Gauge-Governance Börsenlexikon Vorheriger Begriff: 3pool (DAI/USDC/USDT) Nächster Begriff: Gauge-Voting

Gauge-Governance ist ein zentrales Element im Governance-System von Curve Finance und beschreibt den Mechanismus, durch den entschieden wird, welche Liquiditätspools auf Curve wie viele CRV-Emissionen erhalten. Dieser Mechanismus basiert auf dem veCRV-Modell (vote-escrowed CRV) und bestimmt maßgeblich die ökonomische Dynamik, die Allokation von Anreizen und die strategische Positionierung von Projekten innerhalb des Curve-Ökosystems. Die Gauge-Governance hat sich zu einem eigenständigen, wettbewerbsintensiven System entwickelt, das unter dem Begriff „Curve Wars“ in der DeFi-Welt bekannt ist.

Grundlagen: Was ist ein Gauge?

Ein Gauge ist eine strukturelle Komponente innerhalb von Curve, die einem bestimmten Pool zugeordnet wird und definiert, ob und wie viele CRV-Token dieser Pool im Rahmen der täglichen Protokollinflation zugeteilt bekommt. Nur Pools mit einem aktiven Gauge können an der CRV-Emission (Liquidity Mining) teilnehmen.

Ein Gauge:

• Verbindet einen Curve-Pool mit dem CRV-Emissionensystem

• Ermöglicht es veCRV-Inhabern, Stimmrechte auf die Zuweisung der CRV-Emissionen auszuüben

• Steuert die Verteilung von Anreizen basierend auf Governance-Entscheidungen

Technische und Governance-Struktur

Die Curve DAO entscheidet, welche Pools einen Gauge erhalten. Ein solcher Beschluss erfolgt in der Regel durch eine formale Abstimmung über einen Governance Proposal (CIP – Curve Improvement Proposal). Wird der Vorschlag angenommen, wird der Gauge im Smart-Contract-System registriert und kann künftig in die Anreizverteilung einbezogen werden.

Nach Genehmigung durch die DAO kann der Pool im wöchentlichen Gauge-Voting-Prozess berücksichtigt werden.

Ablauf der Gauge-Governance

1. Stimmengewichtung durch veCRV

Nutzer, die ihre CRV-Token in veCRV umgewandelt haben, können einmal pro Woche über das Curve-Interface abstimmen, welche Pools (bzw. deren Gauges) welchen Anteil an den CRV-Emissionen erhalten sollen.

• Das Stimmengewicht ist proportional zur Menge und Dauer des veCRV-Lockings

• Jede Woche können neue Stimmen gesetzt oder bestehende neu gewichtet werden

• Stimmen sind zeitlich wirksam und bleiben aktiv, bis sie geändert werden

2. Emissionen nach Stimmenanteil

Die Gesamtheit der CRV-Emissionen pro Woche (z. B. 750 000 CRV täglich) wird entsprechend der Stimmenverteilung auf die Pools mit aktiven Gauges aufgeteilt.

Beispiel:
Ein Pool erhält 10 % der Stimmen → 10 % der CRV-Emissionen dieser Woche fließen an diesen Pool → LPs in diesem Pool erhalten anteilig CRV-Token.

3. Boosted Rewards

veCRV-Inhaber, die selbst Liquidität in einen Gauge-Pool einzahlen, können durch das Boost-System ihre Belohnungen deutlich erhöhen – je nach Verhältnis von veCRV zu LP-Token bis auf das 2,5-fache.

Strategische Bedeutung der Gauge-Governance

Die Möglichkeit, durch Stimmabgabe die Kapitalflüsse im Curve-System zu steuern, hat weitreichende Konsequenzen:

1. Anreiz für Tokenprojekte:
   Neue Stablecoin-Projekte oder Derivatprotokolle können durch erfolgreiche Gauge-Zulassung und attraktive Gauge-Votes gezielt Liquidität anziehen.

2. Bribe-Ökonomie:
   Externe Projekte bieten Anreize (Bribes) an veCRV-Inhaber, damit diese für ihre Pools stimmen. Diese Bribes erfolgen z. B. über Plattformen wie Votium, Hidden Hand oder Paladin.

3. Liquiditätsbindung:
   Durch hohe CRV-Emissionen in bestimmten Pools werden LPs incentiviert, Kapital dort bereitzustellen – was zu gezielter Marktstrukturierung führt.

4. Machtkonzentration durch Aggregatoren:
   Protokolle wie Convex Finance bündeln veCRV-Stimmen ihrer Nutzer und beeinflussen die Gauge-Votes im großen Maßstab. Nutzer erhalten dafür cvxCRV, das liquid bleibt, während Convex die Stimmen treuhänderisch einsetzt.

Beispiel für eine Gauge-Voting-Periode

Die Höhe der Bribes kann dabei über dem realen Wert der erhaltenen CRV liegen – je nach Marktwert der Stimmen und strategischer Bedeutung für das Projekt.

Vorteile des Gauge-Systems

• Dynamische Kapitallenkung: Liquidity Mining wird nicht fix verteilt, sondern über Community-Entscheidungen gesteuert.

• Langfristigkeit wird belohnt: Nur durch Locking in veCRV entsteht Stimmgewicht – das schafft Anreize zur Kapitalbindung.

• Effiziente Allokation: Pools mit echter Nachfrage erhalten mehr Emissionen, wodurch reale Nutzung belohnt wird.

• Offener Zugang: Jedes Protokoll kann einen Gauge beantragen, wenn die Community zustimmt.

Herausforderungen und Kritikpunkte

• Machtkonzentration durch Convex & Co: Große Aggregatoren dominieren weite Teile der Stimmen.

• Stimmenkauf durch Bribes: Governance wird faktisch ökonomisch motiviert, was politisch und systemisch ambivalent ist.

• Komplexität für Neueinsteiger: Das System erfordert technisches und strategisches Verständnis, um effektiv teilzunehmen.

• Wettbewerbsverzerrung: Gut finanzierte Projekte können sich Stimmen „erkaufen“, während kleinere Projekte schwer Zugang zu Emissionen finden.

Interaktion mit anderen Ökosystemen

Die Gauge-Governance ist auch außerhalb von Curve richtungsweisend geworden. Ähnliche Modelle finden sich bei:

• Balancer (veBAL)

• Velodrome (veVELO)

• Solidly (veSOLID)

• Dopex (veDPX, geplant)

• Pendle (vePENDLE)

Diese Protokolle nutzen die Idee, dass Liquiditätsanreize durch Stimmvergabe verteilt werden, wodurch Governance ein aktives Steuerungsinstrument für Marktliquidität wird.

Fazit

Die Gauge-Governance von Curve ist ein hochgradig dezentraler, ökonomisch motivierter Steuerungsmechanismus, der bestimmt, wo im Protokoll Liquidität entsteht und Kapitalflüsse gelenkt werden. Durch die Kopplung von Stimmgewicht an langfristige Kapitalbindung (veCRV) und die Möglichkeit, Stimmrechte durch Bribes zu vergüten, hat sich ein dynamischer, kompetitiver Markt für Governance-Macht entwickelt. Das System ist technisch komplex, aber hocheffizient und ermöglicht es der Curve-Community, Liquiditätsanreize flexibel, strategisch und marktnah zu steuern – ein Prinzip, das inzwischen zum Vorbild für zahlreiche weitere DeFi-Protokolle geworden ist.