Importierte Inflation Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Implizite Volatilität Nächster Begriff: In-Arrears-Floater
Eine Erhöhung des Preisniveaus in einem Land, die durch steigende Kosten importierter Güter oder Rohstoffe verursacht wird, oft beeinflusst durch Wechselkursänderungen oder globale Marktpreise
Importierte Inflation bezeichnet einen Teilaspekt der allgemeinen Inflationsentwicklung in einem Land, bei dem Preissteigerungen im Inland durch Preiserhöhungen im Ausland ausgelöst werden. Diese Form der Inflation entsteht, wenn ein Land Güter oder Dienstleistungen aus dem Ausland bezieht und sich deren Preise erhöhen – sei es aufgrund steigender Produktionskosten, Wechselkursveränderungen oder politischer Faktoren in den Exportländern. Importierte Inflation wirkt somit nicht über eine binnenwirtschaftliche Übernachfrage oder Lohn-Preis-Spiralen, sondern über die Preisentwicklung im internationalen Handel.
Mechanismen der importierten Inflation
Importierte Inflation tritt insbesondere in Volkswirtschaften auf, die stark vom Außenhandel abhängig sind. Ihre Entstehung lässt sich im Wesentlichen durch zwei Mechanismen erklären:
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Preissteigerungen bei importierten Vorleistungen und Konsumgütern: Wenn Preise für im Ausland produzierte Waren oder Dienstleistungen steigen, werden diese Preissteigerungen durch den Import in das Inland „übertragen“. Dies betrifft insbesondere Rohstoffe wie Öl, Gas, Metalle oder Agrarprodukte, aber auch Fertigerzeugnisse und Vorleistungen für die inländische Produktion.
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Wechselkursveränderungen: Eine Abwertung der inländischen Währung verteuert Importe, auch wenn sich die Preise im Ursprungsland nicht verändert haben. Umgekehrt kann eine Aufwertung der heimischen Währung inflationsdämpfend wirken, da Importe günstiger werden. Der Wechselkurs spielt somit eine zentrale Rolle bei der Transmission internationaler Preisniveaus.
Ein einfaches Beispiel verdeutlicht den Effekt: Wenn ein Staat Rohöl aus dem Ausland importiert und dessen Weltmarktpreis in US-Dollar steigt, während die inländische Währung gegenüber dem Dollar gleichzeitig an Wert verliert, verteuert sich der Ölimport doppelt – sowohl wegen des höheren Preises als auch wegen des ungünstigen Wechselkurses. Die daraus resultierenden höheren Energiekosten schlagen sich in den Preisen vieler anderer Güter nieder, was einen breiten inflationären Druck erzeugen kann.
Bedeutung für die Volkswirtschaft
Die importierte Inflation hat sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft. Direkt betroffen sind zunächst die Preise importierter Güter. In zweiter Linie steigen aber auch die Preise inländischer Güter, die auf importierten Vorleistungen beruhen, oder wenn Unternehmen die gestiegenen Importpreise auf Endkunden umlegen. Zudem kann importierte Inflation indirekt eine Reaktion der Lohnpolitik oder der Geldpolitik auslösen, was die Wirkung auf die Gesamtinflation zusätzlich verstärkt.
Ein besonders sensibler Bereich ist dabei die Energieversorgung. In vielen Volkswirtschaften macht der Import fossiler Energieträger einen erheblichen Teil des Außenhandelsvolumens aus. Preissprünge auf den Energiemärkten wirken sich daher oft schnell und breitflächig auf das inländische Preisniveau aus.
Rolle der Geldpolitik
Importierte Inflation stellt für Zentralbanken eine besondere Herausforderung dar. Die klassische geldpolitische Logik sieht vor, dass Zentralbanken die Inflation durch Zinserhöhungen bekämpfen, die über höhere Finanzierungskosten die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen. Bei importierter Inflation funktioniert dieser Mechanismus nur eingeschränkt, da die Ursachen exogen – also außerhalb der Binnenwirtschaft – liegen.
Eine geldpolitische Straffung kann in diesem Fall zwar die inländische Nachfrage senken, aber die importierten Preisimpulse nicht unmittelbar beeinflussen. Zudem besteht das Risiko, dass geldpolitische Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung eine ohnehin schwache Konjunktur weiter belasten, ohne die eigentlichen Ursachen der Inflation zu beseitigen.
Dennoch kann eine geldpolitische Reaktion geboten sein, wenn sich abzeichnet, dass die importierte Inflation auf die Binnenwirtschaft übergreift – etwa durch Zweitrundeneffekte wie steigende Löhne oder Preisanpassungen in anderen Sektoren.
Historische Beispiele
Ein klassisches Beispiel für importierte Inflation ist die Ölpreiskrise der 1970er-Jahre. Die drastischen Preissteigerungen für Erdöl, ausgelöst durch politische Konflikte und Förderkürzungen der OPEC-Staaten, führten in vielen Industrieländern zu einem sprunghaften Anstieg der Energiepreise und lösten eine langanhaltende Inflationswelle aus. Diese wurde nicht durch eine übermäßige inländische Nachfrage, sondern durch externe Schocks verursacht – ein typischer Fall importierter Inflation.
Auch in jüngerer Vergangenheit, etwa im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Jahr 2022, kam es zu erheblichen Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln, die sich schnell auf die gesamte Wirtschaft übertrugen. Die importierten Preisschocks verstärkten die Inflationsraten in Europa und anderen Regionen deutlich.
Einfluss des Wechselkurses
Der Wechselkurs ist ein zentraler Verstärker oder Dämpfer importierter Inflation. Ein stabiler oder aufwertender Wechselkurs kann importierte Inflation abmildern, da er den Anstieg ausländischer Preise relativiert. Umgekehrt führt eine Abwertung der eigenen Währung dazu, dass ausländische Güter teurer werden – auch dann, wenn deren Preise im Ursprungsland konstant bleiben.
Die geldpolitische Steuerung des Wechselkurses kann daher ein indirektes Mittel zur Bekämpfung importierter Inflation sein. Allerdings ist der Einfluss nationaler Notenbanken auf den Wechselkurs begrenzt, insbesondere in einem Umfeld freier Kapitalströme und flexibler Wechselkurse.
Ein zusätzlicher Faktor ist die Währungsstruktur der Handelsbeziehungen. Länder, deren Importe stark in Fremdwährung fakturiert sind (z. B. US-Dollar bei Rohöl), sind besonders anfällig für wechselkursbedingte Inflationseffekte.
Abgrenzung zu anderen Inflationsarten
Importierte Inflation ist eine von mehreren Inflationsursachen. Sie ist abzugrenzen von:
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Nachfrageinduzierter Inflation: entsteht durch eine übermäßige gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Inland.
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Kosteninduzierter Inflation: basiert auf steigenden Produktionskosten, z. B. durch Lohnerhöhungen oder teurere Rohstoffe, die auch im Inland entstehen können.
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Struktureller Inflation: ergibt sich aus langfristigen strukturellen Entwicklungen, etwa Demografie oder Marktverzerrungen.
Importierte Inflation unterscheidet sich insofern, als sie nicht aus dem nationalen Wirtschaftskreislauf heraus entsteht, sondern durch internationale Einflüsse – insbesondere Preisentwicklungen im Ausland und Wechselkursbewegungen – in die Binnenwirtschaft „eingeschleppt“ wird.
Maßnahmen zur Begrenzung importierter Inflation
Die Möglichkeiten eines Landes, importierte Inflation zu begrenzen, sind begrenzt, da die Ursachen meist außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegen. Dennoch existieren einige wirtschaftspolitische Maßnahmen:
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Diversifikation der Handelsbeziehungen: Eine breite Streuung der Importquellen kann das Risiko mindern, durch Preisschocks einzelner Länder besonders stark getroffen zu werden.
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Währungsreserven und -stabilität: Eine stabile nationale Währung oder gezielte Devisenmarktinterventionen können den Wechselkurseinfluss abfedern.
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Substitution durch heimische Produktion: Die Förderung einheimischer Produktionskapazitäten, etwa bei Energie oder Nahrungsmitteln, kann langfristig die Importabhängigkeit verringern.
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Vertragliche Preisbindung: Langfristige Lieferverträge mit fixierten Preisen können kurzfristige Preissprünge glätten, bergen aber eigene Risiken bei fallenden Weltmarktpreisen.
Fazit
Importierte Inflation ist ein exogener Preisdruck, der durch internationale Preisentwicklungen oder Wechselkursveränderungen ausgelöst wird. Sie betrifft insbesondere rohstoffimportierende Länder und kann erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Preisniveau haben. Ihre Bekämpfung ist schwieriger als bei binnenwirtschaftlich verursachter Inflation, da viele ihrer Ursachen außerhalb der Kontrolle nationaler Wirtschaftspolitik liegen. Dennoch ist das Verständnis importierter Inflation essenziell, um geld- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zielgerichtet zu gestalten und makroökonomische Risiken einzuschätzen.