Express-Zertifikat Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Euroclear Nächster Begriff: Europäische Zentralbank (EZB)

Ein Derivatprodukt, das eine vorzeitige Rückzahlung mit festem Gewinn ermöglicht, wenn der Basiswert eine Barriere erreicht, um bedingten Kapitalschutz mit potenziell höherer Rendite zu kombinieren

Express-Zertifikat ist ein strukturiertes Finanzprodukt, das zu den Anlagezertifikaten gehört und sich durch die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung („Express-Rückzahlung“) zu vordefinierten Zeitpunkten auszeichnet. Es kombiniert Elemente aus klassischen Anlagezertifikaten mit bestimmten Mechanismen aus dem Optionsbereich, insbesondere dem sogenannten Barriere- bzw. Knock-In-Prinzip. Das Express-Zertifikat richtet sich an Anleger, die von einer moderat positiven bis leicht seitwärts gerichteten Entwicklung eines Basiswerts (z. B. Aktie, Index) ausgehen und gleichzeitig einen begrenzten Risikoschutz in Anspruch nehmen wollen.

Struktur und Funktionsweise

Ein Express-Zertifikat hat eine vordefinierte Laufzeit, die meist zwischen 2 und 6 Jahren liegt. Während dieser Laufzeit gibt es regelmäßige Beobachtungszeitpunkte – in der Regel einmal jährlich –, an denen geprüft wird, ob bestimmte Voraussetzungen für eine vorzeitige Rückzahlung erfüllt sind.

Die grundlegenden Bestandteile eines Express-Zertifikats sind:

  1. Basiswert: Meist eine einzelne Aktie oder ein Aktienindex. Die Entwicklung dieses Basiswerts ist ausschlaggebend für die Rückzahlungsmodalitäten.

  2. Rückzahlungsbedingungen: Zu jedem Beobachtungszeitpunkt wird geprüft, ob der Kurs des Basiswerts auf oder über einem vordefinierten Schwellenwert (meist 100 % oder leicht darunter) liegt. Ist dies der Fall, erfolgt eine vorzeitige Rückzahlung des Zertifikats zu 100 % des Nennwerts zuzüglich einer festen Prämie (oft als „Coupon“ bezeichnet).

  3. Barriere (Sicherheitsschwelle): Liegt der Basiswert am finalen Bewertungstag unterhalb dieser Barriere (z. B. 60–70 % des Startkurses), verliert der Anleger den Kapitalschutz. In diesem Fall erfolgt die Rückzahlung in Abhängigkeit von der tatsächlichen Kursentwicklung des Basiswerts, was zu Verlusten führen kann.

  4. Coupon-Zahlung: In der Regel wird bei jeder vorzeitigen Rückzahlung ein fixer Ertrag ausgezahlt. Diese Erträge können sich im Zeitverlauf stufenweise erhöhen (sogenannter Step-Up-Mechanismus).

Beispielhafter Ablauf

Ein Anleger erwirbt ein Express-Zertifikat mit folgender Struktur:

  • Basiswert: Aktie XYZ

  • Laufzeit: 4 Jahre

  • Beobachtung jährlich (z. B. zum 1. Juli eines jeden Jahres)

  • Rückzahlungsniveau: 100 % des Nennwerts

  • Barriere: 70 % des Startkurses

  • Coupon: 5 % im ersten Jahr, danach steigend um je 1 % p. a.

Szenario 1 (vorzeitige Rückzahlung):
Am ersten Beobachtungstag liegt der Kurs der Aktie XYZ bei 102 % des Startkurses. Das Zertifikat wird vorzeitig zurückgezahlt: 100 % des Nennwerts plus 5 % Coupon.

Szenario 2 (keine Rückzahlung, Laufzeit verlängert):
Am ersten und zweiten Beobachtungstag liegt der Kurs unter dem Rückzahlungsniveau. Erst im dritten Jahr erreicht der Kurs wieder mindestens 100 % des Startkurses. Das Zertifikat wird mit einem Coupon von 7 % (5 % + 1 % + 1 %) zurückgezahlt.

Szenario 3 (Verlust am Laufzeitende):
Während der gesamten Laufzeit wird der Rückzahlungsmechanismus nicht ausgelöst. Am finalen Bewertungstag liegt der Basiswert unter der Barriere bei 60 % des Startkurses. In diesem Fall erhält der Anleger nur 60 % des Nennwerts zurück – der Rest ist verloren.

Chancen

Ein Express-Zertifikat bietet dem Anleger folgende Vorteile:

  1. Chance auf überdurchschnittliche Erträge bei leicht positiver oder seitwärts gerichteter Kursentwicklung des Basiswerts.

  2. Frühzeitige Rückzahlung bei günstiger Entwicklung, was die Kapitalbindung reduziert.

  3. Teilweise Risikopuffer durch Barriere – Verluste entstehen erst, wenn der Basiswert unter diese Schwelle fällt.

  4. Planbare Rendite im Erfolgsfall durch vorab festgelegte Coupons.

Risiken

Trotz der defensiven Ausgestaltung birgt ein Express-Zertifikat auch Risiken:

  1. Marktrisiko: Bei deutlicher Unterschreitung der Barriere drohen Verluste bis hin zum Totalverlust.

  2. Emittentenrisiko: Express-Zertifikate sind Inhaberschuldverschreibungen. Der Anleger trägt das Risiko eines Zahlungsausfalls des Emittenten.

  3. Liquiditätsrisiko: Die Handelbarkeit an Sekundärmärkten kann eingeschränkt sein, insbesondere bei geringen Handelsvolumina.

  4. Kein Anspruch auf Dividenden: Da der Anleger nicht direkt in den Basiswert investiert, erhält er keine Erträge aus etwaigen Dividendenzahlungen.

  5. Keine Partizipation an Kursgewinnen über das Rückzahlungsniveau hinaus: Steigt der Basiswert deutlich über den Schwellenwert, profitiert der Anleger nicht weiter – die Rückzahlung ist auf den Nennwert plus Coupon begrenzt.

Zielgruppe und Einsatzbereich

Express-Zertifikate richten sich vor allem an renditeorientierte Anleger, die bereit sind, ein moderates Marktrisiko in Kauf zu nehmen, jedoch bei Seitwärts- oder leicht positiver Markterwartung eine höhere Rendite als bei klassischen Festzinsanlagen anstreben. Die Produkte eignen sich als Ergänzung innerhalb einer breit diversifizierten Anlagestrategie.

Weniger geeignet sind sie für sicherheitsorientierte Anleger mit Fokus auf Kapitalerhalt oder für Investoren mit sehr kurzfristigem Anlagehorizont.

Fazit

Express-Zertifikate sind strukturierte Finanzprodukte mit der Besonderheit einer potenziell vorzeitigen Rückzahlung, gekoppelt an die Entwicklung eines Basiswerts. Sie bieten attraktive Ertragschancen bei seitwärts oder leicht positiv tendierenden Märkten, verbunden mit einem begrenzten Risikopuffer durch eine Barriere. Allerdings besteht bei negativer Kursentwicklung des Basiswerts ein deutliches Verlustrisiko bis hin zum Teil- oder Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Eine fundierte Kenntnis der Produktstruktur und der zugrunde liegenden Bedingungen ist für eine sachgerechte Anlageentscheidung unerlässlich.