EASDAQ (European Association of Securities Dealers Automated Quotation) Börsenlexikon Vorheriger Begriff: Early Stage Financing Nächster Begriff: ebB (Kurszusatz)

Eine europäische elektronische Börse, die als Pendant zum Nasdaq Stock Market gegründet wurde und den Handel mit Wertpapieren über automatisierte Notierungen ermöglichte

EASDAQ (European Association of Securities Dealers Automated Quotation) war eine europäische Wertpapierbörse, die 1996 gegründet wurde und sich an dem US-amerikanischen NASDAQ orientierte. Sie sollte insbesondere jungen, wachstumsstarken und technologieorientierten Unternehmen einen Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen und somit eine Alternative zu den etablierten nationalen Börsen in Europa darstellen. EASDAQ gilt als eines der wichtigsten frühen Projekte zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes für innovative Unternehmen.

Entstehung und Zielsetzung

EASDAQ entstand in den 1990er-Jahren als Reaktion auf den Bedarf nach einer europäischen Börse für Wachstumsunternehmen. Hintergrund war der Erfolg der US-amerikanischen NASDAQ, die sich als Handelsplattform für Technologieunternehmen wie Microsoft, Intel oder Cisco etabliert hatte. In Europa fehlte zu dieser Zeit ein vergleichbarer Markt, da die nationalen Börsenplätze vor allem auf große, etablierte Unternehmen fokussiert waren.

Das Hauptziel von EASDAQ bestand darin, jungen europäischen Unternehmen den Zugang zu Risikokapital über den organisierten Kapitalmarkt zu ermöglichen. Dies sollte die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Start-ups fördern, die ansonsten häufig gezwungen waren, den US-Kapitalmarkt für ihre Finanzierung zu nutzen.

Organisationsstruktur und Funktionsweise

EASDAQ wurde als paneuropäische Börse konzipiert, die von der Europäischen Kommission unterstützt und nach internationalen Standards reguliert war. Sie war technisch und organisatorisch eng an das Modell der NASDAQ angelehnt.

Charakteristische Merkmale:

  1. Dealer Market: Der Handel erfolgte über autorisierte Wertpapierhändler (Securities Dealers), die als Market Maker fungierten.

  2. Elektronisches Quotationssystem: Preise wurden elektronisch angezeigt und die Transaktionen automatisiert abgewickelt.

  3. Zulassungskriterien: Die Anforderungen für die Börsennotierung waren niedriger als an traditionellen Börsen, wodurch innovative Wachstumsunternehmen leichter Zugang erhielten.

  4. Europäischer Fokus: Die Börse war nicht an einen einzelnen nationalen Markt gebunden, sondern richtete sich an Unternehmen aus ganz Europa.

Entwicklung und Herausforderungen

Trotz ambitionierter Ziele konnte sich EASDAQ nur bedingt etablieren. Zwar notierten mehrere aufstrebende europäische Unternehmen an der Börse, doch blieb das Handelsvolumen im Vergleich zu den etablierten Börsen relativ gering. Gründe hierfür waren:

  1. Konkurrenz durch nationale Wachstumsbörsen: In den späten 1990er-Jahren gründeten viele europäische Länder eigene Börsensegmente für Wachstumsunternehmen, z. B. den Neuen Markt in Deutschland, den Nouveau Marché in Frankreich oder den Nuovo Mercato in Italien.

  2. Begrenzte Liquidität: Es fehlte an einer ausreichenden Anzahl von Investoren und Market Makern, was den Handel erschwerte.

  3. Geringe Bekanntheit: Im Vergleich zur NASDAQ konnte EASDAQ keine ähnlich starke Marke aufbauen.

  4. Regulatorische Hürden: Trotz europäischer Ausrichtung gab es Schwierigkeiten, nationale Rechts- und Regulierungssysteme zu harmonisieren.

Übernahme und Transformation

Im Jahr 2001 wurde EASDAQ von der NASDAQ übernommen und in NASDAQ Europe umbenannt. Ziel war es, das europäische Pendant zur US-amerikanischen NASDAQ zu etablieren. Doch auch dieses Projekt blieb hinter den Erwartungen zurück, da sich die Marktsituation nach dem Platzen der Dotcom-Blase massiv verschlechterte.

Im Jahr 2003 zog sich NASDAQ wieder aus Europa zurück, und der Markt wurde von der belgischen Börse (Euronext Brüssel) übernommen. Damit endete die eigenständige Existenz von EASDAQ.

Bedeutung und Nachwirkungen

Auch wenn EASDAQ nur wenige Jahre bestand, hatte die Börse wichtige Impulse für die Entwicklung europäischer Kapitalmärkte:

  1. Vorbildfunktion: EASDAQ trug dazu bei, dass in vielen europäischen Ländern eigene Wachstumssegmente geschaffen wurden.

  2. Europäische Integration: Die Börse war ein früher Versuch, einen grenzüberschreitenden Kapitalmarkt für innovative Unternehmen zu etablieren.

  3. Lehren für spätere Projekte: Die Erfahrungen mit EASDAQ flossen in die spätere Entwicklung paneuropäischer Handelsplattformen wie Euronext oder die Deutsche Börse ein.

Heute existieren vergleichbare Segmente, z. B. Euronext Growth oder Deutsche Börse Scale, die ähnliche Ziele verfolgen wie einst EASDAQ: wachstumsstarken kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern.

Fazit

EASDAQ war ein ambitioniertes Projekt zur Schaffung einer paneuropäischen Wachstumsbörse nach dem Vorbild der NASDAQ. Trotz innovativer Ansätze und internationaler Ausrichtung konnte sie sich aufgrund von Konkurrenz, begrenzter Liquidität und ungünstigen Marktbedingungen nicht dauerhaft etablieren. Ihre Bedeutung liegt weniger im wirtschaftlichen Erfolg als in den Impulsen, die sie für die europäische Börsenlandschaft und die Förderung junger, innovativer Unternehmen gesetzt hat.