Bear Stearns (2007/2008) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Fannie Mae (2007/2008) Nächster Begriff: Lehman Brothers (2007/2008)
Die erste große Investmentbank, die in der Finanzkrise 2007/2008 zusammenbrach, da sie sich durch hochriskante Geschäfte auf dem Subprime-Markt und eine extreme Fremdfinanzierung verwundbar gemacht hatte
Bear Stearns war eine der bekanntesten Investmentbanken an der Wall Street und spielte eine zentrale Rolle in der Finanzkrise 2007/2008. Das Unternehmen, das auf Wertpapierhandel, Investmentbanking und insbesondere auf den Handel mit Hypothekenanleihen spezialisiert war, geriet durch die Krise auf dem Subprime-Hypothekenmarkt in massive finanzielle Schwierigkeiten. Im März 2008 kollabierte Bear Stearns und wurde in einer Notübernahme durch JPMorgan Chase gerettet – ein Wendepunkt in der globalen Finanzkrise.
Hintergrund: Die Rolle von Bear Stearns
Bear Stearns wurde 1923 gegründet und entwickelte sich zu einer der führenden Investmentbanken in den USA. Vor der Finanzkrise war das Unternehmen bekannt für:
- Handel mit Mortgage-Backed Securities (MBS): Bear Stearns war stark im Geschäft mit hypothekenbesicherten Wertpapieren engagiert.
- Verbriefung von Subprime-Hypotheken: Die Bank bündelte risikoreiche Kredite und verkaufte sie als Wertpapiere an Investoren weltweit.
- Hohe Fremdfinanzierung (Leverage): Bear Stearns nutzte umfangreiche kurzfristige Kredite zur Finanzierung ihrer Geschäfte.
- Hedgefonds-Geschäft: Das Unternehmen betrieb mehrere Hedgefonds, die in den Immobilienmarkt investierten.
Diese aggressiven Strategien führten dazu, dass Bear Stearns besonders anfällig für Turbulenzen auf dem Hypothekenmarkt war.
Die Krise von Bear Stearns (2007–2008)
1. Der Einbruch des Immobilienmarktes (2007)
Im Jahr 2007 begann die Immobilienblase in den USA zu platzen. Hauspreise fielen, und die Zahlungsausfälle auf Subprime-Kredite stiegen rapide an. Dies hatte direkte Auswirkungen auf die Finanzprodukte, die Bear Stearns hielt:
- Mortgage-Backed Securities (MBS) verloren an Wert, da die zugrunde liegenden Kredite zunehmend ausfielen.
- Hedgefonds der Bank kollabierten, da sie stark in Subprime-Hypotheken investiert waren.
- Investoren verloren das Vertrauen, da unklar war, wie stark Bear Stearns von faulen Krediten betroffen war.
2. Zusammenbruch der Hedgefonds (Juni 2007)
Zwei von Bear Stearns’ größten Hedgefonds – Bear Stearns High-Grade Structured Credit Fund und Bear Stearns High-Grade Structured Credit Enhanced Leveraged Fund – gingen im Juni 2007 bankrott.
- Diese Fonds hatten Milliarden in Subprime-Hypotheken investiert.
- Als die Verluste zunahmen, verweigerten Investoren die Bereitstellung weiterer Mittel.
- Die Liquidation der Fonds verstärkte den Verkaufsdruck auf hypothekenbasierte Wertpapiere.
Dieser Zusammenbruch war das erste große Anzeichen für die kommende Finanzkrise.
3. Vertrauensverlust und Liquiditätskrise (März 2008)
Anfang 2008 verschärfte sich die Krise für Bear Stearns:
- Investoren und Geschäftspartner zogen Gelder ab: Bear Stearns war stark von kurzfristiger Fremdfinanzierung abhängig, doch immer weniger Institutionen wollten der Bank Geld leihen.
- Liquiditätsprobleme eskalierten: Die Bank war nicht mehr in der Lage, ihre kurzfristigen Schulden zu bedienen.
- Aktienkurs brach ein: Innerhalb weniger Wochen fiel der Aktienkurs von über 150 US-Dollar auf unter 30 US-Dollar.
Am 13. März 2008 wurde klar, dass Bear Stearns kurz vor der Insolvenz stand. Die Bank hatte nicht mehr genug liquide Mittel, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.
Notübernahme durch JPMorgan Chase (März 2008)
Da der Kollaps von Bear Stearns eine Panik im Finanzsystem auslösen konnte, griff die US-Notenbank (Federal Reserve) ein. Sie vermittelte eine Notübernahme durch JPMorgan Chase, die am 16. März 2008 offiziell bekannt gegeben wurde.
- JPMorgan übernahm Bear Stearns zunächst für 2 US-Dollar pro Aktie (später auf 10 US-Dollar pro Aktie erhöht).
- Die Federal Reserve stellte eine Kreditlinie von 30 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, um riskante Vermögenswerte zu sichern.
- Die Übernahme verhinderte eine sofortige Insolvenz und eine Kettenreaktion auf den Finanzmärkten.
Diese Rettung war ein historischer Moment, da sie zeigte, dass selbst große Investmentbanken nicht immun gegen die Krise waren.
Folgen des Zusammenbruchs von Bear Stearns
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Schockwelle für den Finanzmarkt
- Der Fall von Bear Stearns zeigte, dass selbst etablierte Banken in Gefahr waren.
- Vertrauen in den gesamten Bankensektor wurde erschüttert.
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Verschärfung der Finanzkrise
- Banken wurden vorsichtiger bei der Kreditvergabe.
- Die Liquiditätskrise weitete sich aus und traf später auch Lehman Brothers (die im September 2008 tatsächlich insolvent gingen).
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Regulatorische Änderungen
- Der Zusammenbruch führte zu strengeren Kapitalanforderungen für Banken.
- Später wurde der Dodd-Frank Act (2010) eingeführt, um riskante Bankgeschäfte einzuschränken.
Fazit
Bear Stearns war die erste große Investmentbank, die in der Finanzkrise 2007/2008 zusammenbrach. Die Bank hatte sich durch hochriskante Geschäfte auf dem Subprime-Markt und eine extreme Fremdfinanzierung verwundbar gemacht. Ihr Niedergang und die anschließende Notübernahme durch JPMorgan Chase markierten den Beginn der schwersten Finanzkrise seit der Großen Depression.
Obwohl die Rettung kurzfristig einen völligen Kollaps des Finanzsystems verhinderte, zeigte sie die tiefgreifenden strukturellen Probleme im Bankensektor auf. Die Ereignisse rund um Bear Stearns waren ein Vorbote der späteren Pleite von Lehman Brothers und der globalen Rezession, die folgte.