Anleihekaufprogramme der EZB (2015–2021) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Quantitative Easing (QE) in den USA (2008–2014) Nächster Begriff: PEPP-Programm (EZB)
Eines der wichtigsten geldpolitischen Instrumente zur Stabilisierung der Eurozone nach der Eurokrise und während der COVID-19-Pandemie
Die Anleihekaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2015 bis 2021 waren ein zentrales geldpolitisches Instrument zur Stabilisierung der Wirtschaft in der Eurozone. Diese Maßnahmen dienten dazu, niedrige Zinsen zu gewährleisten, die Inflation zu steigern und die Kreditvergabe zu erleichtern. Insbesondere nach der Eurokrise und während der COVID-19-Pandemie spielten sie eine entscheidende Rolle in der wirtschaftlichen Erholung Europas.
Hintergrund: Warum führte die EZB Anleihekaufprogramme ein?
Nach der Finanzkrise von 2008 und der anschließenden Eurokrise (2010–2012) kämpfte die Eurozone mit:
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Schwachem Wirtschaftswachstum
- Viele Länder der Eurozone erholten sich nur langsam von der Rezession.
- Investitionen und Konsum blieben niedrig.
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Sehr niedriger Inflation oder sogar Deflation
- Die Inflation lag deutlich unter dem EZB-Ziel von knapp 2 %.
- Eine zu niedrige Inflation kann das Wirtschaftswachstum hemmen, da Unternehmen Investitionen aufschieben.
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Hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Kreditvergabe
- Unternehmen und Haushalte hatten trotz niedriger Leitzinsen Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen.
- Banken hielten sich mit Kreditvergaben zurück.
Da die Leitzinsen bereits nahe null lagen und keine weiteren Senkungen möglich waren, entschied sich die EZB unter Präsident Mario Draghi für ein unkonventionelles geldpolitisches Instrument: Anleihekaufprogramme oder auch Quantitative Easing (QE).
Die wichtigsten Anleihekaufprogramme der EZB (2015–2021)
Die EZB startete mehrere Programme, um die Wirtschaft der Eurozone zu stützen.
1. Expanded Asset Purchase Programme (APP) – 2015
- Gestartet im März 2015
- Ziel: Bekämpfung der niedrigen Inflation und Förderung der Kreditvergabe
- Käufe von:
- Staatsanleihen (größter Anteil)
- Unternehmensanleihen
- Wertpapieren mit Vermögensbesicherung
- Volumen: Rund 2,6 Billionen Euro bis Ende 2018
Folgen:
- Langfristige Zinsen in der Eurozone sanken erheblich.
- Staaten konnten sich zu sehr niedrigen oder sogar negativen Zinsen verschulden.
- Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte nahm zu.
2. Wiederaufnahme von Anleihekäufen (2019)
- Nach einer Pause 2018 nahm die EZB Ende 2019 erneut Anleihekäufe auf.
- Grund: Wirtschaftsschwäche und niedrige Inflation in der Eurozone.
- Kaufvolumen: 20 Milliarden Euro pro Monat
3. Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) – 2020
- Gestartet im März 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie
- Ziel: Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie
- Volumen: 1,85 Billionen Euro (bis März 2022)
- Besonderheiten:
- Flexibler als vorherige Programme (z. B. mehr Käufe von hochverschuldeten Ländern wie Italien oder Spanien)
- Direkte Unterstützung für Staaten mit hohem Finanzierungsbedarf
Folgen:
- Verhinderung einer schweren Finanzkrise in der Eurozone
- Stabile Finanzierungskosten für Regierungen und Unternehmen
- Rasche Erholung der Wirtschaft nach der Pandemie
Wirkung und Konsequenzen der EZB-Anleihekaufprogramme
1. Wirtschaftswachstum und Inflationskontrolle
- Die Programme halfen, die Wirtschaft zu stabilisieren.
- Inflationsziel von knapp 2 % wurde lange nicht erreicht – erst 2021 stieg die Inflation durch Lieferkettenprobleme und hohe Energiepreise deutlich.
2. Niedrige Zinsen für Staaten und Unternehmen
- Viele europäische Staaten konnten sich zu extrem niedrigen oder negativen Zinsen verschulden.
- Unternehmen profitierten von günstigen Krediten für Investitionen.
3. Auswirkungen auf die Finanzmärkte
- Aktienmärkte stiegen, da alternative Anlagen mit niedrigen Zinsen weniger attraktiv waren.
- Staatsanleiherenditen blieben extrem niedrig – teilweise sogar negativ.
4. Kritik und Risiken
- Mögliche Überhitzung der Märkte: Langfristig könnte zu viel billiges Geld spekulative Blasen erzeugen.
- Starke Abhängigkeit von der EZB: Viele Staaten und Banken sind auf die Käufe der EZB angewiesen.
- Inflationsanstieg (ab 2021): Durch Angebotsengpässe und hohe Staatsausgaben stieg die Inflation in der Eurozone über 5 % – EZB musste reagieren.
Ende der Programme und geldpolitische Wende (2021–2022)
- 2021 kündigte die EZB das Ende von PEPP für März 2022 an.
- Die Inflation stieg deutlich, was die EZB zwang, ihre Politik anzupassen.
- 2022 begann die EZB erstmals seit Jahren, die Zinsen wieder zu erhöhen.
Fazit
Die Anleihekaufprogramme der EZB (2015–2021) waren eines der wichtigsten geldpolitischen Instrumente zur Stabilisierung der Eurozone nach der Eurokrise und während der COVID-19-Pandemie. Sie halfen, niedrige Zinsen zu sichern, die Kreditvergabe zu fördern und eine Deflation zu verhindern.
Allerdings führten sie auch zu Risiken wie möglichen Marktverzerrungen und steigender Inflation. Die Herausforderung für die EZB bestand darin, den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik so zu gestalten, dass die Wirtschaft nicht erneut in eine Krise gerät.