Glass-Steagall Act (1933) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Emergency Banking Act (1933) Nächster Begriff: Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC)

Eine der bedeutendsten Reformen des Bankensystems in der US-Geschichte

Der Glass-Steagall Act ist eines der bedeutendsten Gesetze in der Geschichte des US-amerikanischen Bankensektors. Er wurde im Jahr 1933 als Teil der umfassenden Wirtschaftsreformen des New Deal verabschiedet und hatte das Ziel, die Ursachen der Bankenkrise zu bekämpfen, die zur Großen Depression führte. Das Gesetz war eine Reaktion auf die massiven Spekulationen und Fehlentwicklungen im Finanzsektor, die in den 1920er Jahren zu einer übermäßigen Verschuldung und schließlich zum Börsenkrach von 1929 führten.

Historischer Kontext

In den 1920er Jahren erlebte die US-Wirtschaft eine Phase des enormen Wachstums, begleitet von einer deregulierten Finanzbranche. Banken waren nicht nur traditionelle Kreditinstitute, sondern engagierten sich auch stark im Investmentbanking, indem sie spekulative Investitionen tätigten. Viele Banken verwendeten die Einlagen ihrer Kunden für risikoreiche Wertpapiergeschäfte, oft ohne deren Wissen oder Zustimmung.

Diese riskanten Praktiken trugen maßgeblich zum Börsenkrach von 1929 bei. In der Folge kam es zu einer massiven Bankenkrise:

  • Zahlreiche Banken wurden insolvent, weil sie große Summen in Aktienmärkte investiert hatten, die an Wert verloren.
  • Millionen von Amerikanern verloren ihre Ersparnisse, weil ihre Bankeinlagen nicht gesichert waren.
  • Unternehmen und Privatpersonen erhielten kaum noch Kredite, was die Wirtschaft weiter in die Krise stürzte.

Angesichts dieser katastrophalen Entwicklungen sah sich die US-Regierung unter Präsident Franklin D. Roosevelt gezwungen, strenge Regulierungen für das Bankwesen einzuführen. Der Glass-Steagall Act wurde als Teil des Banking Act von 1933 verabschiedet, um das Vertrauen der Bevölkerung in das Finanzsystem wiederherzustellen.

Inhalt des Glass-Steagall Act

Der Glass-Steagall Act bestand aus mehreren Schlüsselmaßnahmen, die das Bankensystem grundlegend veränderten.

1. Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken

Eine der wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes war die strikte Trennung zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanken:

  • Geschäftsbanken durften nur traditionelle Bankgeschäfte betreiben, also Einlagen entgegennehmen und Kredite vergeben.
  • Investmentbanken durften dagegen mit Wertpapieren handeln, aber keine Kundeneinlagen verwalten.

Diese Trennung sollte verhindern, dass Banken die Einlagen von Privatkunden für spekulative Investitionen nutzen und somit das Finanzsystem erneut gefährden.

2. Verbot des Eigenhandels mit Kundeneinlagen

Das Gesetz untersagte Banken, mit Kundeneinlagen eigene spekulative Geschäfte zu tätigen. Dadurch sollten Risiken für Einleger minimiert werden.

3. Einführung der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC)

Eine weitere bedeutende Neuerung war die Einführung der Einlagensicherung durch die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC).

  • Die FDIC garantierte Bankeinlagen bis zu einer bestimmten Höhe, sodass Kunden ihr Geld nicht verlieren würden, wenn eine Bank pleiteging.
  • Diese Maßnahme war entscheidend, um das Vertrauen der Bevölkerung in das Bankensystem wiederherzustellen und weitere Bank Runs zu verhindern.

4. Stärkere Regulierung des Bankensektors

  • Banken wurden strengeren Vorschriften unterworfen und mussten ihre Finanzpraktiken transparenter gestalten.
  • Die Federal Reserve erhielt mehr Befugnisse, um Banken zu überwachen und bei Fehlverhalten einzugreifen.

Auswirkungen des Gesetzes

Der Glass-Steagall Act hatte enorme Auswirkungen auf den US-amerikanischen Bankensektor und die Finanzwelt.

Kurzfristige Auswirkungen (1933–1940er Jahre)

  • Wiederherstellung des Vertrauens: Kunden fühlten sich sicherer, da ihre Einlagen geschützt waren.
  • Stabilisierung des Bankensystems: Die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken reduzierte riskante Spekulationen.
  • Erholung der Wirtschaft: Banken konnten wieder Kredite vergeben, was zu einem wirtschaftlichen Aufschwung beitrug.

Langfristige Auswirkungen (1940er–1990er Jahre)

  • Mehrere Jahrzehnte Finanzstabilität: Die US-Finanzbranche erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg eine weitgehend stabile Phase ohne größere Finanzkrisen.
  • Begrenzung der Marktkonzentration: Das Gesetz verhinderte die Entstehung riesiger Finanzkonglomerate, die sowohl Investment- als auch Geschäftsbankgeschäfte betrieben.

Abschaffung des Glass-Steagall Act

Ab den 1980er Jahren begann die Finanzindustrie, sich gegen die strengen Trennungsregelungen des Glass-Steagall Act zu wehren. Viele Banken argumentierten, dass die Vorschriften nicht mehr zeitgemäß seien und sie im globalen Wettbewerb benachteiligten.

Schrittweise wurden Teile des Gesetzes gelockert, bis es schließlich 1999 durch den Gramm-Leach-Bliley Act (GLBA) offiziell aufgehoben wurde. Diese Deregulierung führte dazu, dass sich viele Großbanken wieder sowohl im Geschäftsbanken- als auch im Investmentbanking-Bereich engagierten.

Kritische Betrachtung der Abschaffung

Nach der Aufhebung des Glass-Steagall Act konnten Banken wieder riskante Spekulationsgeschäfte tätigen. Dies trug mit dazu bei, dass die Finanzkrise von 2008 entstehen konnte:

  • Großbanken fusionierten zu Finanzgiganten, die als „too big to fail“ galten.
  • Risikoreiche Investitionen mit Kundengeldern wurden wieder zur Norm.
  • Die Subprime-Krise in den USA führte dazu, dass Banken mit riskanten Hypothekenpapieren handelten, was schließlich in einer globalen Finanzkrise endete.

Viele Experten sehen die Abschaffung des Glass-Steagall Act als einen der Hauptgründe für die Finanzkrise von 2008.

Fazit

Der Glass-Steagall Act von 1933 war eine der bedeutendsten Reformen des Bankensystems in der US-Geschichte. Durch die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, die Einführung der FDIC und strengere Regulierungen wurde das Vertrauen in den Finanzsektor wiederhergestellt und eine jahrzehntelange Phase der Stabilität geschaffen.

Die schrittweise Abschaffung des Gesetzes in den 1990er Jahren führte jedoch dazu, dass Banken wieder riskante Geschäftsmodelle entwickelten, was schließlich zur Finanzkrise von 2008 beitrug.

Heute wird in den USA und weltweit darüber diskutiert, ob eine Rückkehr zu den Prinzipien des Glass-Steagall Act sinnvoll wäre, um das Finanzsystem widerstandsfähiger gegenüber Krisen zu machen.