Equity Carve-Out Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Equity Bewertung Nächster Begriff: Equity Fund
Eine Strategie, bei der ein Unternehmen einen Teil eines Tochterunternehmens durch den Verkauf von Aktien an die Börse abspaltet, um Kapital zu beschaffen, während es die Kontrolle über das Tochterunternehmen weitgehend behält
Equity Carve-Out bezeichnet eine gesellschaftsrechtliche und finanzwirtschaftliche Maßnahme, bei der ein Unternehmen eine Tochtergesellschaft oder einen Unternehmensbereich ausgliedert und Anteile daran über einen Börsengang (Initial Public Offering, IPO) an externe Investoren verkauft. Dabei wird ein Teil des Eigenkapitals der Tochtergesellschaft neu geschaffen oder übertragen und in Form von Aktien öffentlich platziert. Die Muttergesellschaft bleibt in der Regel Mehrheitsaktionärin der ausgegliederten Einheit.
Ein Equity Carve-Out dient häufig der Wertrealisierung, der strategischen Neuausrichtung oder der Finanzierung von Wachstumsvorhaben, ohne dass die Muttergesellschaft vollständig auf die Kontrolle über den ausgegliederten Bereich verzichten muss.
Struktur und Funktionsweise
Im Rahmen eines Equity Carve-Outs wird ein Unternehmensteil, der bisher vollständig in die Muttergesellschaft integriert war, organisatorisch, rechtlich und bilanziell ausgegliedert – meist in die Form einer eigenständigen Kapitalgesellschaft (z. B. Aktiengesellschaft oder GmbH).
Anschließend erfolgt ein Börsengang der Tochtergesellschaft, bei dem ein Teil der Aktien an externe Investoren verkauft wird. Die Erlöse aus diesem Teilverkauf fließen entweder:
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der Tochtergesellschaft zu, wenn neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung ausgegeben werden (Kapitalzufluss für Wachstum oder Investitionen), oder
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der Muttergesellschaft zu, wenn bestehende Anteile aus dem Bestand der Mutter veräußert werden (Desinvestition).
Die Muttergesellschaft behält typischerweise eine Mehrheitsbeteiligung und damit die Kontrolle über die Tochtergesellschaft. In der Bilanz wird diese Beteiligung meist weiterhin konsolidiert.
Abgrenzung zu verwandten Konzepten
Ein Equity Carve-Out unterscheidet sich deutlich von anderen Trennungs- oder Beteiligungsmaßnahmen:
| Maßnahme | Charakteristik |
|---|---|
| Spin-Off | Die Anteile an der Tochtergesellschaft werden unentgeltlich an die Aktionäre der Muttergesellschaft übertragen, ohne Kapitalzufluss. Keine Börseneinführung erforderlich. |
| Sell-Off | Die Tochtergesellschaft oder ein Geschäftsbereich wird vollständig verkauft, z. B. an einen strategischen Investor oder ein Private-Equity-Unternehmen. |
| Split-Off | Aktionäre der Muttergesellschaft erhalten Aktien der Tochtergesellschaft, müssen dafür aber ihre Mutteraktien abgeben. |
| Equity Carve-Out | Teilweiser Börsengang einer Tochtergesellschaft, Verkauf von Anteilen an externe Investoren, Mutter bleibt Mehrheitseignerin. |
Ziele und Motive eines Equity Carve-Outs
Die Gründe für die Durchführung eines Equity Carve-Outs sind vielfältig und hängen oft mit strategischen, finanziellen oder operativen Überlegungen zusammen:
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Wertrealisierung (Unlocking Value): Durch die separate Börsennotierung kann der Markt den ausgegliederten Bereich unabhängig bewerten. Ein Bereich, der zuvor im Konglomerat „unterbewertet“ war, kann so seinen vollen Marktwert entfalten.
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Finanzierung von Wachstum: Der Börsengang bringt frisches Kapital in die Tochtergesellschaft, ohne dass die Muttergesellschaft ihre eigenen Mittel einsetzen oder Schulden aufnehmen muss.
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Transparenz und Fokus: Die Abspaltung schafft klare Strukturen, eine eigenständige Unternehmensführung und bessere Vergleichbarkeit mit Wettbewerbern.
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Vorbereitung auf vollständigen Verkauf oder Spin-Off: Ein Equity Carve-Out kann ein erster Schritt sein, um mittelfristig eine vollständige Trennung durchzuführen.
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Stärkung der Kapitalstruktur: Die Muttergesellschaft kann durch den Teilverkauf Mittel generieren, um Schulden zu tilgen oder andere Unternehmensbereiche zu finanzieren.
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Managementanreize: Durch die Eigenständigkeit und Börsennotierung der Tochtergesellschaft können spezifische Management-Incentive-Programme eingeführt werden.
Bewertungstechnische Aspekte
Bei einem Equity Carve-Out stellt sich die Frage nach der Eigenkapitalbewertung der Tochtergesellschaft. Dies erfolgt in der Regel durch ein Initial Public Offering (IPO), bei dem der Unternehmenswert mithilfe von DCF-Analysen, Marktvergleichen (Peer Group) und Kapitalmarktgesprächen ermittelt wird.
Anschließend ergibt sich der:
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Equity Value der Tochtergesellschaft aus dem Ausgabepreis × Anzahl der ausgegebenen Aktien.
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Erlös für die Muttergesellschaft, je nachdem, ob neue oder bestehende Aktien verkauft werden.
In der Bilanz der Muttergesellschaft wird die Restbeteiligung am Equity der Tochter als Finanzanlage ausgewiesen (bei Dekonsolidierung) oder weiterhin konsolidiert (bei Mehrheitsbeteiligung).
Risiken und Herausforderungen
Trotz vieler Vorteile ist ein Equity Carve-Out mit spezifischen Herausforderungen verbunden:
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Komplexität der Ausgliederung: Rechtliche, steuerliche und organisatorische Abspaltung erfordert umfassende Vorbereitungen.
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Marktrisiko beim IPO: Der Erfolg des Börsengangs hängt stark vom Kapitalmarktumfeld ab.
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Verlust von Synergien: Die Eigenständigkeit der Tochter kann zu Effizienzverlusten im Gesamtkonzern führen.
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Potenzielle Interessenskonflikte: Zwischen der Muttergesellschaft als Mehrheitseignerin und den neuen Minderheitsaktionären der Tochter können Zielkonflikte entstehen.
Praxisbeispiel
Ein bekanntes Beispiel für einen Equity Carve-Out war der Teilbörsengang von Siemens Energy im Jahr 2020. Die Siemens AG spaltete ihren Energiebereich ab und brachte diesen als eigenständige Gesellschaft an die Börse. Zunächst behielt Siemens die Mehrheit, plante jedoch eine schrittweise Reduzierung der Beteiligung. Ziel war die strategische Neuausrichtung von Siemens auf digitale und industrielle Kerngeschäfte.
Fazit
Equity Carve-Out ist eine strategische Maßnahme, bei der ein Unternehmen einen Teil seiner Aktivitäten in eine rechtlich eigenständige Gesellschaft ausgliedert und über einen Börsengang teilweise an externe Investoren verkauft. Die Muttergesellschaft bleibt typischerweise Mehrheitsaktionärin. Der Equity Carve-Out dient der Kapitalbeschaffung, der Wertsteigerung und der organisatorischen Fokussierung. Er bietet Chancen auf höhere Transparenz, Marktwertentfaltung und finanzielle Flexibilität, ist jedoch mit erheblichen operativen und kapitalmarkttechnischen Anforderungen verbunden.