Emerging Markets Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Embedded Value (EV) Nächster Begriff: Emerging Markets Fonds

Eine Gruppe von Ländern mit sich entwickelnden Volkswirtschaften, die durch hohes Wachstumspotenzial, aber auch erhöhte Risiken gekennzeichnet sind

Emerging Markets (auf Deutsch: Schwellenländer) sind Volkswirtschaften, die sich in einem Übergangsstadium zwischen Entwicklungsland und Industriestaat befinden. Sie zeichnen sich durch ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, einen fortschreitenden wirtschaftlichen Strukturwandel, eine zunehmende Integration in den Welthandel sowie eine wachsende Bedeutung für internationale Kapitalmärkte aus. Der Begriff ist wirtschaftspolitisch und kapitalmarktorientiert geprägt und wird vorrangig im Kontext von Investitionsstrategien, internationalen Finanzströmen und globaler Risikodiversifikation verwendet.

Es handelt sich nicht um eine klar abgegrenzte Ländergruppe, sondern um ein dynamisches Konzept, das sich im Laufe der Zeit und abhängig von makroökonomischen Entwicklungen verändern kann.

Merkmale von Emerging Markets

Schwellenländer weisen eine Reihe charakteristischer Merkmale auf, die sie sowohl von Entwicklungs- als auch von Industrieländern unterscheiden. Zu den zentralen Eigenschaften zählen:

  1. Hohes Wirtschaftswachstum:
    Viele Emerging Markets verzeichnen seit Jahren ein überdurchschnittliches Bruttoinlandsprodukt-Wachstum im Vergleich zu Industriestaaten. Dieses Wachstum basiert häufig auf einer zunehmenden Industrialisierung, einem expandierenden Dienstleistungssektor und einem steigenden Konsumniveau.

  2. Demografisches Potenzial:
    Schwellenländer verfügen oftmals über eine junge, wachsende Bevölkerung mit wachsendem Arbeitskräftepotenzial, was zu einem langfristigen Binnenmarktwachstum führen kann.

  3. Strukturwandel und Urbanisierung:
    Die Volkswirtschaften entwickeln sich von agrarischen Strukturen hin zu industriellen und dienstleistungsorientierten Sektoren. Gleichzeitig nehmen Urbanisierung und Infrastrukturausbau zu.

  4. Zunehmende Integration in die Weltwirtschaft:
    Emerging Markets öffnen ihre Märkte für den Außenhandel, bauen Exportindustrien auf und partizipieren verstärkt am globalen Kapitalverkehr.

  5. Entwicklung der Kapitalmärkte:
    Die Finanzmärkte in Schwellenländern sind oft noch weniger tief und weniger effizient als in Industrieländern, aber sie verzeichnen Fortschritte bei Regulierung, Börsenentwicklung und Kapitalmarkttransparenz.

  6. Reformdynamik:
    Wirtschaftspolitische Reformen – etwa in den Bereichen Eigentumsschutz, Steuerwesen, Deregulierung oder Privatisierung – sind oft zentrale Bestandteile der wirtschaftlichen Transformation.

Trotz dieser positiven Entwicklungen bestehen in vielen Emerging Markets weiterhin strukturelle Schwächen, wie institutionelle Unsicherheiten, Korruption, eine instabile politische Lage oder ein schwacher Rechtsrahmen.

Klassifikation und Länderbeispiele

Die Einordnung als Emerging Market erfolgt nicht einheitlich, sondern richtet sich nach Kriterien von Finanzinstitutionen und Indexanbietern. Wichtige Klassifizierungsinstanzen sind:

  • Internationaler Währungsfonds (IWF)

  • Weltbank

  • MSCI (Morgan Stanley Capital International)

  • FTSE Russell

Länder, die häufig als Emerging Markets gelten, sind beispielsweise:

  • Asien: China, Indien, Indonesien, Malaysia, Vietnam, Philippinen

  • Lateinamerika: Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Chile, Peru

  • Europa: Polen, Ungarn, Tschechien, Türkei

  • Afrika: Südafrika, Nigeria, Kenia, Ägypten

  • Naher Osten: Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Katar

Darüber hinaus gibt es den Begriff der Frontier Markets, der sich auf noch weniger entwickelte, aber ebenfalls wachstumsstarke Märkte mit hohen Risiken bezieht.

Chancen von Investitionen in Emerging Markets

Aus Sicht von Investoren bieten Emerging Markets verschiedene Vorteile:

  1. Wachstumspotenzial:
    Durch das höhere wirtschaftliche Wachstum und die demografische Entwicklung können überdurchschnittliche Kapitalrenditen erzielt werden.

  2. Diversifikation:
    Emerging Markets reagieren nicht immer synchron mit Industriemärkten auf makroökonomische Entwicklungen. Dies kann helfen, das Risiko im Portfolio zu streuen.

  3. Rohstoffvorkommen und natürliche Ressourcen:
    Viele Schwellenländer verfügen über bedeutende Rohstoffreserven, was sie zu wichtigen Akteuren im globalen Handel macht.

  4. Aufholpotenzial bei Produktivität und Technologie:
    Der technologische Rückstand zu Industrieländern eröffnet langfristige Wachstumschancen bei zunehmender Digitalisierung und Industrialisierung.

Risiken und Herausforderungen

Trotz attraktiver Chancen bergen Emerging Markets erhebliche Risiken, die bei Investitionsentscheidungen sorgfältig berücksichtigt werden müssen:

  1. Politische Instabilität:
    Unsichere Regierungsverhältnisse, soziale Unruhen oder geopolitische Spannungen können zu plötzlichen Marktverwerfungen führen.

  2. Währungsrisiken:
    Schwankende Wechselkurse, Kapitalverkehrskontrollen oder Abwertungsphasen können Erträge schmälern oder Verluste verursachen.

  3. Rechtsunsicherheit und mangelnde Transparenz:
    Schwächen in der Rechtsprechung, Korruption und geringe Unternehmensführung (Corporate Governance) erschweren Investitionen.

  4. Abhängigkeit von Rohstoffen und Exporten:
    Viele Emerging Markets sind stark vom Weltmarkt und den Preisen für Rohstoffe abhängig, was sie anfällig für externe Schocks macht.

  5. Inflation und Zinsvolatilität:
    Makroökonomische Instabilität kann sich in Form hoher Inflation oder plötzlicher Zinsänderungen manifestieren und die Kapitalmärkte belasten.

  6. Geringe Liquidität:
    Insbesondere an lokalen Börsen kann die Marktliquidität niedrig sein, was zu hohen Spreads oder Handelsverzögerungen führen kann.

Bedeutung für globale Kapitalmärkte

Emerging Markets gewinnen seit Jahrzehnten an Bedeutung für die Weltwirtschaft. Ihr Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt, am Welthandel und an den weltweiten Kapitalströmen nimmt kontinuierlich zu. Investoren können über spezialisierte Anlageinstrumente wie:

  • Schwellenländeraktienfonds

  • Anleihenfonds mit Fokus auf Emerging Markets

  • börsengehandelte Fonds (ETFs)

  • Direktinvestitionen über lokale Börsen

an der Entwicklung dieser Volkswirtschaften partizipieren. Institutionelle Investoren berücksichtigen Emerging Markets zunehmend in ihren Asset-Allokationen, auch im Rahmen nachhaltiger Anlagestrategien.

Fazit

Emerging Markets stehen für dynamische Volkswirtschaften mit hohem Wachstumspotenzial, aber auch erhöhtem Risiko. Sie bieten Chancen auf überdurchschnittliche Renditen durch wirtschaftliche Transformation, Industrialisierung und demografisches Wachstum. Gleichzeitig müssen politische, wirtschaftliche und finanzielle Unsicherheiten beachtet werden. Für eine fundierte Beurteilung von Investitionen in Schwellenländern ist daher eine differenzierte Analyse erforderlich. In einer zunehmend multipolaren Weltwirtschaft spielen Emerging Markets eine wachsende Rolle – sowohl als Produktionsstandorte, Konsummärkte als auch als Kapitalempfänger und Investitionsziele.