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ROUNDUP/Wechsel an Bayer-Spitze: Aufspaltungsfantasien erhalten neue Nahrung 09.02.2023, 12:16 Uhr von dpa-AFX Jetzt kommentieren: 0

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LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer ersetzt den vor allem wegen des milliardenteuren Glyphosat-Rechtsstreits in den USA umstrittenen Chef Werner Baumann noch in diesem Sommer. Das Ruder übernehmen wird Anfang Juni der Ex-Pharmachef des schweizerischen Rivalen Roche , Bill Anderson (56). Bei Anlegern kommt die am Mittwoch kurz vor Börsenschluss mitgeteilte Personalie gut an, sie hoffen auf frischen Schwung, einige spekulieren auf eine Aufspaltung des Konzerns. Nach einem Kurssprung um sechs Prozent zur Wochenmitte ließ der Schwung bei Bayer-Aktien am Donnerstag allerdings nach.

Die Papiere stiegen am Vormittag bis auf 65,66 Euro, bevor der Kurs drehte. Zuletzt notierten sie ein halbes Prozent im Minus bei 62,19 Euro. Zum Vergleich: Vor dem ersten Glyphosat-Urteil gegen Bayer im August 2018 kosteten die Papiere gut 93 Euro. Das Minus seither: fast ein Drittel, und das, obwohl sich die Aktien 2022 gefangen und im noch jungen Börsenjahr 2023 schon kräftig zugelegt haben.

Markus Manns, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment, hält Anderson für eine sehr gute Wahl. Das "könnte der Befreiungsschlag sein, auf den Investoren gewartet haben." Er habe in den USA das nötige Netzwerk und das Know-how, um Bayer innovativer zu machen. Anderson werde wahrscheinlich von vielen Investoren einen Vertrauensvorschuss bekommen.

Baumann steht seit langem in der Kritik, die 2018 abgeschlossene Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto für 63 Milliarden Dollar hängt dem Manager nach. Mit dem Kauf hatten sich die Leverkusener teure Rechtsstreitigkeiten um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat ins Haus geholt. Die Bayer-Aktie befand sich über Jahre im Sinkflug. Im Jahr 2019 verweigerten die Aktionäre dem Vorstandschef auf der Hauptversammlung gar die Entlastung. Beim Thema Glyphosat hat sich die Lage mittlerweile zwar beruhigt, dafür rückte im vergangenen Jahr mit der Chemikalie PCB eine andere Altlast aus der Monsanto-Übernahme in den Fokus.

Seit Mitte vergangenen Jahres war dann klar, dass Baumann keine Verlängerung seines Vertrags anstrebt, der eigentlich noch bis ins Jahr 2024 laufen sollte. Schon länger Druck gemacht hatten langfristig orientierte strategische Investoren wie der singapurische Staatsfonds Temasek, der mit mehr als drei Prozent einer der größten Anteilseigner ist. Zuletzt mischten dann auch mehrere aktivistische angelsächsische Investoren wie der Fonds Inclusive Capital Partners von Jeff Ubben sowie Bluebell Capital mit.

Während es Inclusive Capital vor allem um einen externen Nachfolger für Baumann ging, drängt Bluebell laut einem Bloomberg-Bericht auf eine Aufspaltung des Konzerns. Der sehr kleine Fonds mit unbekannter Beteiligungshöhe an Bayer ist für ein aggressives Vorgehen bekannt. So wurde Bluebell 2021 trotz einer nur sehr kleinen Beteiligung am Lebensmittelkonzern Danone zum Sprachrohr vieler frustrierter Investoren, die den Rücktritt des damaligen Konzernchefs Emmanuel Faber forderten. Er musste schließlich den Hut nehmen.

Aufspaltungsbefürworter dürften jetzt positiv vermerken, dass mit Anderson ein ausgemachter Pharmaexperte die Führung unternimmt, der bei Roche in teils herausfordernden Zeiten viel Positives bewegt habe, sagte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research. Gleichzeitig betone Bayer aber auch, dass der neue Chef ein studierter Chemieingenieur sei, was wohl den Befürwortern einer unveränderten Konzernstruktur gefalle. Für alle Seiten positiv sei in jedem Fall, dass wohl schon bald Klarheit herrschen werde. Zechmann rechnet mit einem Strategieupdate unter neuer Führung gegen Ende des Jahres.

Analystin Emily Field von der britischen Barclays-Bank lobt die Wahl eines externen Nachfolgers als "riesigen Schritt" für eine positivere Wahrnehmung Bayers am Kapitalmarkt. Endlich habe der Aufsichtsrat auf den Willen der Anleger gehört. Anderson habe sich zudem in seiner Zeit bei Roche auch einen Namen als guter Kommunikator gemacht, was angesichts der komplexen Struktur von Bayer wichtig sei. Auch gebe es mit Blick auf Bayers Pipeline an Medikamentenkandidaten trotz jüngster Fortschritte und guter Studiendaten zum potenziellen Xarelto-Nachfolger Asundexian, einem Blutgerinnungshemmer, noch einiges zu tun.

Vor diesem Hintergrund äußert sich auch Keyur Parekh von der Investmentbank Goldman Sachs positiv. Während seiner Zeit bei Biogen, Genentech und Roche habe Anderson an der Entwicklung und dem Marktstart von 25 neuen Medikamenten, darunter 15 Blockbustern, mitgewirkt. Damit sind Arzneien mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar gemeint.

Mit Blick auf eine mögliche Aufspaltung des Konzerns stand zuletzt insbesondere die kleinste Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente im Fokus aktivistischer Investoren. Wohl auch, weil es zum Branchentrend passen würde: In den vergangenen Jahren hatte eine Reihe großer Pharmakonzerne ihre Geschäfte mit rezeptfreien Mitteln veräußert, so 2018 die Darmstädter Merck KGaA und erst im vergangenen Jahr hatte der britische Konzern GSK sein Consumer-Geschäft unter dem Namen Haleon an die Börse gebracht.

Wie Barclays-Analystin Field in einer Studie Ende Januar erklärte, ist diese Branche aktuell stark fragmentiert. Eine Konsolidierung würde also Sinn machen, auch wegen eines hohen Synergiepotenzials. Für das Consumer-Health-Geschäft von Bayer einen Käufer zu finden, würde allerdings angesichts eines potenziellen Preises von 20 bis 30 Milliarden Euro wohl schwer werden. Daher wäre ein Börsengang wohl wahrscheinlicher.

In ihrer aktuellen Bewertung von Bayer setzt Field für den Consumer-Bereich einen Wert von 18,5 Milliarden Euro an - inklusive Schulden. Den gesamten Bayer-Wert taxiert sie in der Summe der einzelnen Konzernteile auf gut 140 Milliarden Euro. Abzüglich Schulden ergibt sich damit in ihrer Berechnung ein Eigenkapitalwert von rund 107 Milliarden Euro. Zum Vergleich: An der Börse bringt es Bayer derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 61 Milliarden Euro. Allerdings sollten sich die Spekulationen jetzt nicht überstürzen, schrieb Field. "Ein Schritt nach dem anderen."/mis/ngu/jha

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