Denkfabrik: Deutschland viel zu langsam beim Erneuerbaren-Ausbau 04.01.2023, 06:11 Uhr von dpa-AFX Jetzt kommentieren: 0

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BERLIN (dpa-AFX) - Zur Erreichung seiner selbst gesetzten Ziele muss Deutschland den Ausbau erneuerbarer Energien erheblich beschleunigen. Bei Solaranlagen müsste sich die Zubau-Geschwindigkeit nach Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende mehr als verdoppeln, bei Windkraftanlagen an Land müsste sie sich mehr als verdreifachen und bei Windparks auf See sogar mehr als verachtfachen. Die Untersuchung mit dem Titel "Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2022" wird an diesem Mittwoch in Berlin veröffentlicht und liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

"Der Erneuerbare-Energien-Ausbau ist das Fundament für alles andere", sagte der Deutschland-Direktor von Agora, Simon Müller. Das Tempo müsse steigen, um dort Treibhausgasemissionen zu senken, aber auch um den zunehmenden Bedarf nach Strom etwa für industrielle Prozesse zu decken. Durch eine stärkere Nutzung von Strom sollen klimaschädliche Energieträger zurückgedrängt werden - sei es bei Elektroautos, Wärmepumpen zum Heizen oder in der Industrie.

Insgesamt wurden demnach die erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr deutlich schneller ausgebaut als 2021, und zwar um 9,6 Gigawatt, 61 Prozent mehr als im Vorjahr. Die installierte Gesamtleistung Erneuerbarer betrug Ende 2022 demnach 148,2 Gigawatt. Die Bilanz fällt aber je nach Bereich ganz unterschiedlich aus.

Den größten Zuwachs bei den erneuerbaren Energien gab es im vergangenen Jahr demnach bei Solaranlagen. Insgesamt wurden nach vorläufigen Daten Anlagen mit einer Leistung von 7,2 Gigawatt neu in Betrieb genommen, ein Plus von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Um das im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebene Kapazitäts-Ziel von 215 Gigawatt bis 2030 zu erreichen, wäre ab 2023 ein Zubau von durchschnittlich 18,6 Gigawatt jährlich nötig, rechnet Agora vor.

Bei Windrädern an Land kam im vergangenen Jahr eine Kapazität von 2 Gigawatt hinzu, rund 21 Prozent mehr als im Jahr davor. Das war die dritte Steigerung in Folge, allerdings von einem niedrigen Niveau. Um das 2030-Ziel von 115 Gigawatt zu schaffen, müssten pro Jahr Anlagen mit einer Kapazität von rund 7,1 Gigawatt entstehen.

Schleppend ging es bei Windenergie auf See voran, mit nach vorläufigen Daten nur 0,3 Gigawatt neuer Kapazität 2022. Bis 2030 sollen es laut Windenergie-auf-See-Gesetz mindestens 30 Gigawatt werden, was einen jährlichen Zubau von durchschnittlich 2,7 Gigawatt entspräche.

Die Bundesregierung hat umfangreiche Gesetzesänderungen für einen schnelleren Ausbau beschlossen. So sollen 2 Prozent der gesamten Bundesfläche an Land für Windräder ausgewiesen werden. Die Länder sollen in den kommenden Jahren mehr Flächen bereitstellen. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte jüngst, die Entwicklung zeige "in die richtige Richtung".

Agora hält neben mehr Flächen für die Windkraft auch die Ausweisung so genannter Go-To-Areas für nötig - Gebiete, die als grundsätzlich geeignet für Windkraftanlagen gelten und wo dies deshalb nicht für jedes neue Projekt einzeln festgestellt werden müsste. Auch müsse der Bau im Außenbereich von Städten einfacher werden.

Mit Sorge blickt die Denkfabrik auf den hohen deutschen Ausstoß an Treibhausgasen und die stärkere Nutzung von Kohle, um ausfallende Gaslieferungen aus Russland auszugleichen. Zwar sei der Energieverbrauch im vergangenen Jahr um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, unter anderem wegen massiver Preissteigerungen bei Erdgas und Strom und milder Witterung. Der stärkere Einsatz von Kohle und Öl habe die Emissionsminderungen durch Energieeinsparungen jedoch zunichte gehabt. "2022 sind die Klimaziele aufgrund kurzfristiger Maßnahmen für die Energiesicherheit ins Hintertreffen geraten", kritisierte Müller. Im laufenden Jahr müsse die Regierung die Trendwende schaffen.

Bereits der Expertenrat der Bundesregierung hatte im Herbst gewarnt, dass Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2030 zu verfehlen drohe. Bis dahin soll der Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Zudem sollen bis dahin 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne gedeckt werden./hrz/DP/zb

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