Feindliche Übernahme Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Fehlbetrag Nächster Begriff: Feindliches Übernahmeangebot

Eine unfreundliche Akquisition eines Unternehmens, bei der der Erwerber direkt Aktionäre anspricht und Anteile erwirbt, obwohl der Vorstand des Zielunternehmens die Übernahme ablehnt oder bekämpft

Eine feindliche Übernahme ist eine Form des Unternehmenskaufs, bei dem ein Unternehmen (der Käufer oder „Bieter“) versucht, ein anderes börsennotiertes Unternehmen gegen den Willen oder ohne die Zustimmung dessen Managements zu erwerben. Dabei wird in der Regel versucht, durch ein öffentliches Übernahmeangebot die Kontrolle über eine Mehrheitsbeteiligung am Zielunternehmen zu erlangen, ohne zuvor eine Einigung mit dessen Vorstand oder Aufsichtsrat erzielt zu haben. Feindliche Übernahmen sind besonders im angelsächsischen Wirtschaftsraum verbreitet, treten jedoch auch in anderen Ländern – abhängig von den jeweiligen gesetzlichen Rahmenbedingungen – auf.

Charakteristika und Abgrenzung

Die Bezeichnung „feindlich“ bezieht sich nicht auf die rechtliche oder ethische Bewertung der Übernahme, sondern auf die Haltung des Managements des Zielunternehmens. Feindlich ist eine Übernahme demnach dann, wenn die Unternehmensleitung des Zielunternehmens die Transaktion ablehnt oder nicht unterstützt. Demgegenüber steht die freundliche Übernahme, bei der Vorstand und Aufsichtsrat des Zielunternehmens dem Angebot zustimmen und es den Aktionären zur Annahme empfehlen.

Feindliche Übernahmen erfolgen in der Regel durch eines oder mehrere der folgenden Vorgehen:

  1. Öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre (sogenannte Tender Offer): Der Bieter bietet den Aktionären einen Kaufpreis für ihre Aktien, der meist über dem aktuellen Börsenkurs liegt, um eine ausreichende Beteiligung zu erreichen.

  2. Aufkauf von Aktien über die Börse (Creeping Takeover): Der Bieter erwirbt sukzessive Anteile an dem Unternehmen, oft ohne unmittelbare Offenlegung eines Übernahmeziels.

  3. Proxy-Fight (Stimmrechtskampf): Der Bieter versucht, die Kontrolle über das Unternehmen durch Einflussnahme auf die Hauptversammlung zu gewinnen, etwa durch die Wahl eigener Vertreter in den Aufsichtsrat.

Beweggründe für feindliche Übernahmen

Feindliche Übernahmen werden von Kaufinteressenten aus unterschiedlichen strategischen, finanziellen oder operativen Gründen angestrebt. Dazu zählen unter anderem:

  • Erwartete Synergieeffekte: Der Bieter geht davon aus, durch die Übernahme Kosten senken oder Erlöse steigern zu können, etwa durch den Abbau von Doppelstrukturen oder den Zugang zu neuen Märkten.

  • Unterbewertung des Zielunternehmens: Der Kaufinteressent hält das Zielunternehmen für am Markt unterbewertet und erwartet eine Wertsteigerung nach der Übernahme.

  • Restrukturierungspotenzial: Der Bieter glaubt, das Unternehmen effizienter führen zu können als das bestehende Management.

  • Strategische Ergänzungen: Der Zukauf soll zur Erweiterung des Produktportfolios, der geografischen Präsenz oder der Kundenbasis dienen.

Abwehrmaßnahmen des Zielunternehmens

Da eine feindliche Übernahme gegen den Willen des Managements erfolgt, versuchen viele betroffene Unternehmen, sich mit Abwehrstrategien zu schützen. Diese Maßnahmen können vor oder während eines Übernahmeversuchs zum Einsatz kommen und lassen sich grob in präventive und reaktive Instrumente unterteilen:

  1. Stimmrechtsbeschränkungen: Die Satzung des Unternehmens kann so gestaltet sein, dass große Aktionäre nicht proportional zur Höhe ihrer Beteiligung Einfluss nehmen können.

  2. Vorzugsaktien mit Mehrfachstimmrechten: Durch die Emission solcher Aktien kann die Kontrolle bei langjährigen Eigentümern verbleiben.

  3. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme: Eine breite Streuung der Aktien auf loyale Mitarbeiter kann eine Übernahme erschweren.

  4. „Giftpillen“ (Poison Pills): Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die eine Übernahme für den Bieter wirtschaftlich unattraktiv machen, etwa durch automatische Kapitalerhöhungen oder die Ausgabe von Wandelanleihen an bestehende Aktionäre.

  5. Weiße Ritter (White Knights): Das Management des Zielunternehmens sucht einen alternativen, freundlich gesinnten Käufer, der ein Gegenangebot unterbreitet.

  6. Aktienrückkäufe: Das Zielunternehmen kauft eigene Aktien zurück, um den Einfluss des Bieters zu reduzieren oder den Aktienkurs zu stabilisieren.

  7. Verschmelzungen oder Kooperationen mit Dritten: Durch Fusionen mit anderen Unternehmen wird die Struktur komplexer und schwerer angreifbar.

Rechtliche Rahmenbedingungen

In Deutschland regelt das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) die wesentlichen Abläufe und Anforderungen bei öffentlichen Übernahmeangeboten. Das Gesetz verpflichtet den Bieter zur Veröffentlichung eines Angebots, sobald die Schwelle von 30 % der Stimmrechte überschritten wird. Zudem sieht das Gesetz Informationspflichten, Fristen und Gleichbehandlung aller Aktionäre vor.

Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern (z. B. den USA) sind in Deutschland viele aggressive Abwehrstrategien rechtlich eingeschränkt. Das sogenannte Neutralitätsgebot (§ 33 WpÜG) verpflichtet den Vorstand des Zielunternehmens in der Angebotsphase, keine Maßnahmen zu ergreifen, die den Erfolg des Angebots vereiteln könnten – es sei denn, die Hauptversammlung stimmt diesen ausdrücklich zu.

Die rechtliche Zulässigkeit feindlicher Übernahmen wird somit stark vom jeweiligen nationalen Rechtssystem beeinflusst. Während in den USA ein breiteres Spektrum an Verteidigungsstrategien zulässig ist, unterliegen europäische Unternehmen in vielen Fällen strengeren Regeln, die dem Schutz der Aktionärsinteressen Vorrang geben.

Ökonomische und gesellschaftliche Bewertung

Feindliche Übernahmen sind in der Fachliteratur und Öffentlichkeit umstritten. Befürworter argumentieren, dass sie zur Effizienzsteigerung in der Unternehmensführung beitragen, da schlecht geführte oder unterbewertete Unternehmen leichter übernommen und saniert werden können. Die potenzielle Bedrohung durch Übernahmen zwinge das Management, im Sinne der Aktionäre zu handeln.

Kritiker hingegen warnen vor den negativen Folgen:

  • Kurzfristige Gewinnorientierung: Der Fokus auf Aktienkurse kann langfristige Investitionen und nachhaltige Strategien behindern.

  • Arbeitsplatzverluste: Restrukturierungen nach Übernahmen führen häufig zu Stellenabbau.

  • Kulturelle Konflikte: Bei feindlichen Übernahmen besteht ein erhöhtes Risiko, dass Unternehmenswerte, -kulturen und -strukturen nicht harmonieren.

  • Gefahr spekulativer Interessen: Finanzinvestoren könnten Unternehmen lediglich übernehmen, um Teile davon mit Gewinn zu veräußern, ohne echtes Interesse an nachhaltiger Entwicklung.

Die Bewertung feindlicher Übernahmen hängt somit stark vom Einzelfall ab und davon, ob strategische, operative oder rein finanzielle Motive im Vordergrund stehen.

Fazit

Die feindliche Übernahme ist ein marktwirtschaftliches Instrument, das es Investoren ermöglicht, Kontrolle über Unternehmen auch gegen den Willen des Managements zu erlangen. Sie berührt grundlegende Fragen der Unternehmensführung, des Eigentumsschutzes und der Marktmechanismen. Während sie unter bestimmten Umständen Effizienzpotenziale freisetzen kann, birgt sie gleichzeitig erhebliche Risiken für Stabilität, Arbeitsplätze und langfristige Unternehmensstrategien. Rechtliche Rahmenbedingungen und Abwehrmaßnahmen bestimmen maßgeblich, ob und wie feindliche Übernahmen stattfinden. Ihre Auswirkungen auf Zielunternehmen, Kapitalmärkte und die Gesellschaft müssen stets differenziert betrachtet werden.