Gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LRG) Nächster Begriff: Esisuisse Einlagensicherung

Ein innovatives geldpolitisches Instrument, das darauf abzielt, die Kreditvergabe an die Realwirtschaft gezielt zu fördern

Gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTROs) sind ein geldpolitisches Instrument der Europäischen Zentralbank (EZB), das Geschäftsbanken langfristige Liquidität bereitstellt, um die Kreditvergabe an die Realwirtschaft gezielt zu fördern. TLTROs sind eine Weiterentwicklung der klassischen längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (LRG) und wurden insbesondere nach der Finanzkrise 2008 sowie während der Corona-Pandemie eingesetzt, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen.

Funktionsweise von TLTROs

TLTROs ermöglichen es Geschäftsbanken, sich bei der EZB für mehrere Jahre Zentralbankgeld zu besonders günstigen Konditionen zu leihen. Der zentrale Unterschied zu klassischen Refinanzierungsgeschäften besteht darin, dass die Zinssätze und die Höhe der bereitgestellten Liquidität an die Kreditvergabe der Banken gekoppelt sind. Banken, die ihre Kredite an Unternehmen und Verbraucher (außer Immobilienfinanzierungen) ausweiten, erhalten bessere Finanzierungskonditionen.

Der Ablauf eines TLTRO-Programms kann folgendermaßen beschrieben werden:

  1. Ankündigung durch die EZB: Die EZB legt die Bedingungen des Programms fest, darunter Laufzeit, Zinssätze und Kreditvergabekriterien.
  2. Teilnahme der Geschäftsbanken: Banken beantragen Liquidität in Abhängigkeit von ihrem Kreditvolumen an die Realwirtschaft.
  3. Zinsvergünstigungen: Je mehr Kredite eine Bank vergibt, desto günstiger wird der Zinssatz, zu dem sie sich refinanzieren kann.
  4. Rückzahlung: Nach Ablauf der Laufzeit müssen die Banken die erhaltenen Mittel an die EZB zurückzahlen.

Zielsetzung der TLTROs

Das Hauptziel der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte ist es, die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte zu stärken, insbesondere in wirtschaftlich schwachen Phasen. Die konkreten Ziele sind:

  • Ankurbelung der Kreditvergabe: Banken werden motiviert, mehr Kredite an Unternehmen und private Haushalte zu vergeben, anstatt das Geld in Finanzmärkte oder Staatsanleihen zu investieren.
  • Förderung des Wirtschaftswachstums: Durch eine erhöhte Kreditvergabe steigen Investitionen und Konsum, was das Wirtschaftswachstum unterstützt.
  • Verhinderung einer Kreditklemme: In Krisenzeiten sollen Banken weiterhin Kredite bereitstellen, um wirtschaftliche Schäden zu minimieren.
  • Geldpolitische Transmission: Die niedrigen Refinanzierungskosten für Banken sollen sich in Form günstiger Kreditzinsen auf die gesamte Wirtschaft auswirken.

Unterschied zwischen TLTROs und klassischen LRG

Während klassische längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LRG) allein der Liquiditätsversorgung der Banken dienen, verfolgen TLTROs ein gezieltes wirtschaftspolitisches Ziel.

Merkmal TLTROs Klassische LRG
Zielsetzung Förderung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft Bereitstellung langfristiger Liquidität für Banken
Zinsstruktur Abhängig von der Kreditvergabe der Banken Fester oder variabler Zinssatz
Teilnahmebedingungen Banken müssen Kredite an Unternehmen und Haushalte ausweiten Keine spezifischen Kreditvorgaben
Einfluss auf die Wirtschaft Direkte Förderung von Investitionen und Konsum Allgemeine Unterstützung der Finanzmarktstabilität

TLTRO-Programme der EZB

Die EZB hat seit 2014 mehrere TLTRO-Programme aufgelegt:

  1. TLTRO I (2014 – 2016):

    • Ziel war es, Banken zur Kreditvergabe zu motivieren und die Wirtschaft der Eurozone nach der Finanzkrise zu stabilisieren.
    • Laufzeit: Bis zu 4 Jahre.
    • Zinssatz: Günstiger als der Hauptrefinanzierungssatz, wenn Banken ihre Kreditvergabe ausweiteten.
  2. TLTRO II (2016 – 2018):

    • Anpassung der Konditionen, um Banken noch stärker zur Kreditvergabe zu bewegen.
    • Zinssätze wurden weiter gesenkt und konnten bis auf den Einlagenzinssatz der EZB fallen.
  3. TLTRO III (2019 – 2024):

    • Einführung zur Unterstützung der Wirtschaft vor und während der Corona-Pandemie.
    • Zinssätze erreichten in einigen Phasen negative Werte, d. h. Banken erhielten Geld von der EZB, wenn sie Kredite vergaben.

Auswirkungen und Erfolg der TLTROs

Die TLTRO-Programme hatten weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft:

Positive Effekte:

  • Banken vergaben mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte, wodurch Investitionen und Konsum gestärkt wurden.
  • Die Zinssätze für Kredite sanken, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen.
  • Die Transmission der Geldpolitik wurde verbessert, da die Banken günstige Finanzierungen direkt an die Realwirtschaft weitergaben.

Herausforderungen und Kritik:

  • Einige Banken nutzten die günstige Refinanzierung nicht zur Kreditvergabe, sondern investierten in Anleihen oder hielten Liquidität.
  • Die Abhängigkeit der Banken von Zentralbankgeld wurde verstärkt.
  • In Zeiten steigender Inflation (ab 2022) wurden die niedrigen TLTRO-Zinsen als problematisch betrachtet, da sie die geldpolitische Straffung erschwerten.

Zukunft von TLTROs

Mit steigender Inflation und einer restriktiveren Geldpolitik hat die EZB ab 2022 begonnen, die Bedingungen für TLTROs zu verschärfen. Es ist ungewiss, ob solche Programme in Zukunft wieder eingesetzt werden, aber in Krisenzeiten könnten gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte erneut eine wichtige Rolle spielen.

Fazit

Gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) sind ein innovatives geldpolitisches Instrument, das darauf abzielt, die Kreditvergabe an die Realwirtschaft gezielt zu fördern. Sie haben insbesondere nach der Finanzkrise und während der Corona-Pandemie dazu beigetragen, Liquidität bereitzustellen und das Wirtschaftswachstum zu stützen. Obwohl TLTROs viele Vorteile bieten, gibt es auch Risiken, insbesondere eine übermäßige Abhängigkeit der Banken von Zentralbankfinanzierungen. In der aktuellen Phase steigender Zinsen werden TLTROs zurückgefahren, doch sie bleiben ein wichtiges Instrument, das in zukünftigen Krisen erneut eingesetzt werden könnte.