Weiße Ritter (White Knights) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Nächster Begriff: Grauer Ritter (Gray Knight)
Ein freundlicher Dritter, der von der Zielgesellschaft eines feindlichen Übernahmeangebots eingeladen wird, um durch ein alternatives Angebot oder einen Aktienkauf die Kontrolle vor dem feindlichen Bieter zu schützen
Der Begriff „Weiße Ritter“ (englisch: White Knights) stammt ursprünglich aus der mittelalterlichen Literatur und wurde im modernen Sprachgebrauch auf die Welt der Unternehmensübernahmen übertragen. In diesem Kontext bezeichnet er eine dritte Partei, die einer bedrohten Zielgesellschaft im Rahmen einer feindlichen Übernahme zu Hilfe kommt, indem sie selbst ein alternatives, meist freundlicheres Übernahmeangebot unterbreitet oder in anderer Weise unterstützend eingreift. Der weiße Ritter wird dabei von der Unternehmensleitung der Zielgesellschaft als willkommenerer Partner angesehen als der ursprüngliche Bieter, dessen Übernahmeversuch als unerwünscht gilt.
Die Figur des weißen Ritters spielt eine zentrale Rolle in der Übernahmepraxis börsennotierter Unternehmen und ist Teil der sogenannten „Abwehrmaßnahmen“ gegen feindliche Übernahmen. Sie stellt eine spezifische Form der Reaktion dar, die von der Unternehmensleitung eingeleitet wird, um einen Kontrollwechsel im Interesse der Gesellschaft oder ihrer Stakeholder zu beeinflussen.
Ausgangslage und Motivation
Eine feindliche Übernahme liegt dann vor, wenn ein Erwerber eine Mehrheitsbeteiligung oder die Kontrolle über ein börsennotiertes Unternehmen erlangen möchte, ohne die Zustimmung der Unternehmensleitung zu besitzen. In solchen Fällen kann sich die Leitung der Zielgesellschaft strategisch gegen den ursprünglichen Bieter positionieren und Alternativen suchen, um die Übernahme abzuwenden oder in geordnetere Bahnen zu lenken.
Ein weißer Ritter bietet in dieser Situation eine Alternative: Er bringt ein konkurrierendes Angebot ein, das im Regelfall für die Aktionäre attraktiver ist oder bessere Konditionen für die künftige Unternehmensführung, die Mitarbeiter oder andere Interessenvertreter vorsieht. Die Zielgesellschaft kann dieses Angebot unterstützen, etwa durch offene Empfehlungen oder durch exklusive Verhandlungen mit dem weißen Ritter.
Charakteristika eines weißen Ritters
Typische Merkmale eines weißen Ritters in der Übernahmepraxis sind:
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Freundliche Haltung gegenüber dem Management:
Der weiße Ritter sucht nicht die Entmachtung des bestehenden Vorstands oder Aufsichtsrats, sondern strebt eine kooperative Übernahme oder Fusion an. -
Strategische Passfähigkeit:
Der weiße Ritter passt in der Regel besser zur Zielgesellschaft, etwa durch ähnliche Geschäftsmodelle, Unternehmenskulturen oder geografische Ausrichtungen. -
Akzeptanz bei Stakeholdern:
Neben der Unternehmensleitung genießen weiße Ritter oft auch die Unterstützung von Mitarbeitern, Betriebsräten, Kunden oder sogar staatlicher Stellen. -
Finanzielle Attraktivität:
Das konkurrierende Angebot des weißen Ritters ist meist höher oder langfristig vorteilhafter als das ursprüngliche Angebot des feindlichen Bieters.
Abgrenzung zu anderen Akteuren
Neben dem weißen Ritter gibt es weitere Rollenbezeichnungen im Kontext feindlicher Übernahmen:
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Schwarzer Ritter (Black Knight): Bezeichnung für den ursprünglichen, unerwünschten Bieter, dessen Übernahmeversuch als feindlich und potenziell schädlich für das Zielunternehmen angesehen wird.
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Grauer Ritter (Gray Knight): Ein Bieter, der zwischen dem schwarzen und dem weißen Ritter steht – also nicht ausdrücklich feindlich, aber auch nicht mit der Unternehmensführung abgestimmt.
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Weiße Squire (White Squire): Ein strategischer Investor, der eine Minderheitsbeteiligung an der Zielgesellschaft erwirbt, um den schwarzen Ritter zu blockieren, ohne selbst die Kontrolle zu übernehmen.
Diese Unterscheidungen dienen der Einordnung von Übernahmestrategien und verdeutlichen die komplexe Dynamik, die in öffentlichen Übernahmeprozessen entstehen kann.
Rechtlicher und regulatorischer Rahmen
In Deutschland unterliegt auch das Auftreten eines weißen Ritters den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG). Sofern der weiße Ritter ein öffentliches Angebot für Aktien einer börsennotierten Zielgesellschaft unterbreitet, muss dies formell angemeldet und in einer Angebotsunterlage detailliert dargelegt werden. Dabei gelten die gleichen Regeln wie für jeden anderen Bieter, insbesondere die Pflicht zur Gleichbehandlung aller Aktionäre sowie Offenlegungspflichten.
Besonderes Augenmerk liegt auf dem Neutralitätsgebot (§ 33 WpÜG), das der Leitung der Zielgesellschaft während der Angebotsphase nur eingeschränkte Handlungsspielräume einräumt. Maßnahmen zugunsten eines weißen Ritters sind nur dann zulässig, wenn sie entweder Teil der ordnungsgemäßen Geschäftsführung sind, bereits vor dem Angebot eingeleitet wurden oder durch einen Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit legitimiert wurden. Eine einseitige Bevorzugung des weißen Ritters ohne rechtliche Grundlage wäre demnach unzulässig.
Wirtschaftliche Bedeutung und strategische Überlegungen
Das Einschalten eines weißen Ritters kann für die Zielgesellschaft sowohl taktische als auch strategische Vorteile mit sich bringen. Es bietet der Unternehmensleitung einen Weg, auf ein feindliches Angebot zu reagieren, ohne sich vollständig der Kontrolle des ursprünglichen Bieters zu unterwerfen. Gleichzeitig erhöht es den Druck auf den schwarzen Ritter, sein Angebot zu verbessern oder strategisch umzudenken.
Für Aktionäre kann das Auftreten eines weißen Ritters zu einem Bieterwettbewerb führen, der sich positiv auf den Angebotspreis auswirkt. Jedoch ist dabei auch zu beachten, dass solche Wettbewerbe zu erheblichen Verzögerungen, Unsicherheit und erhöhter Volatilität führen können, was wiederum mit Risiken für den Aktienkurs und das operative Geschäft verbunden ist.
Aus Sicht des weißen Ritters ist der Einstieg in eine solche Situation oft mit komplexen Überlegungen verbunden: Die potenzielle Übernahme muss wirtschaftlich tragfähig sein, strategisch zum eigenen Portfolio passen und innerhalb eines engen zeitlichen und regulatorischen Rahmens realisiert werden können.
Fazit
Der Begriff „weißer Ritter“ beschreibt im Übernahmekontext eine strategisch motivierte, freundliche Alternative zu einem feindlichen Bieter. Ziel ist es, die Zielgesellschaft vor einer unerwünschten Übernahme zu schützen oder zumindest bessere Bedingungen für die Anteilseigner und Stakeholder zu schaffen. Obwohl der weiße Ritter rechtlich denselben Regeln unterliegt wie jeder andere Bieter, wird er von der Unternehmensleitung oft als bevorzugter Partner angesehen. Sein Eingreifen kann zu einem Bieterwettbewerb führen und so den Aktionären zusätzliche Optionen eröffnen. Gleichzeitig sind die rechtlichen Grenzen – insbesondere das Neutralitätsgebot – sorgfältig zu beachten, um die Integrität des Übernahmeprozesses zu wahren. Der weiße Ritter bleibt somit ein strategisch bedeutsames, aber auch komplexes Instrument im Rahmen moderner Unternehmensübernahmen.