Die Wahrscheinlichkeit einer beschleunigten Zulassung
Ich möchte im Folgenden exemplarisch auf eine Fragestellung von Artikel14 eingehen, die hier schon öfter auch als These in den Raum gestellt wurde. Nach der Veröffentlichung der Zwischendaten zur Phase II Studie von BNT111 durch BioNTech am 30.07.2024 stellte Artikel14 folgende Frage:
Artikel14, 30. Jul 21:56 Uhr:
"Wie seht ihr die Wahrscheinlichkeit, dass nach den jetzt vorliegenden Studiendaten der Phase 2 im Rahmen des bereits vor 2,5 genehmigten Fast-Track-Verfahrens die USA-FDA zeitnah eine vorläufige Zulassung für BNT111 erteilt? Die FDA hat die Erhebung der entsprechend benötigen Daten selbst unterstützt, die zur Beschleunigung notwendig sind. Es wäre nicht human und kaum begründbar, wenn die FDA den betroffenen Patienten eine erwiesenermaßen sichere und besser wirksame Therapie nun vorenthalten würde. Es geht um Patienten mit lebensbedrohlichen, schwer zu behandelnden Melanomen. Quelle: https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/biontech-erhaelt-fda-fast-track-status-fuer-fixvac-kandidaten/ Zitat: „Das Fast-Track-Verfahren soll die Entwicklung neuer Arzneimittel und Impfstoffe zur Behandlung oder Vorbeugung schwerwiegender Erkrankungen, die das Potenzial haben, einen ungedeckten medizinischen Bedarf zu decken, erleichtern und die Prüfung beschleunigen. Die Entscheidung der FDA basiert auf den verfügbaren präklinischen und klinischen Daten zu BNT111. Diese Daten belegen das Potenzial von BNT111, die derzeitigen Einschränkungen bei der Behandlung von inoperablen, therapieresistenten Melanomen im fortgeschrittenen Stadium zu überwinden. Durch den Fast-Track-Status kann die weitere Entwicklung von BNT111 von einer verstärkten Zusammenarbeit mit der FDA profitieren. Diese wird die Erhebung der entsprechend benötigen Daten unterstützen, die zur Beschleunigung der Entwicklung von BNT111 erforderlich sind.“ Warum sollte mit dem Fast-Track eine Zulassung innerhalb 2024 und innerhalb weniger Wochen nicht möglich sein? Gibt es aus der Historie positive und negative Beispiele dafür? „Die Behandlung wurde gut vertragen…“ „Die Studie hat ihren primären Endpunkt zur Untersuchung der Wirksamkeit erreicht. Dabei wurde eine statistisch signifikante Verbesserung der Gesamtansprechrate bei Patientinnen und Patienten gezeigt…“ Quelle: https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/biontech-gibt-erste-positive-ergebnisse-aus-laufender-phase-2 Biontech wird der Aufsichtsbehörde bezüglich der Zulassung keinesfalls irgendwie vorgreifen, aber ich denke der Ball liegt bereits im Feld der FDA. Auch EMA und NHS könnten die Daten zeitnah erhalten haben und vielleicht sogar schneller sein (wollen)?"
Wie wahrscheinlich ist nun eine solche Zulassung innerhalb weniger Wochen nach dem Daten-Update von BioNTech?
Bis eine Therapie die Marktreife und damit die entscheidende Stufe der Kommerzialisierung erlangt, sind verschiedene Studienphasen zu durchlaufen.
Phase I
Ziel der Phase I Studien ist es, Informationen zu Verträglichkeit, Unbedenklichkeit und Pharmakodynamik (Wirkungsweise) der Therapie zu gewinnen. Zumeist werden hierfür gesunde, freiwillige Probanden akquiriert. Dies gilt aber nicht für Studien in der Onkologie, da hier auch erkrankte Probanden einbezogen werden können.
Phase II
Ziel der Phase I Studien ist es erste Informationen über die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Dosis-Wirkungs-Beziehung zu gewinnen. Diese Studienphasen sind mit bis zu 500 Probanden deutlich größer angelegt.
Phase III
Ziel der Phase III Studien ist es Daten zur Wirksamkeit im Alltag, Verträglichkeit und Sicherheit sowie möglichen Wechselwirkungen in einer größeren Grundgesamtheit zu generieren. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Vergleichsstudien mit bereits zugelassenen Therapien.
Die Datenveröffentlichung am 30.07.2024 betrifft eine laufende Phase II Studie für den FixVac-Plattform-Kandidaten BNT111. In der Onkologie benötigen neue Therapieansätze im Durchschnitt zwischen 10 bis 15 Jahre von ersten präklinischen Studien bis hin zur möglichen Zulassung durch die staatlichen Regulierungsbehörden. Es gibt jedoch die Möglichkeit eines beschleunigten Zulassungsverfahrens für besonders vielversprechende Therapieansätze gegen schwere Erkrankungen ohne Therapiealternativen (sog. „unmet medical need“).
Hier sind insbesondere zwei Prozesse zu benennen, die zu beschleunigten Zulassungsverfahren durch die FDA führen können.
Zum einen ist hier der sog. Fast Track Status (Link) zu nennen, der auch für den Produktkandidaten BNT111 verliehen wurde. Zum anderen wird unter deutlich engeren Voraussetzungen die sog. Breakthrough Therapy Designation (Link) verliehen. Beide Verfahren zielen darauf ab, das Zulassungsverfahren zu beschleunigen, müssen jedoch durch den Sponsor der Studie (Pharmaunternehmen) beantragt werden. Wird ein solcher Status durch die FDA vergeben, führt dies insbesondere zu einer deutlichen Intensivierung des Austauschs zwischen dem Sponsor der Studie und der staatlichen Zulassungsbehörde. Der Fast Track Status kann schon ohne klinische Daten beantragt werden, wohingegen die Breakthrough Therapy Designation erst bei Nachweis entsprechender Studiendaten und die Datengrundlage dabei auf eine potenziellen Verbesserung gegenüber bereits zugelassener Therapieformen hindeuten muss. Eine solche Breakthrough Therapy Designation wurde BioNTech mit dem Kollaborationspartner DualityBio für den Produktkandidaten BNT323/DB-1303 Ende 2023 verliehen (Link) .
In der Praxis wird dadurch also der Austausch zwischen der Zulassungsbehörde und dem Pharmaunternehmen gefördert. Außerdem könnte BioNTech in Zukunft, falls weitere Datenauslesen die bisherigen Ergebnisse bestätigen, einen Antrag auf beschleunigte Zulassung bzw. Priority Review stellen. Wird dieser Antrag gestellt, müsste die FDA den Antrag innerhalb von sechs Monaten anstatt innerhalb der sonst üblichen zehn Monate bearbeiten und eine Entscheidung hinsichtlich einer möglichen Zulassung treffen.
Wann wird BioNTech einen solchen Antrag stellen?
Hier sind mehrere Punkte zu beachten:
Regulatorisch
Die neue FDA draft guidance vom 07.01.2025 (Link)gibt uns hierzu weitere regulatorische Hinweise.
Im Mittelpunkt der Anforderung steht eine konfirmatorische Studie, die der Studiensponsor nach der draft guidance „well underway prior to accelerated approval“ auf den Weg bringen muss. Eine solche konfirmatorische Studie ist vom Aufbau üblicherweise dem Phase 3 Studiendesign ähnlich.
Produktion
Eine wichtige Voraussetzung ist die Fertigstellung der Produktionsstätte in Mainz-Hechtsheim um bei einer möglichen Zulassung den Produktkandidaten kommerziell vertreiben zu können. Hier erhalten wird wichtige hinweise aus einem Artikel des Wiesbadener Kuriers vom 18.12.2024 (Link):
„2026 wollen wir so weit sein, dass die zuständige Landesgesundheitsbehörde zur finalen Kontrolle kommen kann“, betont Schilling. Läuft alles nach Plan, „wollen wir Ende 2026, also in zwei Jahren, mit der Produktion starten können, zunächst für klinische Tests. Sobald Produktkandidaten die Marktreife erlangen, wollen wir bereit sein, sie kommerziell herzustellen“, sagt die Werksleiterin. Unter Volllast sollen bis zu 600 Mitarbeiter Vakzine für bis zu 10.000 Krebstherapien pro Jahr fertigen. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun.“
Datengrundlage
Welche Daten aus den Studien gewonnen werden sollen, werden schon beim Studiendesign unter den Bezeichnungen „primary endpoint“ and „secondary endpoint“ festgelegt.
Personalisierte Krebsmedizin- Chance und Herausforderung für die Zulassungsbehörden
Aus den öffentlichen Debatten wird dieser Punkt für mich unverständlicherweise komplett herausgehalten. Hierzu möchte ich gerne auf ein Kommentar von Kyle Holen, dem Verantwortlichen für die Onkologie-Forschungsprogramme von Moderna, hinweisen:
“We have to put our algorithm on a hard drive, put it in armored truck and have it shipped to the FDA,” Holen said.
AI algorithms are known to evolve as they absorb new information. But to protect the integrity of a clinical trial for an AI-based vaccine, Moderna had to “lock down” the algorithm before the study to avoid any changes that may have confounded the results, Holen added.
All of this raises a new regulatory question: How much change to the AI algorithm is allowed before the vaccine should be considered a completely new product?
“We don’t know,” Holen said. “Nobody knows. We’re in, like, no-man’s land here, because no one’s ever done this.” (Empfohlen zur Selbstlektüre: Link)
Die personalisierte Krebsmedizin hat das Potenzial in vielen Bereichen Patienten eine neue Perspektive zu bieten, aber die Regulierungsbehörden stehen hier weltweit noch vor sehr vielen Fragezeichen, sowohl was den Umgang mit den Daten für eine mögliche Zulassung angeht als auch bezüglich der Erstellung und Nutzung neuer (individueller) Algorithmen für den einzelnen Patienten.
Conclusio:
Ich halte eine beschleunigte Zulassung für eine individualisierte Krebstherapie daher in diesem Jahr und auch bis zum Ende des nächsten Jahres für ausgeschlossen. Dies hat die Unternehmensführung selbst auch überhaupt nicht als Ziel ausgerufen. Eine erste Zulassung und damit Kommerzialisierung ist für das Jahr 2026 mit BNT323/DB-1303 geplant. Hierbei handelt es sich um einen Antikörper-Wirkstoff-Konjugat-Kandidaten (ACD) bei metastasiertem Brustkrebs. Die Phase 3 Studie läuft hier bereits seit Anfang 2024 (Link) und durch die Breakthrough Therapy Designation könnte ein Antrag bei der FDA bereits im zweiten bzw. dritten Quartal 2026 gestellt werden. Hierzu sind bis dahin auch die Anforderungen bezüglich Datenlage, Produktionsstätte und regulatorische Vorgaben voraussichtlich erfüllt. Ich habe mich in meinen Ausführungen auf eine beschleunigte Zulassung in den USA durch die FDA beschränkt, da diese dort wahrscheinlich deutlich schneller vollzogen werden kann als in der EU (Link).
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