Liquidity Coverage Ratio (LCR) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Net Stable Funding Ratio (NSFR) Nächster Begriff: Capital Requirements Regulation (CRR)
Ein zentrales Element der Bankenregulierung, das dazu dient, kurzfristige Liquiditätsrisiken zu minimieren
Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) ist eine regulatorische Kennzahl, die von der Basel-III-Regulierung eingeführt wurde, um die kurzfristige Liquidität von Banken sicherzustellen. Sie verpflichtet Banken, jederzeit über genügend liquide Mittel zu verfügen, um innerhalb eines 30-tägigen Stressszenarios ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Ziel der LCR ist es, das Risiko von Liquiditätsengpässen zu minimieren und die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen.
Hintergrund und Entwicklung der LCR
Die globale Finanzkrise 2008 zeigte, dass viele Banken zu stark von kurzfristigen Finanzierungsquellen abhängig waren. Als die Märkte in Panik gerieten und Investoren Gelder abzogen, gerieten zahlreiche Banken in Liquiditätsprobleme.
Um ähnliche Krisen künftig zu vermeiden, entwickelte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) im Rahmen von Basel III zwei zentrale Liquiditätskennzahlen:
- Liquidity Coverage Ratio (LCR) – Kurzfristige Liquidität für 30 Tage
- Net Stable Funding Ratio (NSFR) – Langfristige Finanzierungsstabilität
Die LCR wurde 2013 veröffentlicht und sollte bis 2018 weltweit eingeführt sein. In der Europäischen Union erfolgte die verbindliche Umsetzung mit der Capital Requirements Regulation (CRR II), die seit 2021 gilt.
Zielsetzung der LCR
Die LCR verfolgt mehrere zentrale Ziele:
- Erhöhung der Liquiditätsreserven von Banken: Banken müssen ausreichend liquide Mittel vorhalten, um Finanzierungsengpässe zu überstehen.
- Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Bankensystems: Stärkere Liquiditätsvorschriften reduzieren das Risiko von Bankenkrisen.
- Vermeidung von Marktstörungen: Banken sollen in Stressphasen nicht auf Notverkäufe von Vermögenswerten angewiesen sein, um Liquidität zu generieren.
- Schutz der Realwirtschaft: Durch die Vermeidung von Liquiditätskrisen soll die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte stabil gehalten werden.
Berechnung der LCR
Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) berechnet sich als das Verhältnis von hochliquiden Aktiva zu Netto-Liquiditätsabflüssen in einem simulierten 30-tägigen Stressszenario:
\[ \text{LCR} = \frac{\text{Hochliquide Aktiva (HQLA)}}{\text{Netto-Liquiditätsabflüsse über 30 Tage}} \geq 100\% \]
1. Hochliquide Aktiva (High-Quality Liquid Assets, HQLA)
Die HQLA-Komponente umfasst Vermögenswerte, die sich im Krisenfall schnell und ohne hohe Verluste zu Bargeld umwandeln lassen. Diese werden in zwei Kategorien eingeteilt:
| HQLA-Kategorie | Beispiele | Abschlag (Haircut) |
|---|---|---|
| Stufe-1-Aktiva | Zentralbankreserven, Bargeld, Staatsanleihen hoher Bonität | 0 % |
| Stufe-2A-Aktiva | Hochwertige Unternehmensanleihen, gedeckte Schuldverschreibungen (Pfandbriefe) | 15 % |
| Stufe-2B-Aktiva | Aktien, Unternehmensanleihen mit niedrigerem Rating | 25 % – 50 % |
2. Netto-Liquiditätsabflüsse
Die Netto-Liquiditätsabflüsse ergeben sich aus den erwarteten Mittelabflüssen in einer Stresssituation, abzüglich der erwarteten Mittelzuflüsse. Hierbei werden Abflüsse mit unterschiedlichen Faktoren bewertet:
| Verbindlichkeit | Abflussquote |
|---|---|
| Einlagen von Privatkunden | 3 % – 10 % |
| Unternehmens- und institutionelle Einlagen | 40 % – 100 % |
| Unbesicherte kurzfristige Marktfinanzierung | 100 % |
| Kredit- und Liquiditätslinien für Kunden | 10 % – 30 % |
Die Berechnung der LCR erfolgt täglich, und Banken müssen jederzeit eine LCR von mindestens 100 % aufrechterhalten.
Auswirkungen der LCR auf Banken
Die Einführung der Liquidity Coverage Ratio hatte erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von Banken:
-
Erhöhung der Liquiditätsreserven
- Banken müssen mehr hochliquide Vermögenswerte halten, was Kapital bindet und die Rentabilität reduziert.
-
Veränderung der Refinanzierungsstruktur
- Banken setzen verstärkt auf stabile Einlagen von Privatkunden, da diese eine geringere Abflussquote haben.
- Kurzfristige Marktfinanzierungen sind teurer geworden.
-
Höhere Kreditkosten
- Da Banken mehr liquide Mittel vorhalten müssen, können sie weniger Kredite vergeben oder müssen diese zu höheren Zinsen anbieten.
-
Anpassung der Geschäftsmodelle
- Einige Banken haben ihre Geschäftsstrategien angepasst, indem sie weniger stark auf kurzfristige Refinanzierungen setzen.
Herausforderungen und Kritik an der LCR
Trotz der positiven Auswirkungen auf die Finanzstabilität gibt es einige Herausforderungen und Kritikpunkte:
-
Höhere Kosten für Banken
- Die LCR zwingt Banken dazu, mehr liquide Mittel zu halten, was zu geringeren Renditen führt.
-
Geringere Kreditvergabe
- Banken könnten aufgrund der LCR weniger Kredite vergeben, insbesondere in Krisenzeiten.
-
Unterschiedliche Umsetzung weltweit
- Während Basel III ein globaler Standard ist, gibt es Unterschiede in der Umsetzung zwischen Regionen, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.
-
Beschränkte Wirksamkeit in extremen Krisen
- In sehr schweren Finanzkrisen könnten selbst hohe Liquiditätsreserven nicht ausreichen, um Banken vor Problemen zu schützen.
Internationale Umsetzung der LCR
Die LCR wurde in verschiedenen Ländern unterschiedlich umgesetzt:
| Region | Umsetzung der LCR |
|---|---|
| Europäische Union | Seit 2021 vollständig in der Capital Requirements Regulation (CRR II) verankert |
| USA | Umsetzung durch die Federal Reserve mit Anpassungen für große Banken |
| Schweiz | Volle Implementierung durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) |
| Asien | Unterschiedliche Implementierungen je nach Land |
Verhältnis von LCR und NSFR
Die LCR ist eng mit der Net Stable Funding Ratio (NSFR) verbunden. Während die LCR sicherstellt, dass Banken kurzfristige Liquiditätsengpässe überstehen können, zielt die NSFR darauf ab, langfristige Finanzierungsrisiken zu minimieren.
| Kennzahl | Fokus | Zeitraum |
|---|---|---|
| LCR | Kurzfristige Liquidität | 30 Tage |
| NSFR | Langfristige Finanzierungsstabilität | 1 Jahr |
Fazit
Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) ist ein zentrales Element der Bankenregulierung und dient dazu, kurzfristige Liquiditätsrisiken zu minimieren. Sie stellt sicher, dass Banken auch in 30-tägigen Stressszenarien zahlungsfähig bleiben und nicht auf Notverkäufe oder externe Hilfen angewiesen sind.
Trotz einiger Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf höhere Kosten und potenzielle Einschränkungen der Kreditvergabe, hat die LCR wesentlich zur Stärkung der Finanzstabilität beigetragen. Ihre weltweite Umsetzung macht sie zu einem entscheidenden Instrument, um das Bankensystem widerstandsfähiger gegenüber finanziellen Schocks zu machen.