BERLIN (dpa-AFX) - Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Hans Vorländer, hält Reformen in der Asyl- und Migrationspolitik für dringend geboten. "Ich glaube, dass die Ampel-Regierung auch in der Migrationspolitik für Veränderungen sorgen muss, damit die Parteien, aus denen sie besteht, im nächsten Jahr nicht völlig unter die Räder kommen", sagte der Vorsitzende des unabhängigen Expertengremiums der Deutschen Presse-Agentur.

Umfragen im Umfeld der Landtagswahlen in Hessen und Bayern hätten gezeigt, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung einen Kurswechsel in der Migrationspolitik sowie eine Begrenzung der Zuwanderung erwarte. Das liegt laut Vorländer daran, dass die Kommunen über ihre Belastung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten klagen, sowie an einem politischen Diskurs, in dem bisweilen suggeriert werde, es gäbe einfache Lösungen, mit denen sich die Zahl der Schutzsuchenden stark reduzieren lasse.

Eine wichtige Stellschraube, an denen die Regierung von SPD, Grünen und FDP drehen müsse, um mehr Kontrolle in das Zuwanderungsgeschehen zu bringen, sei die angestrebte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese sieht für einen Teil der Schutzsuchenden Asylprüfungen an den EU-Außengrenzen und auch Rückführungen von dort vor. Der SVR-Vorsitzende warnte: "Wenn die GEAS-Reform vor der Europawahl nicht erreicht wird, dann ist ein weiteres Erstarken von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten in Europa zu erwarten."

Die AfD profiliere sich seit 2015 als "Antimigrationspartei" und sei

- wie alle rechtspopulistischen Parteien in Europa - Nutznießer der

aktuell wieder steigenden Asylbewerberzahlen. Gleichzeitig befeuere sie die Debatte und schüre Ängste in der Bevölkerung.

Die anderen Parteien dürften keine falschen Versprechungen machen, sagte Vorländer. "Die kurzfristige Ankündigungspolitik der einfachen Antworten ist Teil des Problems, weil sie Erwartungen weckt, die gar nicht erfüllt werden können."

Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland 233 744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die Bundesregierung müsse für schnellere Asylverfahren und eine effiziente Verwaltung sorgen, sagte der Migrationsexperte. Dass in Deutschland nur 18 Prozent der erwerbsfähigen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine arbeiteten, während etwa 70 Prozent von ihnen in den Niederlanden Jobs hätten, liege auch daran, dass es die Verwaltung den Flüchtlingen dort einfach mache./abc/DP/zb