung öffentlich gemacht werden müssen. In bestimmten Fällen sind Ausnahmen möglich, etwa bei der Nutzung des „Reference Price Waiver“ oder des „Negotiated Transaction Waiver“. Der DVC begrenzt nun die Nutzung dieser Ausnahmeregeln anhand festgelegter Schwellenwerte.

Funktionsweise des Double Volume Cap

Der Double Volume Cap basiert auf zwei Schwellenwerten, die sich auf den Handel mit einem bestimmten Finanzinstrument beziehen:

  1. Marktweiter Schwellenwert (4 %-Grenze): Für ein bestimmtes Finanzinstrument darf nicht mehr als 4 % des gesamten Handelsvolumens auf allen Handelsplätzen in der Europäischen Union unter Nutzung eines einzelnen Transparenzausnahmegrundes (z. B. Reference Price Waiver) innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten abgewickelt werden.

  2. Handelsplatzbezogener Schwellenwert (8 %-Grenze): Für denselben Ausnahmegrund darf ein einzelner Handelsplatz (z. B. ein MTF oder ein regulierter Markt) nicht mehr als 8 % des Handelsvolumens mit diesem Finanzinstrument innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums auf sich vereinen.

Wird eine dieser Grenzen überschritten, greift eine Handelsbeschränkung: Das betreffende Finanzinstrument darf für sechs Monate nicht mehr unter der jeweiligen Ausnahmeregelung auf dem betroffenen Handelsplatz bzw. europaweit gehandelt werden.

Erhebung und Veröffentlichung der Daten

Die Berechnung des DVC erfolgt zentral durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA). Zu diesem Zweck sammeln die nationalen Aufsichtsbehörden sowie die Betreiber von Handelsplätzen Daten über das Handelsvolumen der einzelnen Finanzinstrumente, unterteilt nach Transparenzkategorien.

Die ESMA veröffentlicht monatlich eine Liste der Finanzinstrumente, bei denen einer oder beide Schwellenwerte überschritten wurden. Diese Veröffentlichung erfolgt jeweils am Anfang des Monats und gilt rückwirkend für den zwölfmonatigen Betrachtungszeitraum, der zwei Monate vor dem Veröffentlichungsdatum endet. Damit soll sichergestellt werden, dass die Daten vollständig sind und korrekt verarbeitet werden können.

Auswirkungen auf Marktteilnehmer

Für institutionelle Anleger, Broker und Betreiber von Handelsplattformen hat der DVC konkrete Auswirkungen auf ihre Handelsstrategien und die Nutzung von Dark Pools. Wenn ein bestimmtes Finanzinstrument durch die DVC-Regelung von der Nutzung eines Waivers ausgeschlossen ist, müssen Marktteilnehmer auf transparente Handelsplätze ausweichen, etwa den regulierten Markt oder lit order books (sichtbare Orderbücher).

Diese Umstellung kann zu höheren Markteinflüssen führen, da größere Orders im sichtbaren Markt schneller Preisveränderungen auslösen können. Zudem steigt unter Umständen das Ausführungsrisiko, insbesondere für illiquide Titel. Gleichzeitig unterstützt der DVC die Funktionsfähigkeit des Marktes, da er sicherstellt, dass ein Mindestmaß an Orderinformationen öffentlich verfügbar bleibt.

Für Betreiber von Handelsplattformen ergibt sich die Notwendigkeit, ihre Orderflows laufend zu analysieren und ggf. anzupassen, um eine Überschreitung der Schwellenwerte zu vermeiden. Einige Plattformen haben ihre Marktmodelle entsprechend angepasst oder zusätzliche transparente Handelsmechanismen eingeführt, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.

Kritik und Weiterentwicklung

Die Einführung des Double Volume Cap wurde von verschiedenen Seiten unterschiedlich bewertet. Befürworter sehen in der Maßnahme ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Markttransparenz und zur Förderung eines fairen Preisfindungsprozesses. Durch die Begrenzung von Dark Trading werde verhindert, dass zu große Marktanteile dem öffentlichen Blick entzogen werden.

Kritiker hingegen bemängeln die pauschale Anwendung der Schwellenwerte unabhängig von der Liquidität des gehandelten Instruments oder den Marktbedingungen. In wenig liquiden Märkten kann der DVC dazu führen, dass wichtige Handelsmöglichkeiten eingeschränkt werden, obwohl die Marktintegrität dadurch nicht zwangsläufig verbessert wird. Auch die Verzögerung bei der Datenveröffentlichung – zwei Monate nach dem betrachteten Zeitraum – wurde als problematisch angesehen, da sie die Reaktionsfähigkeit der Marktteilnehmer beeinträchtigt.

Im Zuge der Überprüfung der MiFID II und MiFIR-Regelwerke wurden auch Anpassungen am DVC diskutiert. Unter anderem wurde überlegt, die Schwellenwerte flexibler zu gestalten, bestimmte Marktsegmente von der Regelung auszunehmen oder die Berechnungsmethodik zu vereinfachen. Inzwischen wurden auch Ausnahmen für sogenannte „Systematische Internalisierer“ eingeführt, die bestimmte Orders intern abwickeln und unter bestimmten Bedingungen vom DVC ausgenommen sind.

Fazit

Der Double Volume Cap ist ein zentrales Instrument der europäischen Finanzmarktregulierung zur Begrenzung von intransparentem Handel. Durch die Festlegung klarer Schwellenwerte für den Anteil von Transaktionen unter Ausnahmeregelungen trägt der DVC zur Erhöhung der Vorhandelstransparenz bei und stärkt die Integrität der Preisbildung. Zugleich stellt die Regelung eine Herausforderung für Marktteilnehmer dar, die auf flexible Handelsstrategien angewiesen sind. Während die Grundidee des DVC breit anerkannt ist, besteht in der praktischen Umsetzung und Weiterentwicklung weiterhin Anpassungsbedarf, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Transparenz, Liquidität und Effizienz im Finanzmarkt zu gewährleisten.