Ewige Anleihe Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Economic Value Added (EVA) Nächster Begriff: Europäische Währungssystem (EWS)
Eine Anleihe ohne festes Fälligkeitsdatum, die dem Emittenten das Recht einräumt, Zinsen unbegrenzt zu zahlen, ohne das Kapital zurückzuzahlen, um langfristige Finanzierung zu sichern
Eine ewige Anleihe – auch bekannt als Perpetual Bond oder Consol-Anleihe – ist eine besondere Form festverzinslicher Wertpapiere, die sich dadurch auszeichnet, dass keine Rückzahlung des Nennwerts vorgesehen ist. Statt einer Laufzeit mit festem Enddatum zahlt die ewige Anleihe dem Anleger theoretisch unbefristet Zinszahlungen, solange der Emittent zahlungsfähig bleibt. Sie gehört damit zu den atypischen Schuldinstrumenten mit Merkmalen, die teilweise zwischen Anleihe und Eigenkapital angesiedelt sind.
Definition und Merkmale
Eine ewige Anleihe ist ein Finanzinstrument, das dem Emittenten Kapital bereitstellt, ohne dass dieser zur Rückzahlung des Kapitals verpflichtet ist. Der Anleger erhält als Gegenleistung regelmäßige Kuponzahlungen in einer zuvor festgelegten Höhe, jedoch ohne Anspruch auf Rückzahlung des ursprünglichen Kapitaleinsatzes.
Die zentralen Merkmale sind:
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Keine Endfälligkeit: Der Nennwert der Anleihe wird grundsätzlich nicht zurückgezahlt. Der Emittent kann jedoch in bestimmten Fällen ein Rückkaufsrecht (Call-Option) zu einem festgelegten Termin oder Preis besitzen.
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Laufende Zinszahlungen: Die Anleihe zahlt einen festen oder variablen Zinssatz, üblicherweise in regelmäßigen Intervallen (z. B. jährlich oder halbjährlich).
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Nachrangigkeit: Ewige Anleihen sind oft nachrangig gegenüber anderen Fremdkapitalinstrumenten, was bedeutet, dass sie im Insolvenzfall erst nach allen anderen Gläubigern bedient werden.
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Ausfallrisiko und Zahlungsaufschub: In vielen Fällen kann der Emittent Zinszahlungen unter bestimmten Bedingungen aussetzen, ohne formell in Verzug zu geraten. Diese ausgesetzten Zinsen sind häufig kumulativ.
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Bilanzielle Einstufung: Aufgrund ihrer Struktur können ewige Anleihen bilanziell teilweise dem Eigenkapital zugerechnet werden, insbesondere bei Banken oder Versicherungen im Rahmen regulatorischer Vorschriften (z. B. Basel III, Solvency II).
Bewertungsgrundlage
Die Bewertung einer ewigen Anleihe basiert auf der Annahme eines ewigen Zahlungsstroms. Die klassische Formel für den Barwert einer ewigen Rente lautet:
Barwert = Kupon / Marktzins
Dabei bezeichnet der Kupon den jährlich gezahlten Zinsbetrag und der Marktzins die aktuelle Renditeerwartung für vergleichbare Risiken. Je niedriger der Marktzins, desto höher der theoretische Wert der Anleihe.
Diese einfache Bewertungsformel setzt voraus, dass:
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die Zinszahlungen dauerhaft geleistet werden,
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kein Ausfallrisiko besteht,
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keine Rückzahlung des Kapitals erfolgt.
In der Praxis muss jedoch das Emittentenausfallrisiko berücksichtigt werden, ebenso wie mögliche Kündigungsrechte oder vertraglich vereinbarte Bedingungen, die zu einer vorzeitigen Rückzahlung führen können.
Einsatzbereiche und Emittenten
Ewige Anleihen werden in der Regel von staatlichen Stellen, Banken oder Großunternehmen mit hoher Bonität emittiert. Ziel ist es, langfristiges Kapital zu beschaffen, ohne eine feste Rückzahlungsverpflichtung einzugehen. In bestimmten Fällen verbessern solche Instrumente auch regulatorische Kennzahlen, da sie als haftendes Kapital (Tier-1-Kapital) anerkannt werden können.
Typische Emittenten:
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Staaten: Historisch bekannt ist das Beispiel der britischen „Consols“, Staatsanleihen ohne Rückzahlungspflicht, die erstmals im 18. Jahrhundert emittiert wurden.
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Banken: In Europa geben viele Banken ewige Anleihen als Additional Tier 1 (AT1)-Kapital aus, das regulatorisch als Eigenkapitaläquivalent gilt. Diese Anleihen können unter bestimmten Bedingungen abgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt werden.
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Unternehmen: In einzelnen Fällen nutzen auch Industrieunternehmen ewige Anleihen zur Kapitalbeschaffung, insbesondere wenn sie bilanzielle Flexibilität oder Bonitätsvorteile anstreben.
Chancen und Risiken für Anleger
Ewige Anleihen bieten spezifische Vorteile, sind jedoch auch mit besonderen Risiken verbunden.
Chancen:
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Attraktive Verzinsung: Aufgrund des längeren Kapitalbindungsrisikos und der Nachrangigkeit bieten ewige Anleihen in der Regel höhere Kupons als klassische Anleihen vergleichbarer Bonität.
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Langfristige Einnahmen: Für Anleger mit langfristigem Anlagehorizont (z. B. Pensionsfonds) sind ewige Zahlungsströme attraktiv.
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Diversifikation: Ewige Anleihen stellen eine eigenständige Anlageklasse dar und können zur Diversifikation im festverzinslichen Portfolio beitragen.
Risiken:
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Zinsänderungsrisiko: Bei steigenden Marktzinsen sinkt der Marktwert der ewigen Anleihe stark, da der Kupon über die gesamte Laufzeit fix ist (sofern keine variable Verzinsung vorliegt).
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Kreditrisiko: Ein Ausfall oder die Aussetzung von Kuponzahlungen ist möglich, insbesondere bei nachrangigen Strukturen.
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Liquiditätsrisiko: Ewige Anleihen sind oft weniger liquide als Standardanleihen. Der Verkauf kann mit Preisabschlägen verbunden sein.
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Kündigungs- und Strukturunsicherheit: Der Emittent kann Rückkaufsrechte ausüben oder Zinszahlungen aussetzen, was die Planbarkeit für Anleger erschwert.
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Regulatorische Eingriffe: Im Falle von Banken oder Versicherungen können aufsichtsrechtliche Vorgaben zu einer (teilweisen) Abschreibung oder Umwandlung der Anleihe führen.
Aktuelle Relevanz
Ewige Anleihen haben insbesondere im Zuge der verschärften Bankenregulierung nach der Finanzkrise (z. B. Basel III) an Bedeutung gewonnen. Viele Banken nutzen AT1-Instrumente, um regulatorisch anerkanntes Kernkapital zu stärken, ohne die Eigentümerstruktur zu verwässern.
Zudem finden ewige Anleihen zunehmend Interesse bei institutionellen Investoren, die in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld nach renditestärkeren Alternativen suchen. Aufgrund ihrer Komplexität und Risikostruktur richten sich diese Produkte jedoch vorwiegend an erfahrene Anleger.
Fazit
Die ewige Anleihe ist ein besonderes Finanzinstrument, das dem Emittenten eine langfristige Kapitalquelle ohne Rückzahlungsverpflichtung bietet und dem Anleger dauerhaft verzinste Zahlungen in Aussicht stellt. Sie verbindet Elemente klassischer Anleihen mit Merkmalen des Eigenkapitals und wird insbesondere von Staaten, Banken und Großunternehmen genutzt. Für Investoren bietet sie die Möglichkeit, attraktive Zinserträge zu erzielen, geht jedoch mit erhöhten Risiken hinsichtlich Bonität, Laufzeit und Struktur einher. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich die ewige Anleihe vor allem für langfristig orientierte und risikoaffine Anleger sowie für professionelle Marktteilnehmer im institutionellen Bereich.