Historische Simulation Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Varianz Nächster Begriff: Große Depression (1929)
Eine bewährte Methode zur Schätzung des Value at Risk und zur Risikoanalyse, die eine einfache Umsetzung und realitätsnahe Ergebnisse bietet, jedoch den Nachteil hat, dass sie stark von der Vergangenheit abhängt
Die historische Simulation ist eine Methode zur Berechnung des Value at Risk (VaR) und anderer Risikomaße in der Finanzwelt. Sie basiert auf der Annahme, dass vergangene Marktbewegungen wertvolle Informationen über mögliche zukünftige Risiken liefern. Diese Methode wird insbesondere im Risikomanagement von Banken, Investmentfonds und Versicherungen eingesetzt, um Verluste innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls abzuschätzen.
Grundprinzip der historischen Simulation
Die historische Simulation analysiert vergangene Marktbewegungen, um Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Verluste zu bestimmen. Dabei wird kein theoretisches Modell verwendet, sondern direkt auf die tatsächlichen historischen Daten zurückgegriffen.
Das Verfahren läuft in mehreren Schritten ab:
- Sammlung historischer Preis- oder Renditedaten für die betrachteten Finanzinstrumente.
- Berechnung der täglichen oder periodischen Veränderungen der Portfolio-Werte.
- Sortierung der Renditen vom größten Gewinn bis zum größten Verlust.
- Auswahl eines bestimmten Quantils (z. B. 5 %-Perzentil), um den Value at Risk (VaR) zu bestimmen.
Falls beispielsweise ein Portfolio täglich analysiert wird und 1.000 historische Beobachtungen vorliegen, würde das 5 %-Perzentil der Verteilung den Verlust darstellen, der nur in 5 % der Fälle überschritten wird.
Beispiel für die Berechnung
Angenommen, ein Investor besitzt ein Portfolio mit historischen täglichen Renditen über 250 Handelstage. Die Renditen (in Prozent) der letzten fünf Tage seien:
| Tag | Rendite (%) |
|---|---|
| 1 | +1,2 |
| 2 | -0,5 |
| 3 | -1,8 |
| 4 | +0,7 |
| 5 | -2,3 |
Sortiert ergibt sich folgende Reihenfolge:
- +1,2 %, +0,7 %, -0,5 %, -1,8 %, -2,3 %
Das 5 %-Perzentil entspricht hier der zweitgrößten negativen Rendite, also -1,8 %. Falls das Portfolio einen Wert von 1 Million Euro hat, würde der VaR auf Basis der historischen Simulation für ein Konfidenzniveau von 95 % betragen:
\[ \text{VaR} = 1.000.000 \times (-1,8\%) = -18.000 \text{ Euro} \]
Das bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % der maximale Verlust eines Tages 18.000 Euro nicht übersteigen wird.
Vorteile der historischen Simulation
- Einfache Anwendung: Da keine komplizierten statistischen Modelle benötigt werden, ist die historische Simulation leicht verständlich und umsetzbar.
- Realitätsnahe Ergebnisse: Da sie auf tatsächlichen Marktdaten basiert, werden reale Marktbewegungen direkt berücksichtigt.
- Keine Modellannahmen: Im Gegensatz zu parametrischen Methoden wie der Varianz-Kovarianz-Methode setzt sie keine Annahmen über die Verteilung der Renditen voraus.
Nachteile und Herausforderungen
- Vergangenheitsabhängigkeit: Die Methode geht davon aus, dass sich vergangene Marktbewegungen in der Zukunft wiederholen. Dies kann in volatilen Märkten problematisch sein.
- Fehlende Extremereignisse: Falls in den betrachteten historischen Daten keine extremen Marktbewegungen aufgetreten sind, werden diese auch nicht in der Simulation erfasst (z. B. Finanzkrisen).
- Geringe Flexibilität: Die Methode berücksichtigt keine Veränderungen in der Marktstruktur oder externe Schocks.
Vergleich mit anderen Risikomodellen
| Methode | Annahmen über Verteilung? | Einfache Umsetzung? | Berücksichtigt Extremereignisse? |
|---|---|---|---|
| Historische Simulation | Nein | Ja | Nur, wenn sie in den Daten enthalten sind |
| Varianz-Kovarianz-Methode | Ja (Normalverteilung) | Ja | Nein |
| Monte-Carlo-Simulation | Nein | Nein | Ja |
Fazit
Die historische Simulation ist eine bewährte Methode zur Schätzung des Value at Risk und zur Risikoanalyse. Sie bietet eine einfache Umsetzung und realitätsnahe Ergebnisse, hat jedoch den Nachteil, dass sie stark von der Vergangenheit abhängt. In Kombination mit anderen Methoden wie der Monte-Carlo-Simulation oder Stress-Tests kann sie jedoch ein wertvolles Werkzeug im Risikomanagement sein.